Justiz in NS-Deutschland Justiz in NS-Deutschland: Ausstellung in Bitterfeld zeigt Verbrechen "im Namen des Volkes"

Bitterfeld - Gustav Bergmann, ein Maurer aus Roitzsch, starb während der Nazizeit im Gefängnis. Das Vergehen des Mitarbeiters der Farbenfabrik: Er hatte Zweifel am für Deutschland siegreichen Ausgang des Krieges geäußert. Auch Emma S., Mitarbeiterin der Agfa-Filmfabrik in Wolfen, kam aus selbem Grund in Bitterfeld in Haft.
Sie überlebte das Grauen. Viele Menschen aus der Region, die vor Hitler und seinem Größenwahn warnten, viele Fremd- und Zwangsarbeiter teilten die Schicksale von Gustav Bergmann und Emma S.
Schlimmer noch: Viele von ihnen wurden hingerichtet. Höchststrafe für gar nichts oder geringe Vergehen - einzig zur Disziplinierung und Abschreckung.
Richter und Staatsanwälte aus Sachsen-Anhalt gaben den Impuls für die Ausstellung
„Justiz im Nationalsozialismus - über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ ist eine Ausstellung überschrieben, die über diese Willkür berichtet. Zu sehen ist die 2008/09 konzipierte Wanderausstellung, zu der Richter und Staatsanwälte aus Sachsen-Anhalt den Impuls gegeben hatten, bis zum 19. Oktober im ehemaligen Gefängnis hinter dem Amtsgericht Bitterfeld in der Lindenstraße.
Das Gebäude ist von Mitarbeitern der BA Strukturförderungsgesellschaft Zerbst provisorisch in den vergangenen Monaten eigens dafür hergerichtet worden.
Rund 40 Tafeln in dem Unbehagen vermittelnden Gebäude dokumentieren die Tätigkeit von Sondergerichten, dem Volksgerichtshof, Erbgesundheitsgerichten und Strafgerichten der Wehrmacht, sie wirft ein Licht auf die fatale Kooperation von Polizei und Unrechtsstaat - immer in Bezug auf Verfahren in der Region, quasi vor der Haustür.
Vier neue Tafeln zeigen die Justizbehörden in Bitterfeld während der NS-Diktatur sowie Strafverfahren des Amtsgerichts und des Sondergerichts Halle gegen Beschuldigte aus der Region.
Ausstellung im ehemaligen Amtsgericht soll an die dunkle Zeit deutscher Geschichte erinnern
Anliegen der Ausstellung ist das Erinnern an die dunkle Zeit deutscher Geschichte und darüber hinaus die Aufforderung, Lehren zu ziehen für Gegenwart und Zukunft. Sie wendet sich vor allem an die Generationen der „Spätgeborenen“.
So werden Schüler des Europagymnasiums andere Schüler des Landkreises durch die Ausstellung führen und ihnen erklären, was im Land der Dichter und Denker unter Adolf Hitler und seinen Gefolgsleuten möglich war. Landrat Uwe Schulze (CDU) bezeichnet die Ausstellung als einen wertvollen Beitrag zur kritischen Aufarbeitung der NS-Zeit.
„Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen: Welche Mechanismen haben gewirkt, dass so etwas überhaupt zugelassen werden konnte? Richter und Staatsanwälte haben große Schuld auf sich geladen“, sagt Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU). Und: Wo keimen heute vielleicht vergleichbare menschenverachtende Tendenzen? „Damit müssen wir uns auseinandersetzen.“
Oberbürgermeister Armin Schenk: Geschichtsaufarbeitung wichtig für die Stadt
Eine solche Geschichtsaufarbeitung steht auch nach über 70 Jahren der Stadt gut zu Gesicht, das ist für Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) gar keine Frage.
Er verweist unter anderem den Titel „Stadt mit Courage...’“, den Bitterfeld-Wolfen trägt. „Und das nicht umsonst“, sagt Schenk und verweist auf Aktionen wie „Stolpersteine“, „Auf den Spuren jüdischen Lebens“, Ausstellungen im Frauenzentrum und andere.
Auch Schulen interessieren sich für die Ausstellung in Bitterfeld
So sehen das auch Geschichtslehrerin Brita Kirchhof und Schulleiter Wolfgang Schmidt vom Heinrich-Heine-Gymnasium Wolfen. „Wir haben großes Interesse daran, dass diese Ausstellung zu uns in die Schule kommt“, sagt Brita Kirchhof.
„Mit den 9. Klassen führen wir seit Jahren einen Projekttag in der Gedenkstätte Bernburg zur Euthanasie durch. Die Schüler sind daran interessiert, das beschäftigt sie.“
Übrigens, verrät sie, soll am Heine-Gymnasium, das seit Jahren den Titel trägt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, demnächst eine Geschichte-AG entstehen.
Unter anderem auch aus dem Grund, aus dem die Ausstellung „Justiz im Nationalsozialismus - über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ in Bitterfeld Station macht. (mz)
Für die Ausstellung gibt es ein Begleitprogramm aus Buchlesungen und Vorträgen.
Jeweils Montag, Mittwoch und Donnerstag von 9 bis 15 Uhr, Dienstag von 9 bis 17 Uhr und Freitag von 9 bis 13 Uhr kann die Ausstellung besichtigt werden. Wegen der Besonderheit des Ausstellungsgebäudes muss der Besuch angemeldet werden - Telefon 03493/3640 oder E-Mail [email protected].