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Neuer Fund Sensationsfund vom Flohmarkt: Alte Baupläne von Ehrenbürger Albert Richter zeigen anderes Bitterfeld

In Markkleeberg sind zwei alte Kartons mit Bauplänen, Rechnungen und raren Fotos des Bitterfelder Kaffeebarons Albert Richter aufgetaucht. Sogar im Stadtarchiv ist man überrascht.

Von Benjamin Telm Aktualisiert: 07.02.2025, 13:13
Stadtarchivleiterin Dana Kubitschek sitzt zwischen dem neuen Material.  Bis sie sich damit auseinandersetzen kann, wird es wohl noch etwas dauern.
Stadtarchivleiterin Dana Kubitschek sitzt zwischen dem neuen Material. Bis sie sich damit auseinandersetzen kann, wird es wohl noch etwas dauern. Foto: Benjamin Telm

Bitterfeld /MZ. - Das Stadtarchiv Bitterfeld-Wolfen hat völlig überraschend einen wahren Schatz erhalten.

Der Überbringer war vor fünf Jahren auf dem Agra-Antikmarkt in Leipzig-Markkleeberg von Stand zu Stand geschlendert und hatte dabei zufällig zwei alte Kisten entdeckt. Was ist das? Steht da etwa „Albert Richter“ auf den vergilbten Kartons? Der Mann, der anonym bleiben möchte, glaubte damals seinen Augen nicht zu trauen und griff zu. Die Kartons steckten voller Material des berühmten Bitterfelder Stadtrats, Kolonialwarenhändlers und Kaffeerösterei-Betreibers Albert Richter. Dazu gehörten Rechnungen, Verträgen und Bauskizzen, die teils nie umgesetzt wurden. Der gesamte Schatz ist nun im Stadtarchiv.

Wer schon einmal in der Musik-Galerie an der Goitzsche am Ratswall war oder aufmerksam daran vorbeigegangen ist, sollte den Namen Albert Richter kennen

Wer schon einmal in der Musik-Galerie an der Goitzsche am Ratswall war oder aufmerksam daran vorbeigegangen ist, sollte den Namen Albert Richter kennen. Dort hatte der Ehrenbürger der Stadt Bitterfeld sein Wohn- und Geschäftshaus samt Kaffeerösterei – erkennbar daran, dass sein Name auf so ziemlich jeder Seite des Gebäudes in Stein gefasst ist.

Aufnahmen aus Richters Kaffeerösterei befanden sich  auch in den Kartons.
Aufnahmen aus Richters Kaffeerösterei befanden sich auch in den Kartons.
Foto: Repro

Die Kaffeerösterei eröffnete er 1904, wofür er das Gebäude errichten ließ. Richters Geschäfte müssen gut gelaufen sein, denn neben einem großen Lagergebäude, das später folgte, besaß seine Familie mindestens ein weiteres großes Kaffeegeschäft in der Walther-Rathenau-Straße sowie einen Neubau an der gegenüberliegenden Ecke zwischen Ratswall und Grünstraße.

So sieht dieser Teil der Fassade des Gebäudes heute als Musik-Galerie aus.
So sieht dieser Teil der Fassade des Gebäudes heute als Musik-Galerie aus.
Foto: Benjamin Telm

Doch wie die neu entdeckten Unterlagen zeigen, plante Richter weitere Bauvorhaben, die vermutlich nie umgesetzt wurden. „Wir wissen nicht, wo dieses Gebäude stehen sollte oder ob es überhaupt gebaut wurde“, sagt Stadtarchivleiterin Dana Kubitschek, während sie eine Bauskizze eines großen Gebäudes zeigt, dessen Dach rötlich eingefärbt ist. Die Zeichnung trägt die Überschrift „Röstereigebäude für Herrn Stadtrat Albert Richter in Bitterfeld“.

Klar ist lediglich, dass es sich nicht um eine alternative Skizze zum Gebäude am Ratswall handeln kann, da sie einige Jahre später entstanden sein muss. Das lässt eine Notiz auf der Rückseite vermuten. Allerdings könnte es sich um einen ursprünglich geplanten Anbau zur Kaffeerösterei handeln. Gegenüber der ehemaligen Kaffeerösterei befindet sich bis heute ein weiteres Gebäude, das damals wohl ebenfalls der Familie Richter gehörte – erkennbar an den in Stein geprägten Jahreszahlen 1852 und 1936 sowie der Darstellung eines vermutlich dunkelhäutigen Menschen, wie es zur Zeit der Kolonialwarenläden üblich war.

Ein Bauplan zeigt die Kaffeerösterei Richters zur Grünstraße hin.
Ein Bauplan zeigt die Kaffeerösterei Richters zur Grünstraße hin.
Foto: Repro

Dieses Motiv findet sich ebenso auf einer kleinen Kaffeedose aus Blech, die ebenfalls in einem der beiden Schatzkisten vom Flohmarkt entdeckt wurde. Darin befanden sich zudem unzählige weitere Dokumente, die meisten aus dem frühen 20. Jahrhundert. Darunter sind verschiedene Verträge, Kostenvoranschläge und Entwürfe zu Bauprojekten wie einer weiteren Kaffeerösterei oder einem Gartenhaus sowie zu Klempner-, Stuck- und Granitarbeiten. Der Fund geht weit über Richter hinaus. „Das ganze Material könnte neue Erkenntnisse über die Geschichte der Stadt Bitterfeld bringen“, sagt Kubitschek.

Zahlreiche Fotos geben Einblicke hinter die Kulissen des damaligen Kaffeerösterei-Betriebs

Ein weiteres Highlight, das Jahrzehnte verschollen war, sind Fotografien, die den damaligen Kaffeerösterei-Betrieb zeigen und Einblicke hinter die Kulissen gewähren, sowie Fotoglasplatten, mit denen zu Richters Zeiten Bilder entwickelt wurden. Leider fehlen derzeit die Kapazitäten, um das neue Material umfassend auszuwerten, erklärt Kubitschek. Unklar ist auch, welche Odyssee die Kartons durch die Jahrzehnte zurückgelegt haben, bis sie nun wieder nach Bitterfeld heimgekehrt sind.

Doch führte die Schenkung zu einer eher zufälligen Entdeckung im Archiv: „Mir ist in diesem Zusammenhang aufgefallen, dass wir bereits eine Kaffeedose von Richter haben. Sie diente unbeabsichtigt als Schlüsselbox. Jetzt hat sie eine Archivnummer“, sagt Kubitschek. Manchmal befinden sich die Schätze eben direkt vor der Nase, man muss sich nur erkennen.