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Inklusion in Bitterfeld-Wolfen Inklusion in Bitterfeld-Wolfen: Ein fester Job trotz Handicap

Von Silke Ungefroren 29.10.2016, 12:00
Lange musste Emanuel Becker auf einen Job warten - nur, weil er kleinwüchsig ist. Jetzt stellt er Kabelkonfektion her und ist fest eingestellt.
Lange musste Emanuel Becker auf einen Job warten - nur, weil er kleinwüchsig ist. Jetzt stellt er Kabelkonfektion her und ist fest eingestellt. André Kehrer

Bitterfeld - Seit Anfang des Jahres ist Emanuel Becker fest in Lohn und Brot. „Endlich“, sagt er froh. Und die Arbeit macht ihm Spaß.

„36 Blitzschutzkabel kommen in nur einen Flügel eines Windrades“, weiß er. Und eine Windkraftanlage hat bekanntlich drei Flügel. Da kommt also eine Menge zusammen.

Emanuel Becker trägt dazu bei, dass immer genügend Kabel vorhanden sind, denn unter anderem solche montiert er - bei der Maxxcontact GmbH in Bitterfeld.

Behinderung als Problem bei der Jobsuche

Dass der 33-Jährige viele Jahre untätig zu Hause sitzen musste, lag nicht an der Situation auf dem Arbeitsmarkt an sich. Der junge Mann ist kleinwüchsig, zählt also zu den Menschen mit Behinderung. Und allein diese Tatsache hat ihm lange keine Chance gelassen.

Dann hat er sie doch noch bekommen - und genutzt. Er fühlt sich sehr wohl hier, sagt er. „Die Kollegen haben mich gleich super aufgenommen, wir haben auch viel Spaß zusammen.“

Er ist hier nicht der einzige, der trotz Handicap eine Festeinstellung erhielt. Es gibt noch zwei weitere Beschäftigte, die aufgrund eines Behinderungsgrades eingeschränkt sind, ein dritter befindet sich gerade in der Probezeit.

Falk Herrmann, der Geschäftsführer des Unternehmens, hat gute Gründe, warum er behinderte Menschen in sein Team aufnimmt. „Sie sind sehr motiviert und dankbar, wenn sie das Angebot für einen Vollzeitjob bekommen“, sagt er.

„Diese Chance nehmen sie dann auch gern wahr.“ Diesbezüglich hat der Chef nämlich schon ganz andere Erfahrungen gemacht. Bei Interessenten, die sich über Bildungseinrichtungen oder andere Wege gemeldet haben, sei der Erfolg weniger groß gewesen.

„Man merkt meist nach zwei Wochen, wer für die Arbeit geeignet ist“, sagt er. „Und auch, wer überhaupt arbeiten will. Manche sind einfach nicht mehr wiedergekommen.“

Fachkräfte mit technischem Verständnis gesucht

Maxxcontact ist Spezialist unter anderem auf dem Sektor der Kabelkonfektion sowie für Photovoltaik-Systeme. Vor knapp zehn Jahren in Wolfen gegründet, erfolgte 2013 aus Platzgründen der Umzug nach Bitterfeld.

„Und als wir voriges Jahr im Bereich der Windenergie so richtig Fuß gefasst haben, brauchten wir mehr Arbeitskräfte“, so Herrmann. Der Kontakt zur KomBa des Landkreises und speziell zu Inklusionsvermittlerin Susan Wycik war da wohl ein wahrer Glücksfall.

„Ich habe erklärt, was wir suchen, denn für die Arbeit bei uns sind schon Kenntnisse aus dem technischen Bereich nötig. Und dann ging es auch schon los“, resümiert der Geschäftsführer den Werdegang. Nur einen Monat darauf war der erste Bewerber mit einer Behinderung für eine Probezeit zur Stelle.

„Wir vermitteln den Arbeitgebern nicht nur potenzielle Arbeitskräfte, sondern klären sie auch darüber auf, welche Förderungen dafür möglich sind“, sagt Wycik.

Da gibt es nicht nur finanzielle Zuschüsse für die Lohn- und Lohnnebenkosten während der Probezeit. Auch Hilfsmittel, die die Behinderten für die Ausübung der Tätigkeit benötigen, können so finanziert werden.

Amt unterstützt Inklusionsmaßnahmen im Betrieb

Für Emanuel Becker beispielsweise hat das Integrationsamt Sachsen-Anhalt einen höhenverstellbaren Rollsessel finanziert. Der ermöglicht es ihm unter anderem, auch an Material in höher liegenden Fächern der Regale heranzukommen.

„Auch bei notwendigen Umbaumaßnahmen zum Beispiel im sanitären Bereich gibt es finanzielle Unterstützung“, klärt Susan Wycik auf. „Unser Ziel ist es, die Betroffenen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.“ Noch sei die Bereitschaft bei Arbeitgebern, Behinderte einzustellen, zu verhalten.

Dass seit Jahresbeginn, seit die Inklusionsvermittlerin in Anhalt-Bitterfeld tätig ist, dennoch schon 35 behinderte Menschen auf diesem Wege zu einem festen Job kamen, sieht sie als guten Anfang.

Anerkennung und Selbstbewusstsein für Betroffene

Für die Betroffenen ist es mehr. Sie erfahren endlich jene Anerkennung, die ihnen zusteht, erlangen mehr Selbstbewusstsein, gehören einfach dazu. Zumal sie in vielen Fällen eine fundierte Ausbildung haben. Wie Emanuel Becker. Der Wolfener ist Elektrogeräte-Fachkraft, hat drei Jahre gelernt. Aber schon für die Lehre damals hat er keinen Betrieb gefunden.

„Die haben mich wegen meiner Behinderung nicht genommen“, erzählt er. „Da hat mich die Arbeitsagentur in eine überbetriebliche Ausbildung nach Gera vermittelt, dort konnten Berufe in verschiedenen Bereichen erlernt werden.“

Doch auch sein Facharbeiter hat ihm danach wenig genutzt. Seine vielen Bewerbungsschreiben blieben erfolglos. Eine Arbeitsgelegenheit über die KomBa auf dem zweiten Arbeitsmarkt - das war dann schon ein erster Erfolg.

Und nun der richtige Job. Emanuel Becker ist glücklich. Jetzt darf er auch im Berufsleben zeigen, was er drauf hat. An Aufgeschlossenheit und Lebensfreude jedenfalls mangelt es ihm nicht. Mit seiner Behinderung umzugehen, ist für ihn kein Problem.

„Wenn ich beim Einkaufen irgendwo nicht rankomme, frage ich einfach jemanden“, sagt er ganz selbstverständlich. „Da wird mir auch immer geholfen.“ Und bald zieht er nun auch in seine erste eigene Wohnung.

Fragen zur Inklusionsvermittlung beantwortet Susan Wycik unter Tel.: 03493/5168-210 oder per E-Mail:[email protected] (mz)