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Urteil in Dessau Klage gescheitert: Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld darf Sparverträge weiter einseitig kündigen

Von Thomas Steinberg 15.11.2016, 17:30

Bitterfeld/Dessau - Für die angerückten Fernsehleute gab es wenig zu filmen. Denn wie in Zivilverfahren üblich, waren die Kontrahenten der Urteilsverkündung im Landgericht Dessau ferngeblieben. Dabei ging es durchaus um einen heftigen Streit: die Ende 2015 ausgesprochenen Kündigungen langfristiger Sparverträge der Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld, die die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt als nicht rechtens ansieht. Die Kontrahenten aber blieben fern, erfuhren am Dienstag telefonisch von der Entscheidung: Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt scheiterte mit ihrer Unterlassungsklage gegen die Kündigung von sogenannten Prämienspar-Verträgen von etwa 2.000 Kunden.

Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld hatte Ende 2015 rund 2.200 Prämiensparverträge gekündigt

Die Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld hatte Ende 2015 nach eigenen Angaben rund 2.200 sogenannte Prämiensparverträge von Kunden gekündigt. Diese hatten die höchste Bonusstufe erreicht. Für die Sparkasse sind die Verträge aufgrund der aktuell niedrigen Zinsen zu einem Minus-Geschäft geworden. Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt mahnte das Institut daraufhin ab. Die Sparkasse nahm die Kündigungen allerdings nicht zurück, es folgte eine Klage. Das sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit, weil auch andere  Sparkassen solche Prämienspar-Modelle vertrieben haben. Auch diese Institute wollen die Verträge jetzt am liebsten auflösen.  Das  Bitterfelder  Institut ist damit  zum Präzedenzfall geworden.

Betroffene Kunden werden durch das Urteil nicht besser oder schlechter gestellt

Das Urteil bedeutet für die betroffenen Kunden aber erst einmal  wenig. „Sie werden durch das Urteil nicht besser oder schlechter gestellt als vorher“, erläuterte Richter Frank Straube. Denn das Gericht hat gar nicht  über die Wirksamkeit der Kündigungen entschieden. Es ging lediglich darum, ob die Sparkasse behaupten darf, dass für die aus den 90er Jahren datierenden Verträge eine dreimonatige Kündigungsfrist gilt. Die Verbraucherzentrale wollte ihr dies untersagen lassen - und damit dem Kreditinstitut ein gewichtiges Argument  nehmen.

Die Klägerin geht laut Straube davon aus, dass die Verträge eine Mindestlaufzeit von 15 oder 25 Jahren haben und deshalb nicht vorzeitig gekündigt werden können. Die Behauptung der  Drei-Monats-Frist sei darum „unzutreffend und damit unlauter und irreführend“. Sie sei geeignet, die Kunden von der Durchsetzung ihrer Prämienansprüche abzuhalten.

Landgericht Dessau befindet, dass Einzelfallprüfungen nötig sind

Doch die 4. Zivilkammer hielt das Argument der dreimonatigen Kündigungsfrist für zulässig.  Es könne  nicht davon ausgegangen werden, dass dies eine eindeutig falsche Rechtssicht sei. Aus den von der Verbraucherzentrale vorgelegten Verträgen lasse sich keine eindeutige Mindestvertragslaufzeit entnehmen. Deshalb seien Einzelfallprüfungen nötig.

Für die Sparkasse ist das wohl ein Etappensieg. Doch macht Straube klar: „Die Entscheidung trifft damit keine inhaltliche Aussage über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der von der Kreissparkasse ausgesprochenen Kündigungen.“
Sven Kretzschmar, Referent Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale, bedauerte diese Entscheidung. „Wir bleiben bei der Auffassung, dass die Sparkasse ihre Kunden nicht einfach aus Verträgen kündigen darf, die ihr zu teuer werden.“ Ob die Verbraucherschützer gegen das Urteil beim Oberlandesgericht in Naumburg Berufung einlegen, ist noch nicht entschieden.

Jetzt wird die Wirksamkeit der Verträge verhandelt

Die Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld zeigt sich erleichtert. „Wir sehen unsere Rechtsauffassung bestätigt“, sagte Vorstandschef Markus Klatte. Eine inhaltliche Prüfung könne aber  erst nach schriftlicher Begründung des Urteils vorgenommen werden.

In den nächsten Monaten wird vor Gericht in Dessau auch über die Wirksamkeit der Verträge verhandelt. Einzelne Sparkassen-Kunden haben Klage gegen die Kündigung ihrer Sparverträge eingereicht. Andere Kunden haben sich inzwischen mit der Sparkasse auf neue Modelle geeinigt. (mz)