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Jugendherberge Wittenberg Jugendherberge Wittenberg: Historisches Flair mit Nachteilen

Von Ute Otto 24.09.2001, 09:59

Wittenberg/MZ. - Das merke sie auch an den Ansprüchen der Gäste, die gezielt nach Einzel- oder Zweibettzimmern mit Sanitärzellen, Tagungsräumen, Grillplätzen, Sportanlagen und auch nach sicheren Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und andere Sportgeräte fragen. Sie kann nur jeweils nur ein Zwei-, drei und Vierbettzimmer anbieten und dann acht weitere Schlafsäle mit zehn bis 18 Betten. Toiletten und Duschen sind auf dem Flur, der Grill steht auf einem der großen Balkone, und um ihre Fahrräder sicher abgestellt zu wissen, müssen die Gäste diese den Mittelaufgang zwei Etagen hinauf schleppen.

Auch mit Sportanlagen im Freien - ein Tischtennis- und Billardzimmer gibt es - kann Frau Küken nicht dienen. Das sei mitunter kompliziert, weil insbesondere Kinder auf Klassenfahrten dann ihren Bewegungsdrang im Haus ausleben - zum Leidwesen anderer Gäste. Ganz schlimm wird es, wenn im Schlosshof Theateraufführungen sind, wie im Mai geschehen. Die Kinder durften während der Vorstellung nicht raus, anreisende Gäste nicht hinein.

Dennoch ist die Wittenberger Herberge nicht unbeliebt. "Viele Gäste loben gerade das besondere Flair des historischen Gemäuers und die Zentrumsnähe und nehmen dafür auch die Nachteile in Kauf", berichtet Helma Küken. Diese durch um so besseren Service zu kompensieren sei das Bestreben aller Mitarbeiter - fünf Angestellte und zwei Zivildienstleistende. "Je mehr und bessere Leistungen wir anbieten, um so mehr können wir erwirtschaften", sagt sie. So gibt es Pauschalangebote für Gruppenreisende für drei, vier oder fünf Tage, mit Stadtführungen, Ausflügen in den Wörlitzer Park, Fahrten ins Bad-Schmiedeberger Basso, Theater- und Museumsbesuchen. 90 Prozent der Besuchergruppen buchen ihren Aufenthalt mit einem solchen Programm.

Dass Service und Freundlichkeit herrschen und ankommen, zeigen viele dankbare Eintragungen im Gästebuch. Erst recht ist es eine Bestätigung für das Herbergs-Team, wenn Gäste wieder kommen. Wie die Lehrerin aus Güsten, die in diesem Frühjahr mit einer Klasse da war und nun schon wieder für April gebucht hat. Ihre Schüler seien ganz begeistert gewesen, berichtete sie der Herbergsleiterin. Großen Anteil daran haben auch die Partner der Jugendherberge, die das Programm mit absichern, insbesondere die Stadtführer, die sich sehr gut auf das Niveau der Kinder eingestellt hätten. "Diesbezüglich hoffen wir auf die angekündigten museumspädagogischen Angebote im Lutherhaus", so Helma Küken. Schließlich sei das die bedeutendste Ausstellung der Lutherstadt, aber für Kinder bislang wenig geeignet.

Gelobt wird von den Gästen auch die Verpflegung. Das Frühstücksbuffet ist im Übernachtungspreis inbegriffen, Gruppen bestellen meist auch das Abendbrot im Haus. Das Mittagessen - wenn gewünscht - lässt die Herberge liefern. "Fürs selber Kochen ist unsere Küche nicht ausgerüstet", weist Helma Küken auf einen einen weiteren Mangel hin.

Den größte Nachteil sieht sie in der ungünstige Zimmerstruktur. Für jüngere Klassen seien die großen Mehrbettzimmer ja noch abenteuerlich. Problematisch wird es bei Jugendlichen, die - auch unter gleichem Geschlecht - ihre Intimsphäre wahren möchten. Ein weiteres Problem ist es, die Betreuer unterzubringen. Immer seltener möchten diese bei ihren Schützlingen im Zimmer schlafen.

In den Ferien steigen wiederum mehr Einzelreisende bzw. Familien und kleine Gruppen in der Herberge ab. Da werden die großen Zimmer zwar immer mit belegt, aber meist bleibt dann gut die Hälfte der Betten leer. "Wir können doch nicht zwei wildfremde Familien zusammen quartieren", erklärt Helma Küken. Wenn es mehr kleinere Räume gäbe, läge die Auslastung über den derzeitigen 38,4 Prozent, ist sich die Herbergsleiterin sicher.

Wittenberg ist ein exponierter Standort für eine Jugendherberge", meint Frau Küken. Mit 18,6 Prozent hat die Wittenberger Jugendherberge den höchsten Anteil ausländischer Gäste im Land. Aus dieser Tatsache Kapital zu schlagen, regt die Leiterin an. Es gebe zum Beispiel die Möglichkeit, den Ausbau des Hauses als internationale Jugendbegegnungsstätte fördern zu lassen. Kommentar