Übergriffe in Bitterfeld-Wolfen Übergriffe in Bitterfeld-Wolfen: Kritik an Oberbürgermeisterin Petra Wust wächst

Bitterfeld - Die Gewaltanschläge von mutmaßlich rechtsextremen Gruppierungen reißen in Bitterfeld nicht ab - doch die Kommunalpolitik vor Ort schweigt dazu größtenteils. Dabei hat sich die Lage in den vergangenen Wochen extrem zugespitzt. In der Stadt kam es zu massiven Übergriffen: Linksorientierte wurden verletzt, auf das Alternative Kulturwerk wurde ein Brandanschlag verübt. Zudem warfen bisher Unbekannte zum wiederholten Mal schwere Geschosse in die Fenster der Abgeordnetenbüros von Linken und Grünen in Bitterfeld, zuletzt in der Nacht auf den vergangenen Samstag.
Dass sich Rathausspitze und Lokalpolitiker mit einer klaren Position zu den jüngsten Ereignissen weitgehend bedeckt halten, stößt nun zunehmend auf Kritik. „Bitterfeld hat ein massives Problem mit rechter Gewalt“, erklären die Landtagsabgeordneten Sebastian Striegel (Grüne) und Henriette Quade (Linke). „Und dies nicht erst seit den Angriffen auf Parteibüros. Junge, nicht-rechte Menschen werden seit Wochen von Neonazis bedroht und angegriffen.“ Beide fordern: „Die kommunalen Mandatsträger und insbesondere die Oberbürgermeisterin Petra Wust müssen ein Zeichen der Solidarisierung setzen. Wir erwarten endlich Aktivitäten, um Demokratie zu stärken und den Nazis in der Region entgegenzutreten.“
Problem verkannt
Vor Ort werde das Problem offensichtlich verkannt. „Es wird behauptet, dass es kein Neonazi-Problem gibt oder es sich um Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Jugendlichen handelt“, so Striegel. „Beides ist falsch und gefährlich. Es ist eine gefährliche Ignoranz der tatsächlichen Lage. Nazis gehen nicht weg, wenn man sie ignoriert.“ Es sei nun Aufgabe der OB und auch des Landrates Uwe Schulze (CDU), Aktivitäten in die Hand zu nehmen, gemeinsam mit Akteuren eine eindeutige Positionsbestimmung zu vollziehen. „In vergleichbar großen Städten wie Bernburg und Merseburg gibt es Strategien, mit Rechtsextremismus umzugehen. Es gibt beispielsweise lokale Bündnisse, die breit aufgestellt sind. Da wehren sich Leute überparteilich gegen Nazis in der Stadt.“ Es brauche einen „Aufstand der Anständigen statt in Deckung zu gehen“.
Und auch der SPD-Ortsverband Bitterfeld-Wolfen meldet sich zu Wort. „Wir fordern die politisch Verantwortlichen in der Stadt, und besonders die Oberbürgermeisterin, auf, die Vorgänge der vergangenen Wochen nicht länger totzuschweigen und endlich offensiv anzugehen“, erklärt der Vize-Vorsitzende Chris Henze. Man verurteile die aktuellen Anschläge auf Abgeordnetenbüros.
Keine inhaltliche Argumentation
„Extremismus und Gewalt haben in einer Gesellschaft und in der politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen. Wer sich dieser feigen Methoden bedient, hat offensichtlich nicht die Fähigkeit und den Willen, inhaltlich zu argumentieren.“ Henze könne nicht verstehen, warum in den vergangenen Wochen keine Erklärung der OB oder des Stadtrates erfolgt sei. „Und ich verstehe ebenso nicht, wie man linke Schmierereien - auch wenn ich diese nicht gutheiße - gleichsetzen kann mit offensichtlich rechtsextremen Gewalttaten wie dem Brandanschlag und Anschlägen auf Büros von Abgeordneten.“ Dies seien völlig unterschiedliche Dimensionen. „Wir haben hier ein Problem mit Rechtsextremismus. Dafür muss ein Bewusstsein geschaffen werden“, sagt Henze. „Die Stadt braucht ein Bündnis gegen rechte Gewalt. Wir müssen zeigen, dass die vernünftigen Menschen in der Mehrheit sind.“
OB Wust war am Sonntag telefonisch nicht zu erreichen. In den vergangenen Wochen hatte sie sich zur Lage öffentlich nicht geäußert. Auch die Gründe für die Absage eines für den 1. Mai geplanten Festes mit dem Motto „Bitterfeld zeigt Gesicht“ ließ sie unkommentiert. Offenbar war eine Eskalation befürchtet worden. Lediglich mit einem offenen Brief hatten sich Mitte April die OB, der Stadtrat und Ortsbürgermeister an die Einwohner gewandt. Darin sprach man sich gegen Gewalt aus und forderte zu einem Bekenntnis zu Demokratie und Toleranz auf. (mz)