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Hobbyfilmer in der DDR Hobbyfilmer in der DDR: Kreismuseum mit Ausstellung zum Amateurfilmkollektiv Bitterfeld

Von Frank Czerwonn 19.10.2019, 12:00
Gut erhaltene Filmtechnik, historische Aufnahmen der Amateurfilmer und viele Informationen bietet die Schau des Kreismuseums.
Gut erhaltene Filmtechnik, historische Aufnahmen der Amateurfilmer und viele Informationen bietet die Schau des Kreismuseums. André Kehrer

Bitterfeld - Es klingt kurios: In Wolfen hat man zwar zu DDR-Zeiten massenhaft Filmmaterial produziert. Doch das erste Amateurfilmkollektiv in der Umgebung wurde nicht in der Filmfabrik, sondern im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld gegründet. Und das schon 1952. Es gehörte damit neben dem ein Jahr früher entstandenen Betriebsfilmkollektiv der Leuna-Werke zu den Pionieren der Amateurfilmer in der DDR.

Eine spannende Ausstellung des Kreismuseums Bitterfeld richtet den Scheinwerfer nun auf die damaligen Technikwunder, das filmische Können der Kollektivmitglieder und ihre Filme.

Die flimmern in teils erstaunlicher Qualität über kleine Bildschirme, die in Wahrheit digitale Fotorahmen sind. Sogar alte Kino-Klappsessel haben Ausstellungsmacher Steven Pick und die anderen Museumsmitarbeiter vor dem größten Bildschirm aufgereiht und so das Zeitreisegefühl der Besucher perfektioniert.

Die Exponate stammen aus eigenem Bestand oder dem Industrie- und Filmmuseum

Dennoch ist die Schau modern gestaltet. Alles wurde von den Mitarbeitern gemacht: das Konzept, die Auswahl der Objekte, der Aufbau und das Streichen der Wände in angenehmem Grün, die Umwandlung des Filmmaterials in moderne Abspielformate, die Texttafeln. „Wir haben gesägt, gebohrt, geschraubt, gestrichen“, schaut Pick zurück. Die Exponate stammen aus eigenem Bestand oder dem Industrie- und Filmmuseum. „Das ist eine echte In-House-Produktion“, schwärmte denn auch Museumschef Uwe Holz bei der Eröffnung.

Immer präsent ist Alfred Dorn, der als lokaler und nationaler Förderer des Amateurfilms in der DDR gilt. Er gründete und leitete den Bitterfelder Zirkel bis zu dessen Abwicklung. „Alfred Dorn entwickelte die Idee des Amateurfilms in der Region weiter“, schildert Pick. Die Aufnahmen seien, „schon ziemlich professionell“, auch wenn es sich um Amateure handelte.

Und mit dem Bitterfelder Kulturpalast habe man ein lebendiges Haus gehabt, in dem es sich lohnte, Filme zu produzieren. Auch entstanden im Auftrag der Werkleitung Filme zu einzelnen Produktionsbereichen, die Delegationen und Besuchergruppen vorgeführt wurden.

Sogar ein republikweites Amateurfilmfestival gab es in unregelmäßigen Abständen

Durch den später noch gebildeten Klub der Filmamateure habe man weitere Hobbyfilmer in einem losen Verbund vereint und ihnen Wissen und technische Kniffe vermittelt. Sogar ein republikweites Festival gab es in unregelmäßigen Abständen: das Bitterfelder Amateurfilmfestival BAFF. Das wurde in den 70er Jahren gar international. Und Preise gab es für die Bitterfelder Filmer natürlich auch: so 1974 eine Medaille für „Glückliches Erbe“.

Museumschef Holz hat Alfred Dorn nach dem Ende des Filmkollektivs noch kennengelernt. „1992 rief er mich an und sagte: ,Nehmen Sie das Filmmaterial, aber bitte ziehen sie es nicht durch den Schmutz.’“ Holz versprach dies - und die Ausstellung zeigt, dass er sein Versprechen gehalten hat. Er ist voller Bewunderung für die Arbeit der Filmpioniere. „Sie mussten solche Aufnahmen mit der damaligen Technik ganz anders vorbereiten und planen. Wenn sie sehen würden, was wir heute mit einem Handy machen können, würden sie wohl in Ohnmacht fallen.“

Besucher können Aufnahmen von Reisen nach Ägypten oder an die Adria sehen

Für Holz ist der erhaltene Fundus aber zugleich eine Fundgrube. Denn neben dem, was sie offiziell vermitteln sollten, dokumentieren sie nebenbei DDR-Alltagskultur. „Sie sind wie Wein, der lange reifen muss. Für uns sind die Aufnahmen heute unschätzbar wertvolle Quellen.“

Besucher können Aufnahmen von Reisen nach Ägypten oder an die Adria sehen, aber auch Streifen mit Titeln wie „Unsere Arbeit“ oder „Gute Nacht, Sybille“. Auch die Politik ist natürlich mit im Spiel. So ist die Stellungnahme zum Vietnamkrieg in „Vietnam ist nicht allein“ eindeutig.

Staunend, teils bewundernd betrachten Besucher die Filmtechnik, die in optisch hervorragendem Zustand ist: die Schmalfilmkamera Pentacon Pentaflex 16 aus dem Jahr 1955, das Filmschneidgerät Meopta im Koffer, die 8-mm-Kamera Pentacon AK oder die Kameratasche Bolex. Zum Schmunzeln verführen Ausstellungsstücke wie ein Bierhumpen aus Steinzeug, Gläser mit Festivalaufschriften oder ein Stofftuch zum Amateurfilmfestival von 1969.

Es ist ein Stück wieder ans Licht geholte Bitterfelder Zeitgeschichte

Hinzu kommen etliche Urkunden wie jene vom Kunstpreis der DDR, Gold- und Silbermedaillen von Filmwettbewerben, Plaketten und Filmdosen. Alles liebevoll arrangiert und erklärt, aber ohne den neugierigen Gast zu überschütten mit Texten.

Es ist ein Stück wieder ans Licht geholte Bitterfelder Zeitgeschichte, das auch andere Amateurfilmgruppen wie jenes 1955 gegründete Filmkollektiv der Filmfabrik Wolfen oder die nur zeitweilig bestandene Arbeitsgemeinschaft des Rohrleitungsbaus nicht vergisst. Bei Älteren dürfte die Schau Erinnerungen wecken und Jüngere über die rasante Entwicklung der Technik staunen lassen. (mz)

Das Kreismuseum Bitterfeld hat dienstags bis freitags sowie sonntags jeweils von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Die Sonderausstellung ist bis zum 2. März 2020 zu sehen. Der Eintritt kostet inklusive der Dauerausstellung 2,50 Euro, ermäßigt 1,50 Euro.

Auszeichnung von 1968
Auszeichnung von 1968
André Kehrer