Neujahrsinterview mit Bernd Marbach Neujahrsinterview mit Bernd Marbach: Raguhn-Jeßnitz begrüßt in Thurland neuen Investor

Raguhn-Jeßnitz - Die Stadt Raguhn-Jeßnitz hat sich ohne Haushalt durch das Jahr 2018 gekämpft. Jetzt sind die Erwartungen hoch, dass die Kommune endlich wieder einen Etat verabschiedet und handlungsfähiger wird.
MZ-Redakteur Stefan Schröter hat sich mit Bürgermeister Bernd Marbach (64, parteilos) im Jeßnitzer Rathaus über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen unterhalten.
Herr Marbach, Sie waren jahrzehntelang im Bauwesen zu Hause, wie sehr haben Sie nach zwei Jahren im Amt das Verwaltungswesen durchblickt?
Marbach: Es wird immer ein Lernprozess bleiben. Diesen Beruf habe ich nicht gelernt. Das Wichtigste ist daher, dass ich mich auf die Mitarbeiter und deren Wissen verlassen kann. Das gelingt nur über Vertrauensbildung. Ich denke, das ist mir an diesem Tisch gelungen. Dadurch haben wir in den Amtsleiterrunden konstruktive Gespräche. Für mich ist das Management der Verwaltung das Entscheidende.
Was ist dabei die größte Herausforderung?
Marbach: Der Haushalt. Denn die Buchwerte waren negativ. Mehrere Jahresabschlüsse und die Eröffnungsbilanz fehlten. Dann kamen 2018 die Tariferhöhung und die geringeren Zuweisungen vom Land. Die Konsequenz war eine haushaltslose Zeit. Das war eine harte Zeit, denn das bedeutete die Einschränkung sämtlicher freiwilliger Ausgaben.
Das betraf sogar kleinste Anschaffungen in Schulen, zum Beispiel für Weihnachtsfeste.
Marbach: Wir mussten wegen des fehlenden Haushalts alles auf den Prüfstand stellen, das schreibt das Gesetz vor.
Wie hart war diese Phase für Sie als Bürgermeister?
Marbach: Das tat richtig weh. Die Ortsbürgermeister haben für Blumen und Grußkarten kein Geld mehr erhalten. Viele haben gesagt: „Nicht mal mehr für einen Blumenstrauß ist Geld da.“ So eine Zeit ist belastend. Das ist auch ein psychologischer Faktor.
Welche Investitionen plant die Verwaltung von Raguhn-Jeßnitz für 2019?
Nun ruht die Hoffnung auf das Jahr 2019. Wie ist der Stand?
Marbach: Die Eröffnungsbilanz ist endlich fertig. Damit haben wir nun den Wert für unsere Abschreibungen. Bisher wurde er lediglich geschätzt, was schwierig ist für die Haushaltsplanung. Jetzt kann im Januar die Debatte über den Etat für 2019 beginnen.
Er enthält auch die Investitionen. Was ist geplant?
Marbach: Wir wollen für das Gewerbegebiet Thurland eine Erschließungsstraße bauen und weitere Medien verlegen. Dort haben wir seit 2018 einen spanischen Investor, der neue Investitionen auf dem unbebauten Gebiet vorbereitet. Der spanische Unternehmenschef hat mich bereits gefragt, wie lange es mit Baugenehmigungen bei uns dauert.
Sie sprechen von der Grupo Alimentario Citrus, die die Thurländer Salate und Feinkost GmbH übernommen hat.
Marbach: Ich war bei den Gesprächen mit den Spaniern dabei. Mit Hilfe einer Übersetzungs-App suchte ich nach Vokabeln. Ich habe zumindest das Wort „Bienvenido“ gelernt (Willkommen). Aber die Unternehmensvertreter hatten auch eine Dolmetscherin dabei.
Welche weiteren Investitionen strebt die Verwaltung 2019 an?
Marbach: Wir bereiten den Um- und Ausbau der Kita in Schierau vor. 500.000 Euro sind für die Investition veranschlagt. Dort sollen 20 zusätzliche Kindergartenplätze entstehen. Bei der Straßenbeleuchtung wollen wir 200 Lampen in unseren Ortsteilen mit LED-Technik ausstatten. Es soll außerdem ein neues Feuerwehrauto für die Wehr in Lingenau gekauft werden.
Wie steht es um den Brandschutz in Raguhn-Jeßnitz. Vor allem westlich der A9 soll es bei der Tagesbereitschaft schwierig aussehen?
