«Richtig klasse, was hier entsteht»
WOLFEN/MZ. - Er legt eine große Glasscheibe auf eine Collage, die Fläche wird eben, die Farben leuchten gleich kräftiger. Er fährt mit dem Finger über die abgebildete Form. "Ein Fruchtkorb", sagt er und lobt Björn, der das Bild gerade fertig gemacht hat. "Schön. Er bringt das, was wir uns nicht mehr trauen - das kleine Friemeln", stellt er fest und reibt dabei die Finger der rechten Hand gegeneinander.
Björn Hilschmann kennt die Abläufe der Werkstattwoche, die zum sechsten Mal im Kulturhaus in Wolfen stattfindet. Der 15-jährige Schüler war schon im vergangenen Jahr dabei. "Weil es solchen Spaß macht", meint er und erklärt seine Arbeiten, die Petrovsky besonders gut findet. Was Björn malt, geht schon weit darüber hinaus, Dinge, die er sieht, abzubilden. "Ich lebe mit jedem einzelnen mit. Ich freu mich, wenn einer ein schönes Blatt gemacht hat. Da fließt schon Herzblut", sagt Petrowsky.
Ursprünglich als Aktion für Schüler während der Ferienzeit gedacht, zieht die Werkstattwoche, die die Stadt finanziell unterstützt, inzwischen längst auch Leute an, die die Schulzeit schon ein paar Jährchen hinter sich haben. Hannelore Grundmann zum Beispiel. "Hier kriegt man ordentliche Anleitungen, wie man was macht. Man lernt und guckt und tauscht sich aus. Und was ich so gut finde: Man kann ganz verschiedene Techniken ausprobieren." Zum Beispiel zeichnen mit einem angespitzten Bambusstäbchen. Malen und Zeichnen ist ihr großes Hobby. Einmal in der Woche trifft sie sich mit anderen Frauen im Wolfener Frauenzentrum zum Malen. Gerade jetzt haben sie dort eine Ausstellung.
Das Zusammenspiel von Jung und Alt macht für Petrovsky und Ullrich das Besondere der Woche aus. "Das ist gut, das bringt Spannung", sagt der eine. Und der andere erklärt: "Auch wenn's jetzt blöd klingt: Die Älteren sind oftmals dynamischer als die Jungen." Und die Woche sei ja trotz aller Fröhlichkeit auch Anstrengung und Arbeit - eine knallharte Zeit eben. "Da gibt es kaum eine Pause", so Petrovsky. Hannelore Grundmann nickt. "Man ist voll und ganz dabei."
Zufrieden schaut Bärbel Hille auf ihr Werk. Sie hat das Bild, das Sonnenblumen in einer Vase zeigt, gerahmt und an die Wand gehängt. "Ja, jetzt lebt es", stellt sie fest und erzählt, dass sie sich zwei Tage darüber geärgert hat, dass sie das nicht hingekriegt hat. Erst nach Petrovskys Hinweis ist sie damit glücklich. "Man muss Hürden überspringen", sagt er nur. Bärbel Hille hat jetzt wieder Lust bekommen zu malen. "Ich hab doch nur in der Schule gemalt", sagt sie. "Aber ich kenne ein paar Leute aus dem Verein - früher habe ich immer mal Modell gesessen, so bin ich hierher gekommen. Und es macht Spaß."
Im Atelier nebenan steht der Mensch im Mittelpunkt. Im wahrsten Sinne. Denn dort üben sich die Teilnehmer unter der Anleitung von Klaus Ullrich im Aktzeichnen und Porträtieren. Beim Aktzeichnen war Bärbel Hille in den vergangenen Tagen auch schon. Sie winkt ab und platzt lachend heraus: "Das ist so anstrengend. Ich hab immer 20 Kilo mehr gemalt. Also nee, das grenzt schon an Körperverletzung."
Ullrich, der den hiesigen Malverein "Neue Schänke" leitet, sieht das locker. Heute will er die allgemeinen anatomischen Grundlagen des menschlichen Kopfes vermitteln. Dazu hat er sogar einen knöchernen Schädel mitgebracht und entsprechende Bücher. "Wenn man sich über die anatomischen Sachen hinwegsetzt", sagt er, "wird's vielleicht auch Kunst." Er beobachtet die Entwicklung und freut sich darüber, wie offen und begeisterungsfähig die Leute hier sind. "Schön, wie sie sich reinversetzen. Das ist ja 'ne Welt, die nicht jedem offensteht", sagt er. "Die meisten Arbeiten sind zunächst geprägt vom Abbildhaften. Und dann kommt da langsam auch was anderes rein. Da merkt man, wie sich was öffnet, was passiert. Das ist es."