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Hochwasser in Jeßnitz Hochwasser in Jeßnitz: Schlafen in der Turnhalle

04.06.2013, 19:24
Aus Jeßnitz evakuiert: Ingolf, Felix, Kevin, Sophie und Diana Kunze (v. l.)
Aus Jeßnitz evakuiert: Ingolf, Felix, Kevin, Sophie und Diana Kunze (v. l.) Thomas Ruttke Lizenz

bitterfeld/jessnitz/altjessnitz/MZ - Eine große Portion Sarkasmus schwingt in den Worten von Rolf Gürbig aus der Nordstraße in Jeßnitz-West, als er sagt: „Wir haben ja keinen Damm, der brechen kann.“ Damit meint er den kleinen Sommerdamm, der den Ortsteil eigentlich schützen sollte. Die enormen Wassermassen haben ihn einfach überspült. „Ganz Jeßnitz ist hermetisch abgeriegelt und von einem neuen Damm umgeben, aber uns hat man in den ganzen Jahren immer wieder vergessen“, sagt er und blickt in Richtung Gartenanlage „Lauseborn“, aus der gerade ein Mann im mehr als knietiefen Wasser kommt. So wie ihm geht es vielen Bewohnern, die mit Sandsäcken und anderen Hilfsmitteln ihr Hab’ und Gut schützen wollen.

Der fehlende Damm für Jeßnitz-West treibt auch die Menschen um, die ihre Häuser bereits verlassen mussten und sich in der Notunterkunft in Wolfen in der Sporthalle Krondorf eingefunden haben. „Jeßnitz-West sollte ja schon lange abgesichert werden“, sagt der Betroffene Ingolf Kunze. Er musste wie 2002 erneut seine Wohnung verlassen. Diesmal allerdings war es eine Frage von Sekunden: „Die Feuerwehr hat stark gegen meine Tür geklopft. Irgendwo war Gas ausgetreten, und wir mussten schnell raus“, erzählt der 39-Jährige. „Wir konnten nur noch unseren Hund und unsere Katze mitnehmen“, sagt der dreifache Familienvater. Zu diesem Zeitpunkt war der Strom bereits stundenlang weg,

„Ich habe mein Haus mit einem Herzklopfen verlassen, denn man weiß ja nicht, wie man es wieder vorfindet“, erzählt eine andere Bewohnerin von Jeßnitz-West, die jetzt in Wolfen in der Notunterkunft schlafen wird.

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Wera Förster ist noch in Altjeßnitz geblieben. Bei ihr kommen die Erinnerungen an die Jahrhundertflut 2002 hoch. „Damals hatten wir einen Schaden von fast 300 000 Euro“, erzählt die Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb im Ort betreibt. Futter und Maschinen wurden damals Opfer der Fluten. Diesmal habe man die Mutterkühe schon evakuiert, so dass nur noch die Gebäude dem Wasser standhalten müssen. „Wenn der alte Deich bricht oder überläuft, dann haben wir das Wasser auf dem Hof“, sagt sie. Ihr Mann fährt derweil unermüdlich mit dem Stapler und verlädt Sandsäcke auf den großen Hänger, der sie an die Schwachstellen der Mulde zwischen Roßdorf und Altjeßnitz bringt.

Für Ortsbürgermeisterin Gudrun Dietsch ist die ganze Situation eine Katastrophe. „Seit 2002 haben uns alle versprochen, den Damm zu erneuern, und nichts ist geschehen“, sagt sie. Auch eine Unterschriftensammlung an den Ministerpräsidenten habe nichts gebracht.

Auch in Bitterfeld ist die Lage brenzlig. „Wir wussten gar nicht, was los ist. Plötzlich war der Strom weg“, sagt Ramona Nicklich, die in der Parkstraße wohnt. „Aber als ich sah, dass das Pflegeheim evakuiert wird, war mir alles klar.“ In den Eingang der Kursana-Einrichtung fließt das Wasser wie ein kleiner Bach. Krankenwagen vom DRK und Katastrophenschutz stehen bereit. Die 50 Bewohner werden in das zweite Kursana-Heim in Wolfen ziehen. „Dort haben wir, was wir brauchen - Hebetechnik etc.“, erklärt Siegfried Karos, technischer Leiter. Nach der Flut damals, erinnert er sich, haben die Leute von August bis März dort gewohnt.

Das Pflegeheim ist nicht die einzige soziale Einrichtung, die evakuiert wird. Auch etwa 100 Patienten des Krankenhauses werden in Kliniken der Umgebung verlegt. Wer kann, darf nach Hause. So wie Ines Birke mit ihrem drei Tage alten Baby Florian. Der stolze Vater Matthias Garthof hat die beiden zusammen mit Söhnchen Fabian abgeholt. „Ich bin glücklich, dass ich schon drei Tage früher nach Hause darf.“ Die Familie hat es eilig. Sie hat gehört, die Muldebrücke könnte dicht gemacht werden.