Kochmütze und Computer
Bitterfeld/MZ. - Pünktlich zehn Uhr tönt die Glocke. Angenehme Töne klingen anders, weiß auch Bernd Bestajovsky. Doch der Leiter der Küche im Kreiskrankenhaus Bitterfeld / Wolfen ist ein praktischer Mensch. "Rumschreien muss hier keiner. Am Ende hören es ohnehin nicht alle Mitarbeiter." Der Ton der Glocke indes sei ein ganz anderer, den würde am Ende jeder wahrnehmen.
Pünktlich zehn Uhr setzt Tag für Tag in der Küche das gleiche Procedere ein. Dann geht es um Genauigkeit, außerdem zählt die Zeit. Jetzt müssen die 700 Essen auf die Teller. "Schnell, weil schon in anderthalb Stunden die ersten Stationen mit der Essensausgabe beginnen", erklärt Bestajovsky neben dem Fließband, das jetzt zum Maß der Dinge geworden ist. Zettel mit dem vom Patienten gewählten Menü, Tablett, Geschirr, Teller, die Hauptmahlzeit, das Dessert: Deckel drauf und in den für die Station entsprechenden Wagen. Es ist ein seit Jahren praktizierter Ablauf, der zur Gewohnheit geworden ist.
Doch Fließbandarbeit beim Kochen gibt es nicht im Krankenhaus. "Wir kochen klassisch", bestätigt Bestajovsky und nimmt jeder Meinung die Nahrung, dass es im Kreiskrankenhaus nur vorher anderswo gefertigte und dann vor Ort auf Temperatur gebrachte Nahrung gibt. "Das gab es nur wenige Monate lang. Damals, als nach der Flut die ersten Patienten schon wieder in Bitterfeld waren, die 2002 völlig zerstörte Küche aber noch nicht wieder hergerichtet worden war."
Die Zeiten haben sich geändert, der Anspruch von Küchenmeister Bestajovsky und seinen 27 Mitarbeitern nicht. "Der Patient hat ein Recht darauf, ordentliches Essen zu bekommen. Es ist doch eine Binsenweisheit, dass gerade die Verpflegung ein ganz wichtiges Thema bei Patienten und ihren Besuchern ist", erklärt der Sachse, der seit 16 Jahren in Küchen des Kreiskrankenhauses Regie führt - erst in Carlsfeld, dann in Wolfen, schließlich in Bitterfeld. Drei verschiedene warme Mahlzeiten an sieben Tagen in der Woche, das Ganze über fünf Wochen verteilt: Das ist der Speiseplan, den Bernd Bestajovsky ausgearbeitet hat. Er schließt zudem die Unterscheidung nach Voll- und Leichtkost, Diabetiker- und Kinderverpflegung ein.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient bei dann 105 verschiedenen Gerichten irgendwann eine Mahlzeit unmittelbar nacheinander bekommt, ist gering. Soll sie auch sein. Auch "Ableitungen" strebe man nicht an. Hackfleisch, Spaghetti Carbonara, Hackfleischspieß nach Balkanart: "Zu einfach und immer nur Hackfleisch. Das gibt es nicht, da habe ich schon ein wenig Hotelanspruch", bekräftigt der Küchenmeister und sieht sich eins mit der Krankenhausleitung.
Auch die stünde zur Qualität, selbst wenn die Preisspirale vor dem Krankenhaus nicht Halt mache. Man müsse deshalb schon genau schauen, was eingekauft werde. Doch der Schwerpunkt liegt bei Firmen aus der Region, heißt es. Die liefern mehrmals in der Woche. Auch, weil das Haus einen Riesenbedarf hat. Zur Verpflegung der 500-Betten-Einrichtung kommen noch die Mitarbeiterversorgung, der Betrieb der Bitterfelder Cafeteria und die Betreuung des Belcanto-Hauses in Wolfen hinzu. Und das bei durchschnittlich drei Mahlzeiten am Tag. Große Lagerkapazitäten will man dennoch nicht aufbauen. Das braucht nicht nur sehr viel Platz, das kostet auch viel Geld. "Die Lieferanten sind sehr zuverlässig", heißt es.
Vier Uhr beginnt die Arbeitszeit in der Bitterfelder Küche, erst 22 Uhr ist Feierabend. Das bekommen allerdings die wenigsten Patienten mit. "Müssen sie auch nicht. Da sind wir die grauen Mäuse. Aber wehe dem, es stimmt etwas nicht. Dann hilft nur das klärende Gespräch", weiß Bernd Bestajovsky. Dann setzt er seine Kochmütze auf, geht zu den Patienten. "Offene Worte helfen."
Dabei geht es um Kleinigkeiten, keine gravierenden Dinge wie falsche Lieferungen. Die dürfte es auch kaum geben. Hostessen nehmen die Wünsche der Patienten auf, speichern sie an Ort und Stelle im Computer. Der stellt den Menü- und Kochplan zusammen. Zettel mit Patientennamen und Menüwunsch werden ausgedruckt.
Die Glocke läutet schrill. Es ist wieder zehn Uhr. Die Portionierung am Band beginnt wie jeden Tag.