Eine große Liebe kommt langsam in die Jahre
BITTERFELD/MZ. - Dieter Schenks große Liebe kommt in die Jahre, Rost setzt sie allerdings keinen an. Vor 30 Jahren, am 1. April 1980, öffnete Schenk in Bitterfeld erstmals die Pforten zu seinem kleinen Reich. Fahrräder und Kinderwagen wurden repariert und damit die Arbeit fortgesetzt, die an gleicher Stelle bis dahin von der Firma Döhmel getan worden war.
"Ich hatte davon erfahren, dass Döhmels in den Ruhestand gehen wollten und einen Nachfolger suchten", erinnert sich Dieter Schenk, der in der Siebzigern im Braunkohlenkombinat für die Reparatur von W 50-Lkw verantwortlich zeichnete. "Aber ehrlich. Es gab dort einfach keine Perspektive für mich. Ich hatte als Nicht-Parteimitglied alles erreicht. War Abteilungsleiter, alles lief bestens." Erfolg beruhte auf Organisationstalent. Das habe manchen Leuten nicht gepasst. "Da bin ich gegangen, habe mein Leben auf eigene Füße gestellt."
Mit der Werkstatt in der Dessauer Straße in Bitterfeld startete Dieter Schenk von Null auf Hundert. "Es lief hervorragend", erinnert sich der Chef des heutigen Zweiradhauses, der mit der Selbstständigkeit ein Stück weit bei den familiären Wurzeln angekommen war. Sein Urgroßvater Wilhelm Friedrich Klapproth hatte in Bremen
nicht nur seit 1883 eine Werkstatt für Nähmaschinen, die später von den Großeltern weitergeführt worden war. Klapproth besaß auch den zweiten Fahrradschein überhaupt in der Hansestadt. "Das war schon etwas."
Die Liebe zum Mobilen wurde Dieter Schenk in die Wiege gelegt. Rennfahren war sein Hobby. In Formel-Rennwagen ging er an den Start, in Brno gegen keinen geringeren als den späteren dreifachen Formel-1-Champion Niki Lauda. "Das waren Zeiten", erinnert sich der Firmenchef, der sein Unternehmen mit der Wende nicht vom Kopf auf die Füße stellen, aber doch ein ganzes Stück weit umstrukturieren musste.
"Fahrräder allein machen es nicht", zitiert Schenk aus dem Gespräch mit Holger Tschage, seinem ersten Lehrling und heute langgedienten Gesellen. Motorräder der Marke Yamaha machten die Fahrradwerkstatt zum Zweiradhaus. "Die Japaner haben uns und unserer Arbeit vertraut", meint Schenk, der das Unternehmen mittlerweile an Sohn Michael übergeben hat, nach wie vor allerdings Geschäftsführer ist.
Neben Motorrädern und Fahrrädern für sportlich Ambitionierte werden auch Untersätze für den alltäglichen Gebrauch verkauft und gewartet. Davon, dass Radfahren generell und an der Goitzsche immer beliebter wird, profitiert das Familienunternehmen. Doch hier weiß auch jeder, dass nichts dem Selbstlauf überlassen werden dürfe. "Kunden müssen sich wohlfühlen", erklärt Dieter Schenk und lädt für den 10. April zur großen Saisoneröffnung samt Ausfahrt ein. "Ein ganz festes Ritual für unsere Freunde."
Alte Liebe rostet nicht: das gilt für den Firmenchef auch in einem anderen Bereich. Segelschiffe haben es ihm angetan. Mit dem russischen Großsegler "Mir" war er schon mehrmals unterwegs, hat mit Hand angelegt, ist in die Takelage geklettert. "Mein Ding", sagt er und kündigt schon jetzt seine Abschiedstour an. Noch einmal möchte er als 65-Jähriger mit "seiner Crew" auf große Tour gehen - durchs Mittelmeer ins Schwarze Meer. "Bis nach Varna. Dann ist Feierabend."