Jobcenter-Affäre in Anhalt-Bitterfeld Jobcenter-Affäre in Anhalt-Bitterfeld: Posten-Geschacher bei Zerbster Tochter

Bitterfeld/Zerbst - Die Affäre um das Jobcenter zieht immer größere Kreise: Dabei steht nun vor allem Ex-Vorstandsmitglied Ingolf Eichelberg für umstrittene Personalentscheidungen in der B&A Strukturförderungsgesellschaft Zerbst im Fokus. Bis Herbst 2014 hatte er die 100-prozentige Tochter des Jobcenters als Geschäftsführer geleitet. In seiner Doppelfunktion hat er nach MZ-Informationen nicht nur versucht, andere Bildungsträger vom Markt zu drängen, sondern Personen aus seinem näheren Umfeld zu Posten in der B&A verholfen.
Im Anhalt-Bitterfelder Jobcenter haben die immer neuen Nachrichten über Hintergründe und Hinweise Spuren hinterlassen. „Es ist noch immer Treppen-Thema. Die Leute haben sich in den ersten Tagen gefragt, wie es weitergehen soll“, sagte eine Mitarbeiterin. So ist die neue Leiterin des Jobcenters, Diane Gardyan, auf unbestimmte Zeit erkrankt. „Aber im Moment hat es sich normalisiert. Wäre das Thema nicht in den Medien, würden unsere Kunden gar nicht merken, dass sich etwas verändert hat.“ (lga)
Dabei sollen einige Beschäftigte gar nicht ausreichend für die Stellen qualifiziert gewesen sein. Der Eindruck einer Vetternwirtschaft des geschassten Jobcenter-Chefs erhärtet sich, nachdem vor wenigen Monaten strittige Beschäftigungsverhältnisse teilweise wieder gekündigt wurden. So hatte Andreas Dittmann (SPD), der Zerbster Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der B&A, während einer Kreistagssitzung informiert: „Die Neueinstellungen, die nicht dem geforderten Profil entsprachen, wurden rückgängig gemacht.“
Dabei handelt es sich unter anderem um fünf Schulsozialarbeiter. Landrat Uwe Schulze (CDU) hatte laut Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung erklärt: „Es wurde festgelegt, dass diese fünf nicht den Anforderungen des Jugendamtes entsprachen. Da diese sich noch in der Probezeit befanden, wurde ihnen die Kündigung ausgesprochen.“ Schulze informierte auch über einen Wechsel in der Geschäftsführung. Eichelberg war im Herbst von seinem Geschäftsführer-Posten zurückgetreten - nach einem Gespräch mit dem Landrat.
Kritik an der B&A-Dominanz
Dabei spielte wohl auch die Kritik an der B&A-Dominanz auf dem Bildungsmarkt eine Rolle. Während einer Kreistagssitzung soll im Zusammenhang mit Eichelbergs Namen auch der Begriff „imperiales Gehabe“ gefallen sein. Anfang des Jahres wurde er schließlich - zusammen mit Bärbel Wohmann - als Jobcenter-Vorstand abberufen. Schulze wollte sich gestern zu den Vorgängen bei der B&A nicht äußern. Eichelberg war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Der Unmut der privaten Bildungsträger über die Anhalt-Bitterfelder Verhältnisse erklärt sich auch aus der Konstellation zwischen Jobcenter und B&A. So war die B&A 2012 gerade zu dem Zweck vom Kreis an das Jobcenter verkauft worden, öffentliche Ausschreibungen teilweise zu umgehen. Aus der kommunalen Tochter wurde quasi eine Enkelin: Nur so konnte vergaberechtlich das Jobcenter an die B&A Maßnahmen vergeben.
In der damaligen Kreistagsvorlage, eingebracht durch den Landrat, heißt es: „Der Landkreis möchte, soweit dies möglich ist, die Vorteile der Direktvergabe (Inhousegschäfte) nutzen.“ Als fragwürdig hat sich dabei die Doppelfunktion von Eichelberg erwiesen. Er saß sowohl an der Stelle, die Aufträge vergibt, als auch in derjenigen Gesellschaft, die einen Großteil der Aufträge ausführte.
Zweites Standbein
Auch ein Unternehmen aus Bitterfeld litt anfangs unter der B&A-Dominanz - die Planen und Bauen GmbH, die Maßnahmen auf dem Bildungsmarkt und im sozialen Bereich anbietet. „Es gab Einschnitte, die doch sehr spürbar waren“, sagt der Geschäftsführer Thomas Ehrlich. „Einige Projekte konnten wir nur noch mit deutlich weniger Teilnehmern und einer reduzierten Maßnahmedauer umsetzten, zum Teil brauchte das auch großen Nachdruck.“
Das Jobcenter Anhalt-Bitterfeld ist nicht das einzige, in dem in letzter Zeit Chefs gehen mussten. Im September 2014 hatte in Halle Jobcenter-Geschäftsführerin Sylvia Tempel nach Korruptionsvorwürfen ihren Job verloren. Sie hatte Ein-Euro-Jobber auf ihrem Privatgrundstück arbeiten lassen. Zudem gab es Unregelmäßigkeiten zwischen Jobcenter und einem Bildungsträger.
Der Saalekreis feuerte 2011 den Chef des kommunalen Jobcenters Roland Schimek. Er war an Firmen beteiligt, denen das Jobcenter Arbeitslose vermittelte. (xkn)
Man habe die Einschnitte ausgleichen können. „Aber nur, indem wir unser zweites Standbein ausgebaut haben. Wir waren weniger auf dem zweiten Arbeitsmarkt aktiv, sondern mehr im Bildungsbereich.“ Ehrlich weiß aber von anderen Trägern: „Viele waren von Existenzängsten getrieben, weil sie weniger Maßnahmen bekommen haben und die B&A sehr viel. Eichelberg hat beispielsweise einem Träger gesagt, nachdem dessen Projekt gestrichen wurde: ,Die Trägerlandschaft in Bitterfeld wird sich sehr schnell verdünnen.’ Er nehme das billigend in Kauf“. (mz)