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Hochwasser in Bitterfeld Hochwasser in Bitterfeld: Die Hoffnung stirbt zuletzt

Von Frauke Holz und Christine Krüger 04.06.2013, 19:26
Die Mitarbeiter kämpfen gegen Wasser im Klärwerk.
Die Mitarbeiter kämpfen gegen Wasser im Klärwerk. Thomas Ruttke Lizenz

BITTERFELD/MZ - Der Deich in Pouch ist gebrochen! Die Schreckensnachricht verbreitet sich schneller als ein Lauffeuer. Dann stellt sich heraus: Es ist ein Gerücht. Zum Glück. Doch gesperrt werden zum Abend hin immer mehr Straßen im Stadtgebiet von Bitterfeld - vor allem betroffen ist das Areal um Niemegker Straße/Parkstraße/Altschlossstraße. In der Parkstraße wird das Pflegeheim evakuiert, die Kita „Bussi Bär“ nebenan wird am Dienstag geschlossen sein.

Auf der Leinebrücke in der Niemegker Straße steht Horst Albrecht. Seinen Fotoapparat hat er gleich mitgebracht, um festzuhalten, was er da sieht: Feuerwehrautos mit blinkenden Warnleuchten und einen Bach, der in aller Breite über die Ufer getreten ist. Männer der Wasserwehr und der Ortsfeuerwehr Greppin stapeln Sandsäcke um eine Pumpstation in Ufernähe. Das ist eine der wenigen Pumpen, die noch funktioniert, sagt Jürgen Rasym von der Wasserwehr. Und die wird gebraucht, um das Wasser aus dem Areal Niemegker Straße/Altschlossstraße/Parkstraße abpumpen zu können. Noch wissen die Männer nicht, dass ihre Anstrengungen umsonst sind. Keller sind vollgelaufen, Wasser drückt aus den Gullys hoch.

Horst Albrecht hofft, dass Bitterfeld diesmal mit einem blauen Auge davonkommt. 2002 war die Familie in der Mozartstraße arg betroffen. „Die ganze erste Etage - alles musste raus, und alles haben wir neu machen müssen“, berichtet er. „Das hat Geld gekostet und Kraft. Tja, jetzt bin ich nicht mehr so fit.“ Auf seinem Weg hierher mit dem Fahrrad hat der Mann auch an der Goitzsche vorbeigeschaut. „Die ist nicht randvoll, das beruhigt“, meint er. „Aber ob der Leinedamm hält?“ Es sind die alten Fragen und die Erinnerungen, die die Leute immer wieder neu umtreiben. Feuerwehrmann Steffen Köppchen, der „das Spielchen schon einmal mitgemacht“ hat, beruhigt: „Wir sind auf alles vorbereitet. Aber ich denke, wo die Dämme neu sind, sind die Leute geschützt.“

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An das Hochwasser 2002 kann sich auch Heiko Gärtner noch gut erinnern. „Wir waren erst vor einem Vierteljahr hierhergezogen“, sagt er, „und dann stand auf einmal alles unter Wasser.“ Der Hahnstückenweg war damals als erster Teil Bitterfelds vom Hochwasser betroffen. Hier war die Leine über die Ufer getreten. Und heute? Gärtner bereitet sich auf den Ernstfall vor. „Alles, was persönlichen Wert hat, kommt hoch in die zweite Etage“, sagt der 48-Jährige. Zudem räumt er seine Garage leer - die zwei Oldtimer werden bei Freunden untergestellt.

Auch die Gartenbesitzer in der Anlage „Goldene Aue“ am Hahnstückenweg haben ihre Lauben geräumt. Am Sonntag wurde vorsorglich der Strom abgestellt. 260 Gärten befinden sich auf dem knapp 13 Hektar großen Gelände. Gestern Nachmittag dann ist die Anlage unter Wasser. Thomas Czichowsky, Chef der Sparte, befürchtet, dass viele Ältere nicht mehr bereit oder in der Lage sind, die Gärten wieder aufzubauen.

Indes herrscht Hochbetrieb in Greppin, wo die Sandsäcke gefüllt werden. Dort muss jetzt der Volleyballplatz dran glauben. „Das ist Sand, der von 2002 übrig geblieben ist“, erklärt Uwe Hennig von der Freiwilligen Feuerwehr Rödgen, der Schaufel für Schaufel von Sand in ein verkehrt herum aufgehängtes Verkehrshütchen schippt. Aike Lyga hält von unten die Säcke dagegen. Stadthof-Mitarbeiter Ralf Deutschbein bringt mit dem Transporter die Sandsäcke nach Bitterfeld in die Niemegker Straße.

An die tausend Stück haben die Leute der Feuerwehr und viele Freiwillige seit Sonntag gefüllt. Lyga ist einer der Freiwilligen. Sein Arbeitgeber hat ihn freigestellt dafür, dass er hier mit zupacken kann. Auch Rebecca Schroeter aus Greppin ist freigestellt - von der Schule. Die zierliche Zehntklässlerin, Greppiner Feuerwehrfrau, schleppt unermüdlich. „Nee“, meint sie, „ich wäre nicht lieber in der Schule, obwohl es dort nicht so anstrengend ist. Ich will hier helfen.“ Aus selbem Grund ist Andreas Sommer hier. Vor elf Jahren hat er als Bundeswehrsoldat am Greppiner Deich gegen das Wasser gekämpft. Jetzt ist ihm die Hilfe an Ort und Stelle wichtiger als das Studium. „Ich will meine Erfahrungen von damals einsetzen.“