Marbach: Mit der Tagesbereitschaft haben wir Probleme. Es herrscht Personalnot bei der Feuerwehr, das haben wir bei der Trockenheit und den Bränden 2018 gespürt. Wir haben in Kitas und Schulen zwar Evakuierungsübungen gemacht, um auch für die Feuerwehr zu werben. Trotzdem finden sich kaum neue Mitglieder.
Personalmangel herrscht auch bei der Stelle des Wirtschaftsförderers. Wie geht es dort nach dem Abschied von Katharina Hubert weiter?
Marbach: Wir überlegen noch. Eine Analyse unserer Stellen hat ergeben, dass ein Wirtschaftsförderer bei der geringen Größe unserer Kommune nicht voll ausgelastet wäre. Eine Überlegung ist daher, die Stelle im Baubereich mit anzusiedeln und ihr weitere Aufgaben aus diesem Bereich zuzuschreiben.
Als erstes werden wir aber einen Administrator-Posten vergeben, um die Digitalisierung in der Verwaltung weiter voranzutreiben. Dadurch wollen wir unsere Arbeit effektiver gestalten. Denn bei der Stellenbewertung durch ein externes Büro ist deutlich geworden, wie sehr die Arbeit in zwei unterschiedlichen Rathäusern ein Problem ist.
Inwiefern?
Marbach: Dadurch haben wir einen höheren Personalbedarf und benötigen zum Beispiel einen Postboten. Gleichzeitig wird die eigene Organisation der Verwaltung aufwändiger. Auch deshalb wollen wir digitaler arbeiten. Dafür brauchen wir aber einen Administrator, um in den digitalen Strukturen nicht zu versinken.
Die Stelle wird 2019 nochmals ausgeschrieben, da wir 2018 keine ausreichend qualifizierte Bewerber hatten. Allerdings werden wir voraussichtlich noch in diesem Quartal den Ordnungsamtsleiter-Posten neu besetzen. Da haben wir nach der Bewerbungsphase einen Favoriten gefunden, aber das ist noch nicht offiziell.
Das Land Sachsen-Anhalt hat Ende 2018 das neue Kita-Gesetz verabschiedet. Eltern bezahlen künftig nur noch für das älteste Kind einen Beitrag. Welche Konsequenzen hat das Gesetz auf die Kita-Gebühren in Raguhn-Jeßnitz?
Marbach: Dadurch sind uns Mehrkosten zwischen 60.000 und 100.000 Euro entstanden, die wir irgendwie gegenfinanzieren müssen. Ob sich die Kita-Gebühren erhöhen, bleibt eine politische Frage. Aber wegen 60.000 Euro Mehrkosten wird die Verwaltung keine Erhöhung der Elternbeiträge vorschlagen.
Wie viel Zeit hat der Bürgermeister noch für das Private und die Familie?
Wie viel Zeit haben Sie als Bürgermeister noch für das Private und die Familie? Sie haben mehrere Enkel ...
Marbach: Ich habe fünf Enkel. Sie sind zwischen drei und 18 Jahre alt. Die Zeit für die Familie muss ich mir nehmen, und die nehme ich mir auch. Denn ansonsten wäre das verlorene Lebenszeit.
Sie reisen auch sehr gern. Wo waren Sie im vergangenen Jahr?
Marbach: In Australien und Neuseeland. Das kann ich Ihnen nur empfehlen, man sieht völlig neue Kulturen und Welten. Solche Reisen sollte man unternehmen, solange man dazu noch in der Lage ist. 25 Stunden reine Flugzeit dauerte es bis nach Australien. Das muss man erst einmal bewältigen.
Wo geht es in diesem Jahr hin?
Marbach: Nach Kanada. Meine Frau und ich wir wollen mit dem Zug von der Ostküste zur Westküste reisen und unterwegs in Hotels Halt machen. Vielleicht schaffen wir es irgendwann auch noch einmal in die USA.
Zieht es Sie stärker in die Ferne seit Sie Stadtchef sind?
Marbach: (lacht) Nein. Zumal im Urlaub der Draht in die Heimat und in die Verwaltung mit Hilfe der modernen Technik gehalten wird.
Was mussten sie zuletzt aus dem Urlaub heraus entscheiden?
Marbach: Es ging um eine Frage zum elektronischen Postversand zu externen Poststellen und ob sich die Verwaltung dafür Vorschläge bei Anbietern einholen sollte. (mz)