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Zeichen gegen den Krieg Sportevent in Bitterfeld wird zum Friedenstreff: Mit 200 Glocken gegen den Krieg in der Ukraine

Verein veranstaltet sportlichen Treff aus Solidarität zur Ukraine. Viele Gäste werden zum Radfahren, Laufen und Goitzsche-Schwimmen erwartet. Samstag um 13 Uhr sollen die in der Vergangenheit verschenkten Glocken überall in Europa läuten.

Von Frank Czerwonn Aktualisiert: 03.03.2022, 14:38
Ein Boxer aus Danzig (2.v.l.) hat die Familie eines ukrainischen Boxers abgeholt. Timo Hoffmann zahlt ihnen einen Monat lang die Miete.
Ein Boxer aus Danzig (2.v.l.) hat die Familie eines ukrainischen Boxers abgeholt. Timo Hoffmann zahlt ihnen einen Monat lang die Miete. Foto: Krystian Ciesnik

Bitterfeld/MZ - Der Vereinsname spricht eine klare Sprache: „Zukunft Frieden“. Gegründet von Bitterfelder Sportlern, kommen die Mitglieder und Unterstützer inzwischen aus halb Deutschland. Ihr Traum, nach den beiden großen Luther-Papst-Läufen zwischen Wittenberg und Rom auch von Zerbst nach St. Petersburg zu laufen, ist erst durch Corona und nun durch Russlands Krieg gegen die Ukraine in weite Ferne gerückt. „Dabei wollten wir uns gerade mit diesem Lauf für den Frieden und die Freundschaft zwischen den Völkern einschließlich Russlands stark machen“, sagt der Vereinsvorsitzende Peter Junge.

„Zukunft“ wird Sehnsuchtsort

Für die Aggression Putins finden er und die anderen Mitglieder klare Worte. „Der Militärschlag ist nicht zu akzeptieren. Das ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht“, sagt Junge. Hans-Ulrich Idziaschek spricht von einer bitteren Enttäuschung und meint: „Das Wort ,Zukunft’ in unserem Vereinsnamen wird jetzt zum Sehnsuchtsort für viele Menschen.“ Nach dem Schock des russischen Angriffs waren sich die Mitglieder einig: Wir müssen reagieren.

Um ein deutliches Zeichen zu setzen, veranstaltet der Verein diesen Samstag ein großes Sportevent. Er weitet den regelmäßig stattfindenden Sporttreff aus zu einem Friedenstreff mit vielen Gästen. „Natürlich hoffen wir, dass viele Menschen aus Bitterfeld-Wolfen und dem Landkreis vorbeikommen“, sagt Junge.

Angekündigt haben sich die Pferdesportler des Vereins „Friedenstreck“ Brück (Brandenburg), die 2018 mit Planwagen eine Glocke ins russische Nowgorod gebracht haben. Mit ihnen hat der Bitterfelder Verein freundschaftliche Beziehungen geknüpft, künftig wollen sie sich gemeinsam für den Frieden engagieren. Die Brücker bringen einen Bioschweinezüchter mit, der in seinem Imbisswagen 150 Portionen gebackenes Schwein anbietet. Mehrere thüringische Teilnehmer des Rennsteiglaufs haben sich ebenfalls zusammen mit Kanuten angekündigt. Ein Boxteam aus Leipzig und eins aus Halle sind auch am Start. Letztere werden von Uwe „Commander“ Schuster trainiert, der für seinen Kraftkreis berühmt-berüchtigt ist. Ende Januar hatten die Bitterfelder Läufer dieses Zirkeltraining im Boxstudio selber absolviert. Nun revanchiert sich der „Commander“.

Krönendes Bad im Goitzsche-See

Natürlich geht es am Samstag einerseits um sportliche Betätigung. Zur Auswahl stehen eine Zehn-Kilometer-Laufstrecke an der Goitzsche, eine 25-Kilometer-Radstrecke auf dem Rundweg und für Mutige ein Abtauchen in der Goitzsche als krönender Höhepunkt. Treffpunkt ist um 10 Uhr das Fritz-Heinrich-Stadion in Bitterfeld, das die Stadt zur Verfügung stellt. Auch Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) soll mit von der Partie sein.

Doch die Sportler wollen auch Flagge gegen den Krieg in der Ukraine zeigen. Zumal sie selber direkte Kontakte dorthin haben. So ist ihr Mitglied Maxim Engelmann gebürtiger Ukrainer. In den 1990er Jahren kam er nach Deutschland. Inzwischen ist er deutscher Staatsbürger und Chef der Kunstgießerei Lauchhammer. Er gießt dort die Friedensglocken des Bitterfelder Vereins mit der Aufschrift „Für Frieden, Demokratie und Toleranz“ auf Deutsch, Englisch und Russisch. Überreicht wurden diese Glocken bereits an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Bodo Ramelow, aber auch an Bürgermeister und Unterstützer in Etappenorten der Friedensläufe, die 2020 und 2021 quer durch Deutschland führten.

Vereinschef Peter Junge (r.) hat im Fritz-Heinrich-Stadion bereits 2020 eine der Friedensglocken an Reiner Haseloff überreicht.
Vereinschef Peter Junge (r.) hat im Fritz-Heinrich-Stadion bereits 2020 eine der Friedensglocken an Reiner Haseloff überreicht.
Foto: André kehrer

Engelmanns Schwiegereltern leben in der Ukraine, er ist in großer Sorge um sie und erfährt aus erster Hand von den schrecklichen Ereignissen. „Am Samstag wird er davon berichten“, sagt Junge. Zudem werden Friedensglocken versteigert. Startgebot: 150 Euro. Der Erlös wird Engelmann übergeben, in dessen Betrieb Flüchtlinge aufgenommen werden und der das Geld direkt an Betroffene weiterleiten soll.

Mehr als 200 Glocken sollen läuten

Doch gestartet wird diese Aktion mit einem ganz besonderen Ereignis: Denn die beiden Vereine aus Bitterfeld und Brück engagieren sich nicht nur für den Frieden, sondern haben auch beide in den vergangenen Jahren Friedensglocken verteilt. „Insgesamt sind das mehr als 200 Glocken in ganz Europa“, sagt Junge. Auf Vorschlag des Brücker Vereinschefs Helmut Kautz sollen all diese am Samstag um 13 Uhr geläutet werden. Die Vereinsmitglieder versuchen gerade, möglichst viele Glockenbesitzer darüber zu informieren. Mit etwas Glück werden in all diesen Orten davon Fotos gemacht. Unter dem Motto „Kriegsschrott zu Friedensglocken“ wird die größte Glocke von Pferden aus Brück zur Goitzsche gezogen und dort geläutet. Danach beginnt die Versteigerung.

Doch auch andere Vereinsmitglieder leisten konkrete Hilfe. So übernimmt Boxer Timo Hoffmann - Spitzname: die „Deutsche Eiche“ - für einen Monat die Miete für die Familie eines ukrainischen Boxers, die von einem polnischen Boxer aus Danzig von der Grenze abgeholt wurde und nun in Polen wohnt. „Big Boxing Family“ nennt Hoffmann diesen Zusammenhalt, der in solch schweren Zeiten lebenswichtig sei. Diese Gemeinsamkeit hoffen die Bitterfelder Friedensläufer am Samstag mit vielen Gästen zeigen zu können.