1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Stimmen von der Montagsdemonstration: Stimmen von der Montagsdemonstration: «Staat bringt sich um die Zukunft»

Stimmen von der Montagsdemonstration Stimmen von der Montagsdemonstration: «Staat bringt sich um die Zukunft»

30.08.2004, 18:15

Wittenberg/MZ/teo. - Neben geeigneten Räumlichkeiten braucht sie dafür finanzielle Unterstützung - für die Modelle, die die Jugendlichen unter fachlicher Anleitung selbst bauen könnten. Unter den zahllosen Arbeitslosen, so Frau Krügers Überzeugung, gibt es viele Hochqualifizierte, die gern gemeinsam mit Jugendlichen ein solches Projekt umsetzen würden. Doch so oft Frau Krüger diesbezüglich beim Arbeitsamt vorspricht - Ablehnung. Derartiges Privatinteresse, heißt es dann immer, könne nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.

Aber was hat das mit den Protesten gegen Hartz IV zu tun? Schon drei Mal hat Brunhild Krüger auf den Wittenberger Kundgebungen das Wort ergriffen - "innerlich flatternd", wie sie gesteht - mit sehr emotionalen Reden. Doch nicht, weil es ihr darum gehe, "dass ich künftig mit weniger Geld auskommen muss", fordere sie "Hartz IV muss weg!". Sondern weil sie denkt, dass Deutschland sich mit dieser Politik selbst um seine Zukunft bringt, indem ein großer Teil der Gesellschaft für immer ausgeschlossen wird von der Verteilung der Arbeit und deren Früchten. Das wäre, sagt sie, der Sieg des Neoliberalismus, wo es letztlich nur noch um Verteilungskämpfe geht.

Mit diesem Thema beschäftigt sich die politisch interessierte Naturwissenschaftlerin sehr intensiv, doch den von Existenzsorgen geplagten Menschen auf dem Platz darüber Vorträge zu halten, sei nicht sinnvoll. Um die tatsächlichen Auswirkungen von Hartz IV deutlich zu machen, erzählt Frau Krüger zum Beispiel von ihrer Tochter, die im Ausland arbeitet und sagt, dass sie nie wieder nach Deutschland zurückkehren wolle, in dieses "perspektivlose Land".

"Wer nicht die Freiheit hat, arbeiten zu dürfen, dem muss so viel Unterhalt zukommen, dass er nicht nur existieren, sondern auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann", schließt sich die 52-Jährige Forderungen nach einem Bürgergeld in der Höhe eines von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) festgelegten Richtbetrages an. Das sichere nicht nur Kaufkraft, sondern auch die Existenz immaterieller Bereiche wie Kultur und Bildung. Zudem müsse die Arbeit gerechter verteilt werden und dies auch im nicht wertschöpfenden Bereich wie eben Bildung, Erziehung, Kultur, Betreuung und Pflege - damit schließt sich der Kreis zu ihrem Physik-Projekt.

Ob das alles nicht zu idealistisch ist? "Wer keine hohen Ziele hat, wird nichts bewegen", entgegnet Frau Krüger. "Eigentlich", sagt sie, "ist die Lage, in der wir uns jetzt befinden, keine Notsituation - sondern eine riesige Entwicklungschance." Die Politiker müssten das nur begreifen und bereit sein, diese wirklich demokratisch mit dem Volk zusammen auszuloten. Hartz IV auszusetzen müsse dafür der erste Schritt sein.