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Kirche Rätselhaftes Pfingsten: Vier Jugendliche streuen in Rösa eine lange Sandspur

Am unbekanntesten bekannten Feiertag wird ein Quartett konfirmiert. Wieso dieses Fest dafür genau der richtige Anlass ist und auch für Nichtchristen große Bedeutung hat.

Von Frank Czerwonn Aktualisiert: 04.06.2022, 18:54
Tom Kersten, Alina Bennemann, Selma Puschmann und Yannick Wiecha (v.l.) proben vor der Kirche in Rösa das Streuen der Sandspur samt Tannengrün. Sie führt die Konfirmanden zu Pfingsten in die Gemeinde hinein.
Tom Kersten, Alina Bennemann, Selma Puschmann und Yannick Wiecha (v.l.) proben vor der Kirche in Rösa das Streuen der Sandspur samt Tannengrün. Sie führt die Konfirmanden zu Pfingsten in die Gemeinde hinein. Foto: André Kehrer

Rösa/MZ - Weihnachten wurde Jesus geboren, am Karfreitag gekreuzigt, Ostersonntag ist er auferstanden. So weit reicht oft noch das Wissen über christliche Feiertage. Doch jetzt steht Pfingsten vor der Tür. Das stellt viele Menschen vor ein Rätsel. Was genau feiern wir da eigentlich? Für vier 14-Jährige aus Rösa, Brösa und Schmerz ist die Antwort klar: Sie feiern am Sonntag in der Kirche von Rösa ihre Konfirmation. Der Termin aber ist alles andere als Zufall.

Doch vor dem Feiern kommt für Alina Bennemann, Selma Puschmann, Tom Kersten und Yannick Wiecha die Arbeit. Akribisch haben sie sich über Monate im Konfirmandenunterricht mit Pfarrer Albrecht Henning auf diesen Tag vorbereitet. Sogar eine Prüfung mussten sie ablegen. „Davor war ich aufgeregter als vor jeder Klassenarbeit“, sagt Selma.

Putzen in Kirche und Garten

Auch die direkten Vorbereitungen sind nicht ohne. Vorigen Samstag haben sie gemeinsam die Kirche geputzt und den Kirchgarten gesäubert. „Zwischen den Pflastersteinen haben wir all das Unkraut herausgezogen“, erzählt Tom. Diesen Samstag gestalten sie die Kirche mit Blumenschmuck. All das lasse sie weiter zusammenrücken, sagen die Vier.

Dieses Gefühl der Gemeinschaft spielt auch bei ihrer Entscheidung für die Konfirmation eine wichtige Rolle. Für Tom stand das schon immer fest. „Meine ganze Familie ist im Glauben aufgewachsen.“ Mit drei Monaten wurde er getauft. Seiner Mutter Annett Kersten war das wichtig, wie sie erzählt. Gemeinsam haben sie inzwischen alle neun Kirchen im Pfarrbereich besucht. Die Konfirmation ist für den 14-Jährigen ein wichtiger Schritt: „Damit werde ich in die Gesellschaft aufgenommen.“

Schritt innerhalb des Weges

Bei Selma ist das ähnlich. Ihre ganze Familie ist konfirmiert. Jugendweihe kam für sie nie in Frage. „Konfirmation ist doch viel spannender.“ Yannick Wiecha hat sich schon früh für Kirche interessiert, war bei Krippenspielen dabei, fand die Geschichten in der Christenlehre spannend. Seine Mutter ist Kirchenmitglied, der Vater nicht. „Ich konnte selbst entscheiden.“ Die Konfirmation sei ein wichtiger Schritt, aber kein Einzelereignis, sondern eingebettet in seinen Weg, vorher und nachher.

