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Identitäts-Frage Identitäts-Frage: Bitterfeld will wieder "Stadt" heißen

Von Lisa Garn 18.09.2014, 13:57

Bitterfeld - Ist das eine Art Revanche für die verlorene Meldestelle? Der Ortschaftsrat will jedenfalls erreichen, dass Bitterfeld wieder die Bezeichnung „Stadt“ trägt. Dazu wird nun ein Antrag bei der Landkreisverwaltung gestellt. Rein rechtlich ändert sich nichts, Bitterfeld bleibt Ortsteil von Bitterfeld-Wolfen. Es werden nur neue Ortsschilder nötig. Formal eine einfache Sache - doch die Ansichten dazu prallten in der jüngsten Sitzung aufeinander.

Dabei schien zuvor schon alles klar: Die Vorsitzenden der Fraktionen CDU, Linke und SPD/Wählerliste Sport waren sich einig. Dann aber entbrannte die große Sinn-Frage innerhalb der Linken; und die zwei AfD-Räte stellten sich gegen eine neue Bezeichnung. Die Ausgangsfrage in der Diskussion: Wächst ein Identitätsgefühl mit dem Zusatz „Stadt“ oder nicht? Und wie kommt dieser Vorstoß in einer Zeit des noch immer schwierigen Zusammenwachsens an?

„Miese Stimmung in Bitterfeld“

Es geht um die Identifikation mit der eigenen Stadt, Heimatgefühl und um ein stärkeres Geschichts- und Selbstbewusstsein, argumentieren Befürworter. Doch dies hänge nicht an einem Ortsschild, meinen Gegner. Worüber sich die Fraktionen aber einig sind: Teile der Bitterfelder Bürger sind unzufrieden mit der Ist-Situation.

Mit der überarbeiteten und seit Juli dieses Jahres geltenden Kommunalverfassung des Landes Sachsen-Anhalt können ehemals selbstständige Gemeinden, die vor einer Gebietsänderung die Bezeichnung „Stadt“ geführt hatten, diese wieder tragen. Gröbzig, Ortsteil der Stadt Südliches Anhalt, hat den Antrag bereits gestellt. Brehna zieht nach.

Vor der Sitzung im Ortschaftsrat Bitterfeld hatten sich die Fraktionsvorsitzenden - die AfD war nicht anwesend - zum Thema beraten. Es bestand Einigkeit und die Erwartung, dass der Beschluss ohne große Diskussion durchgewunken wird. Laut Beschlussvorlage wollten „der Ortsbürgermeister und alle Fraktionen des Ortschaftsrates“ die Bezeichnungs-Änderung. Doch die erwartete Einstimmigkeit blieb aus. So zeigte sich Dietmar Mengel (Die Linke) überrascht, dass sich Fraktionskollegen gegen eine Änderung aussprachen. Die Sitzung musste kurz unterbrochen werden, damit sich die Fraktionsvorsitzenden noch einmal beraten.

„Ich habe den Eindruck, dass die Stimmung in Bitterfeld mies ist. Und viele wären schon mit dieser Art von Symbol zufrieden“, sagte Lars-Jörn Zimmer (CDU). Und verwies auf Entwicklungen der vergangenen Monate. Er bedaure, dass im Stadtrat die Entscheidung gegen die Meldestelle gefallen ist, aber auch, dass der Stadtrat im Kulturhaus tagen soll. Man fühlt sich offenbar zu kurz gekommen, seit die große gemeinsame Stadt Bitterfeld-Wolfen gebildet wurde. „Im Juni bestand Bitterfeld seit 790 Jahren. Das war der Stadtverwaltung in Wolfen noch nicht einmal eine Erwähnung wert.“ Es sei nicht alles schlecht, sagte Zimmer am Donnerstag auf Anfrage. „Es ist auch viel in Bitterfeld passiert. Aber es sind die vielen kleinen Dinge, die für Unmut sorgen. Wir sollten mehr Selbstbewusstsein zeigen, Dinge zu fordern und durchzusetzen. Und das heißt nicht, dass nun alles nach Bitterfeld soll.“

Horst Tischer (SPD) wurde während der Sitzung drastischer: „Wir sind in diesem Prozess zur großen gemeinsamen Stadt sehr enttäuscht worden. Damals waren die Bitterfelder dafür, aber wir streiten noch heute mit Wolfen. Lasst uns gemeinsam den Stolz der Stadt vorantragen.“

Die AfD sieht die Entscheidung als „Symbolpolitik“. „Es ändert nichts am Grundproblem: die Unzufriedenheit der Leute“, so Christian Riemann. „Und es verhindert, dass man als eine große gemeinsame Stadt agiert. So werden nur einzelne Ortsteile gegeneinander aufgebracht.“

„Sollten Bürger befragen“

Ähnlich sieht das Hendrik Rohde (Die Linke): „Uns werden Ressentiments vorgeworfen. Das hat auch die Diskussion um die Meldestelle im Stadtrat gezeigt. Wenn wir zusammenwachsen wollen, dann müssen wir das gemeinsam.“ Parteikollegin Dagmar Zoschke bezweifelte, dass dieser Beschluss den Wunsch einer Bürgermehrheit widerspiegelt. „Ich habe das Gefühl, dass nur der Ortschaftsrat das will. Meine Identifikation mit dem Ort hat jedenfalls nicht die Fusion verändert und das wird auch kein Ortseingangsschild. Wir sollten zu diesem Thema die Bürger befragen, ob das in ihrem Sinne ist.“

Am Ende scheiterte eine beantragte Vertagung. Mit elf Ja-Stimmen und fünf Enthaltungen ist die Entscheidung für die neue Bezeichnung gefallen. Stimmt der Landkreis zu, heißt Bitterfeld bald „Stadt Bitterfeld“. (mz)