Prozess am Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen Prozess am Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen: 34-jähriger "Lebensretter" ist Täter

bitterfeld - Noch in seinem letzten Wort, das dem Angeklagten in einem Prozess zusteht, hat der 34-Jährige seine Schuld bestritten. Es hat ihm nichts genutzt: Am Donnerstag wurde er vor dem Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. Vorausgegangen war dem eine umfangreiche Beweisaufnahme an zwei Verhandlungstagen.
Die sei notwendig gewesen, um zu der für den Mann erdrückenden Beweislage zu kommen, so Oberstaatsanwältin Susanne Helbig in ihrem Plädoyer. Sowohl für sie als auch für das Schöffengericht steht fest, dass er es war, der dem späteren Opfer am 7. Juni 2012 schwerste Kopfverletzungen zugefügt und ihn damit in Lebensgefahr gebracht hat.
Opfer leidet noch immer
Dabei hat sich die Sachlage damals in der Schutzhütte „Bernsteinblick“ in der Goitzsche anfangs völlig anders dargestellt. Der Angeklagte war es nämlich auch, der an jenem Abend Rettungsdienst und Polizei informierte - und dem Verletzten damit offenbar das Leben rettete. Denn wahrscheinlich nur wegen der schnellen ärztlichen Versorgung und einer Operation noch am gleichen Abend konnte Schlimmeres verhindert werden. Der heute 54-jährige Geschädigte hatte unter anderem einen Schädelbruch erlitten und ist später noch mehrfach operiert worden. Er musste mit Wortfindungsstörungen und Lähmungen fertig werden. Noch heute leidet er an eingeschränkter Feinmotorik und kognitiver Verlangsamung. Zudem steht er unter Betreuung, um den Alltag bewältigen zu können.
Helfer wird zum Verdächtigen
Der Angeklagte hatte den Polizisten am Tatabend gesagt, dass er den Mann auf dem Nachhauseweg so gefunden habe - er sei auf Fahrrad-Tour um die Goitzsche gewesen und habe eine Notdurft verrichten wollen. Stutzig wurden die Beamten aber bereits zu diesem Zeitpunkt. Denn das Opfer zeigte auf den jungen Mann, als man es fragte, was passiert sei. Antworten konnte der Mann damals nicht. Zur Blutprobe wurde der spätere Angeklagte aber mitgenommen, weil er alkoholisiert mit dem Fahrrad unterwegs war. Im Laufe der Ermittlungen rückte der 34-Jährige jedoch schnell als Verdächtiger in den Fokus. DNA-Spuren an der Flasche als Tatwerkzeug, widersprüchliche Aussagen und vor allem die Identifizierung durch das Opfer und dessen glaubhafte Aussagen vor Gericht : All das ließ am Ende keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten aufkommen.
Unterhaltung zwischen Täter und Opfer
Demnach haben Täter und Opfer längere Zeit in der Hütte verbracht und sich unterhalten, was durch detailliertes Wissen des Opfers über seinen Peiniger bestätigt werden konnte. Der später Geschädigte hatte zwar einen Wohnsitz, nutzte den damals jedoch nicht. Er zog als Nichtsesshafter umher und gab sich als Obdachloser aus. Deshalb versuchte der Täter, ihn zu überreden, zu seinem Wohnort in eine Unterkunft mitzukommen. Das lehnte der Mann rigoros ab. Ob dies der Anlass für den 34-Jährigen war, plötzlich zuzuschlagen, bleibt offen. Auf jeden Fall hat er seinem Gegenüber mit einer Flasche unvermittelt zuerst auf die Hand und dann auf den Kopf geschlagen. Welche Rolle Alkohol oder krankhafte Symptome für solche Aussetzer spielen, darüber konnte nur gemutmaßt werden, weil der Mann eine Untersuchung ablehnte. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie musste sich für sein Gutachten als Sachverständiger auf Aktenlage und Verhandlungsverlauf stützen.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das Opfer trat auch als Nebenkläger auf. Seinem Antrag auf Schmerzensgeld wurde entsprochen, der Verurteilte muss ihm 6 000 Euro zahlen. Mit drei Jahren Haft blieb das Gericht unter Vorsitz von Annette Barth unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die drei Jahre und vier Monate gefordert hatte. Die Verteidigung hatte nach dem Grundsatz „In dubio pro reo - Im Zweifel für den Angeklagten“ auf Freispruch plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (mz)