Ignatz Stroof - ein Pionier der Elektrochemie
Bitterfeld/MZ. - Sie waren zwei Große in ihrem Metier und ihre Namen gehören zum Chemiestandort Bitterfeld wie einst die Kohle zur Goitzsche: Die Wissenschaftler Walther Rathenau (1867 - 1922) und Ignatz Stroof (1838 - 1920). Sie legten hier Ende des vorvergangenen Jahrhunderts mit der Entwicklung der Chlor-Alkali-Elektrolyse die Grundlagen dafür, dass Chemie in der Region wachsen und zur Blüte reifen konnte.
Doch während das Rathenau-Haus abgerissen wurde, ist Stroofs Betriebsgebäude mit seinem Büro erhalten geblieben. Nicht nur das, es wird weiter als solches genutzt. Seit Mitte der 1990er Jahre befindet sich in diesem Fabrikgebäude in der Bitterfelder Griesheimstraße das Unternehmen Wolfener Analytik.
Und Geschäftsführer Dr. Hartwig Schaper sitzt im Verwaltungsbereich des Stroofschen Firmengebäudes quasi an historischer Stelle - im Büro von Ignatz Stroof. Original erhalten sind in diesem "recht ordentlichen Büro" (Schaper) die Türen, die in den vergangenen Jahren restauriert wurden, und die Vertäfelung im Raum. "Und dort, wo Stroofs privates Badezimmer einst war - damals ein Prestigeobjekt", sagt Schaper und öffnet eine Tür in seinem Büro, "dort ist heute eine kleine Abstellkammer."
In dem dreistöckigen Teil des lang gestreckten Gebäudes, das, wie viele Industriebauten der Jahrhundertwende in der Region, aus den gelben Greppiner Klinkern errichtet wurde, befand sich das Hauptlabor der anorganischen Abteilung. Das ist es im weitesten Sinne geblieben, denn auch heute werden hier Ausgangsstoffe und Endprodukte der Chlor-Alkali-Elektrolyse analysiert. "Wir arbeiten in der guten alten Tradition des Hauptlabors: in der Chlorchemie", sagt Schaper. "Es gibt ganz wenige Labors in Deutschland, die Chlor-Analytik anbieten."
Hier also hat Stroof seine Chlorelektrolysezellen, die bereits in der Chemischen Fabrik Griesheim Elektron arbeiteten, wo er als technischer Leiter begann, weiter entwickelt. Und das sehr erfolgreich. Erfolgreicher als Rathenau, der von der Allgemeinen Electricitäts-Gesellschaft (AEG) nach Bitterfeld kam und das Gleiche wollte. "Seine Entwicklung hat aber nicht so gut funktioniert wie die von Stroof", sagt Schaper. "Seine Elektrolysezellen mussten letztlich abgeschaltet werden. Die anderen haben sich durchgesetzt."
Der Erfolg Stroofs ist nicht so verwunderlich, immerhin konnte er sich auf eine gestandene Industrie in Griesheim stützen. Seit 1890 arbeitete dort bereits eine Pilotanlage nach seinem Verfahren. Für Schaper ist Ignatz Stroof einer der Pioniere der technischen Elektrochemie.
War der Griesheimer der Praktiker, galt der Berliner, der Sohn aus reichem Haus, eher als Theoretiker. Das Fatale: Auch die Elektrolyse, die die AEG gleichzeitig in Rheinfelden errichtet hat und die nach Rathenaus Prinzip funktionieren soll, bringt er dennoch nicht zum Laufen.
1898 gibt Rathenau seinen Bitterfelder Betrieb - die Elektrochemischen Werke - an Stroof über einen 30-jährigen Pachtvertrag ab. Dem gelingt, was Rathenau versagt blieb. Die Chlorchemie hat dem Standort Bitterfeld seinen Namen gemacht. Viele Erfindungen und Entwicklungen hingen bereits damals daran. So wäre kein Zeppelin von hier aus in die Luft gestiegen und kein Ballon. Denn die brauchten für ihren Auftrieb Wasserstoff. Und der ist ein "Abfallprodukt" der Chlor-Alkali-Elektrolyse.