Einen besonderen Weg nahm Alina Bennemann. „Unsere Tochter hat das für sich allein entschieden“, erzählt ihre Mutter Silke. Die singt zwar im Kirchenchor, ist aber kein Kirchenmitglied. Erst zu Ostern, vor wenigen Wochen also, ließ Alina sich taufen. „Doch Gott war schon früh in meinem Leben.“ Sie erzählt von der Christenlehre mit Freunden und der „schönen Zeit als Konfirmandin“. Durch die Taufe sei sie von Gott aufgenommen, durch die Konfirmation von der Kirchengemeinde. „Das ändert viel für mich, ich bin dann Teil von etwas Großem.“

Doch was hat all das mit Pfingsten zu tun, dem Fest des heiligen Geistes? Für Pfarrer Albrecht Henning sehr viel. Denn nach der Himmelfahrt Jesu fühlten sich dessen Jünger alleingelassen und hilflos. „Doch als der Heilige Geist über sie kam, fanden sie plötzlich den Mut, sich zu ihrem Glauben zu bekennen und darüber zu reden.“ Und das auch noch in vielen Sprachen. „Sie redeten in verständlichen Worten und mit Blick auf die konkrete Lage der Menschen mit diesen.“ Das sei das Gegenteil zur Sprachverwirrung, an der der Turmbau zu Babel laut Altem Testament scheiterte. Alle redeten demnach plötzlich in verschiedenen Zungen. „Die Menschen haben sich nicht mehr verstanden. Kennen wir das nicht auch aus unserer heutigen Zeit?“, fragt Henning. Es geht also um die richtige Kommunikation. „Das Pfingstgeschehen ist ein Bild für Verständigung“, meint Henning. Man solle sich auf Augenhöhe begegnen und einander zuhören. „Es geht darum, den anderen zu verstehen, es geht um das Klären von Positionen im Gespräch statt mit Waffengewalt.“

Was bedeutet die ganz eigene Rösaer Tradition?

Zu diesem pfingstlichen Weg zum Miteinander passt die Konfirmation als Aufnahme in die Gemeinschaft perfekt. In Rösa wird dies durch einen ganz eigenen Brauch symbolisiert: Die Konfirmanden streuen einen Pfad aus Sand. Wie genau dieser Brauch entstanden ist, weißauch die Kirchenälteste Renate Eckardt vom Gemeindekirchenrat nicht. Ein Hinweis für die Schenkenden, wo sie das Geld abgeben sollen, wie Toms Mutter Annett Kersten spaßeshalber erklärt, ist die Sandspur wohl her nicht. „Früher führte der von einem Haus eines Konfirmanden zum nächsten, bis zur Kirche“, erzählt Renate Eckardt. „Sogar in zwei Farben: Rot und Weiß.“ Für Henning steht der rote Sand vom Ufer der Mulde für die Liebe und das Feuer des Glaubens, der weiße für Erneuerung und Reinheit und die dazugelegten grünen Tannenzweige für die Hoffnung.

Ihre Kerzen hat das Quartett im Konfirmandenunterricht mit Pfarrer Albrecht Henning selbst gestaltet. Sie werden am Sonntag ab 10 Uhr angezündet.
Ihre Kerzen hat das Quartett im Konfirmandenunterricht mit Pfarrer Albrecht Henning selbst gestaltet. Sie werden am Sonntag ab 10 Uhr angezündet.
Foto: André Kehrer

Heute wird normaler Sand verwendet. Doch die Strecken von Haus zu Haus wären viel zu weit. „Aber wir streuen dennoch lange Spuren“, versichert Alina. Yannick hat sich sogar den gesamten rund 1,5 Kilometer langen Weg von Zuhause bis zur Kirche vorgenommen. „Ganz oder gar nicht - hat meine Familie gesagt.“ Dort finden die dann verschiedenen Sandpfade zusammen - so wie die Konfirmanden mit der Gemeinde. Im Anschluss nach dem feierlichen Akt in der Kirche wird mit der Familie groß gefeiert. Bei manchen sehen sich aus diesem Anlass Verwandte nach langer Zeit endlich wieder. Und noch eine Tradition wird von den Rösaer Konfirmanden natürlich fortgeführt: „Am Abend ziehen wir mit vielen Freunden lautstark durch die Straßen“, sagt Yannick voller Vorfreude. Und die anderen nicken mit leuchtenden Augen.

Die Konfirmationsfeier in der Rösaer Kirche beginnt am Pfingstsonntag um 10 Uhr. Besucher sind herzlich willkommen.