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Hochwasser in Jeßnitz Hochwasser in Jeßnitz: Müllautos sorgen wieder für Ordnung in der Nordstraße

Von christine Krüger 11.06.2013, 16:54
Auf 60 Metern sind neun Tonnen Sperrmüll ins Auto gepresst. Am Nachmittag sind die Männer nun auf ihrer dritten Tour im Flutgebiet.
Auf 60 Metern sind neun Tonnen Sperrmüll ins Auto gepresst. Am Nachmittag sind die Männer nun auf ihrer dritten Tour im Flutgebiet. thomas Ruttke Lizenz

Jessnitz/MZ - Seit halb sieben arbeitet sich Wolf Schollbach von der Wolfener Recycling GmbH durch den Sperrmüll, den die Flut in Jeßnitz-West hinterlassen hat. Gartenmöbel, Bügeleisen, Ventilator und Wäscheständer, Koffer und Konserven, Fitnessgeräte - was eben so in den Kellern und in diesen Tagen im Wasser stand, haben die Einwohner der Siedlung am Straßenrand abgestellt.

Unablässig greift der Bagger Sperrmüll und lädt ihn in den Container. 40 Kubikmeter schluckt der. Fünf bis sechs davon kommen am Tag zusammen, manchmal auch mehr, sagt Schollbach. Bis mindestens 17 Uhr geht die Schicht - wie es die Situation erfordert. „Es muss doch wieder Ordnung werden“, sagt der Mann, der auch 2002 schon hier zugange war. „Da war überall bedeutend mehr“, erinnert er sich.

Ein orangenes Press-Fahrzeug der Kreiswerke schiebt sich rückwärts durch die schmale Nordstraße. Martin Stamm, Yves Ehrentraudt und Jürgen Schmidt packen kräftig an: Im Bogen fliegen Haustüren und Schrankteile, Polstersessel und Tische, Bretter und anderes in den Schlund des Autos. Ihre dritte Tour im Flutgebiet ist das am Montag. „Zuerst“, erklärt Stamm, „kommt die reguläre Tour, alle anderen machen wir zusätzlich.“ Und Ehrentraudt hängt zu Hause noch eine Schicht dran, denn der Bitterfelder ist selbst vom hoch stehenden Wasser betroffen.

Ilona Kersten ist die Verzweiflung noch anzusehen. „Damals stand das Wasser im Erdgeschoss, jetzt ,nur’ bis zur zweiten Stufe. Der Keller ist vollgelaufen“, berichtet sie. „Wir hatten alles neu machen müssen und auch die Möbel waren neu.“ Neben ihr läuft Heike Petrich. Die Mitarbeiterin der Allianz-Versicherung ist jetzt bei ihren Kunden, nimmt die Schäden auf, berät die Leute. Ein paar tausend Euro kommen bei Frau Kersten zusammen - auf alle Fälle. „Wir hatten keine Informationen von der Stadt“, sagt sie bitter, „und bis heute hat sich niemand sehen lassen.“ In Bitterfeld, meint kopfschüttelnd Heike Petrich, die selbst evakuiert war, sei die Information und Organisation professionell gewesen.

Bei ihrer Tochter in Delitzsch war Elfriede Ziegler untergekommen. Die 85-Jährige ist heute noch schockiert, wenn sie ans Wasser denkt. „Ist es nicht die normale Pflicht der Stadt, die alten Leute mal zu informieren, die kennen nämlich kein Facebook“, fragt Tischlermeister Hans-Joachim Bauer. „Früher hat das der alte Eibald gemacht, der ist mit der Glocke jede Straße abgelaufen.“

Jetzt habe sie durch Zufall erfahren, dass es Zettel gibt, mit denen Betroffene in Baumärkten Rabatte kriegen sollen, sagt Elfriede Ziegler. Bauer weiß Bescheid, er erklärt es ihr. Trotzdem, er und andere Bewohner der Straße sind sauer. „Verhohnepiepelt wurden wir hier draußen“, schimpft er, „ich habe in der Stadtverwaltung angerufen. Auf 80 Zentimeter, haben sie mir gesagt, steigt die Mulde - wie 2011. Ich hab alles, was ging hochgestellt. Aber“, er winkt ab, „die Maschinen - alles abgesoffen.“

Inzwischen ist Stamm mit seinen Kollegen und dem Müllauto ein Stück näher gekommen. Bis Sonnabend sollen die Sperr- und Sondermüll-Hinterlassenschaften der Flut weg sein. Das Ziel hat Kreiswerke- und Recycling-Chef Hartmut Eckelmann seinen Männern gegeben. Er hat alles mobilisiert, was geht: Zwölf Leute, mehrere Fahrzeuge, Container und Räumtechnik. Das Tagesgeschäft muss parallel dazu weitergehen und in den evakuierten Gebieten ist Arbeit liegengeblieben. Er bittet die Kunden „um etwas Geduld“. „Wir rufen nicht nach Hilfe von außen - die haben alle mit sich zu tun. Wir bereiten uns jetzt auf Aken vor.“

Silvana Lauterbach und Annett Kubert entsorgen, was die Flut übrig ließ.
Silvana Lauterbach und Annett Kubert entsorgen, was die Flut übrig ließ.
Thomas Ruttke Lizenz
Auch Bagger sind im Einsatz.
Auch Bagger sind im Einsatz.
Thomas Ruttke Lizenz