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Kommen Flüchtlinge nach Wolfen-Nord? Kommen Flüchtlinge nach Wolfen-Nord?: Landkreis will Abriss bremsen

Von Stefan Schröter 15.10.2015, 08:31
Der Betrieb GRA aus Gera soll nach dem Ex-Ärtzehaus in Wolfen-Nord auch viele Wohnungen abreißen.
Der Betrieb GRA aus Gera soll nach dem Ex-Ärtzehaus in Wolfen-Nord auch viele Wohnungen abreißen. Wenzel Lizenz

Wolfen - Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld drängt bei der Suche nach Unterkünften für Flüchtlinge auch auf die vor dem Abriss stehenden Wohnungen in Wolfen-Nord. „Es wird ausgelotet, inwieweit die Eigentümer bereit sind, diesen Wohnraum zumindest vorübergehend – soweit noch nicht abgerissen – für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen“, erklärte Landkreis-Sprecher Udo Pawelczyk auf MZ-Nachfrage. Die Gespräche für den Stadtteil liefen derzeit. Dort sollen bis zum Frühjahr 184 Wohnungen abgerissen werden. „Einige Wohnungen konnten bereits per Mietvertrag gebunden werden“, so Pawelczyk.

Von den etwa 2.500 Flüchtlingen, die derzeit in Anhalt-Bitterfeld leben, sind 467 in Bitterfeld und 72 in Wolfen untergebracht, informiert Bernhard Böddeker, Kreisdezernent für Sicherheit, Ordnung und Kommunales. Darunter sind auch 138 schulpflichtige Kinder (63 leben in Bitterfeld, 17 in Wolfen). Für den Monat Oktober sind 374 weitere Flüchtlinge im Landkreis angekündigt, teilt Böddeker weiter mit. Zum Vergleich: Im Januar waren es 78. Die Menschen kommen mehrheitlich aus Syrien, Albanien und dem Kosovo.

Der Landkreis will vermeiden, die Menschen in Sporthallen und ehemaligen Baumärkten zu beherbergen. Da man die Entwicklung der kommenden Monate aber nicht absehen könne, appelliert Böddeker an alle Kommunen, ihre Bereitschaft zur Aufnahme zu erklären. Die sei längst noch nicht bei allen gegeben.

Gesucht werden auch freiwillige Helfer, wie zum Beispiel Dolmetscher. „Wir sind auf sie angewiesen.“ Künftig sollen die Kreisvolkshochschulen die Koordination des Deutschunterrichts für Flüchtlinge übernehmen. Ziel seien 100 Stunden pro Ankommenden, damit sprachliche Grundlagen erworben werden können.

Der für die Unterbringung von Asylsuchenden zuständige Landkreis ist derweil angesichts der gestiegenen Zahl der Neuankömmlinge händeringend auf der Suche nach zusätzlichem Wohnraum. Er muss in diesem Jahr voraussichtlich 2 300 Flüchtlinge von Muldestausee bis Zerbst aufnehmen und damit rund 1 800 mehr als 2014.

Angesichts dieser Zahlen ist der Kreis bei der dezentralen Unterbringung derzeit an seine Grenzen gestoßen und verabschiedete sich zuletzt notgedrungen von seiner favorisierten Strategie, bei neuen Asylsuchenden allein auf die Unterbringung in Wohnungen zu setzen: In Köthen entstand eine neue Notunterkunft, für zwei weitere Gemeinschaftseinrichtungen sieht sich der Landkreis derzeit nach Betreibern um.

Doch in Wolfen-Nord steht dem Landkreis genau wie in anderen kleineren Kommunen bisher nur wenig Wohnraum zur Verfügung. Zum 1. Oktober hatte die Behörde dort laut eigenen Angaben 21 kommunale Wohnungen mit 72 Flüchtlingen belegt. „Diese Statistik beinhaltet ganz Wolfen und nicht nur Wolfen-Nord, obwohl dort der Großteil untergebracht ist“, erklärt Pawelczyk die Verteilung. Zum Vergleich: Bei der kommunalen Neuen Bitterfelder Wohnungs- und Baugesellschaft (Neubi) wohnen derzeit in 90 Wohnungen Flüchtlinge. Die Gesellschaft wird vom Landkreis als Positiv-Beispiel bei der Unterbringung von Flüchtlingen genannt.

Wie zufrieden oder unzufrieden die Behörden mit der Aufnahmebereitschaft bei den Großvermietern in Wolfen-Nord sind, wollte der Landkreis nicht kommentieren. Pawelczyk: „Wir geben keine Statements zu einzelnen Unternehmen ab.“

Lediglich auf ganz Anhalt-Bitterfeld bezogen, erklärte jüngst die Ordnungsamtsleiterin von Anhalt-Bitterfeld, Gabriele Adler: „Es gibt viel freien Wohnraum der uns nicht angeboten wird.“ Nördlich des Neubi-Gebietes sei die Vermieter-Bereitschaft „zäher“. Dabei sprach Adler von privatem, genossenschaftlichem und auch von kommunalem Eigentum.

WGW will sich nicht zum Thema äußern

Nach Angaben der kommunalen Wohnungs- und Baugesellschaft Wolfen (WBG) ist es aber zur Zeit gar nicht notwendig, Flüchtlinge in Abrissbauten in Wolfen-Nord unterzubringen: „Wir haben genügend Leerstand in unseren Bestandswohnungen. Wir müssen also keine Blöcke vermieten, wo die Rohrleitungen nicht mehr funktionieren, wenn anderswo genügend Wohnraum zur Verfügung steht“, meint WBG-Chef Jürgen Voigt. Seine Gesellschaft bringt bereits Flüchtlingsfamilien in Wolfen-Nord unter.

Der zweite Großvermieter in Wolfen-Nord, die Wohnungsgenossenschaft Wolfen (WGW), wollte sich nicht zum Thema Flüchtlinge in der MZ äußern. Es ist unklar, wie viele Flüchtlinge in ihren Wohnungen leben. Noch vor einem Jahr kritisierte der Landkreis die Verweigerungshaltung der WGW bei der Aufnahme von Asylbewerbern.

Derweil sieht Bitterfeld-Wolfens Oberbürgermeisterin Petra Wust (parteilos) die Lösung der Flüchtlingsunterbringung derzeit nicht in Wolfen-Nord. „Wir haben uns nie verschlossen, Flüchtlinge in Bitterfeld-Wolfen aufzunehmen“, betont die OB. Jetzt seien aber auch andere Städte und Gemeinden im Landkreis in der Pflicht.

Die Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) sieht sich bei der Suche nach Wohnraum für Asylsuchende nicht in der Pflicht. Laut Geschäftsführer Harald Rupprecht ist man vielmehr Dienstleister und Arbeitnehmer der Großvermieter. Das betreffe jetzt auch das Abriss-Vorhaben. (mz)