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Alles Handarbeit in Anhalt-Bitterfeld Ein Wunder in der Dübener Heide? Ostern mit der Hand geformt

Für die Kirchen des Pfarrbereichs Krina werden die Osterkerzen noch selber gestaltet. Woher nehmen die kreativen Frauen ihre Einfälle, das empfindliche Material und ihre Motivation?

Von Frank Czerwonn Aktualisiert: 19.04.2025, 17:41
Sonja Teutschbein, Birgit Eckert und Albrecht Henning präsentieren die selbstgestalteten Osterkerzen für den Pfarrbereich Krina.
Sonja Teutschbein, Birgit Eckert und Albrecht Henning präsentieren die selbstgestalteten Osterkerzen für den Pfarrbereich Krina. (Foto: Frank Czerwonn)

Rösa/MZ. - Frisch sprießendes Grün, ein schaukelndes Boot, goldleuchtende Kornähren oder ein farbenfroher Sonnenaufgang – die Motive der neuen Osterkerzen für die Kirchen im Pfarrbereich Krina sind vielfältig, eindrucksvoll und vor allem einmalig. Denn jede Kerze wurde individuell gestaltet. Industriell gefertigte Kerzen kommen den Gemeinden nicht in ihr Gotteshaus. Im Pfarrbereich Krina wird noch selber Hand angelegt.

Das hat seinen Grund. Was für andere Menschen zu Ostern das bunte Ei ist, das ist für Christen die Osterkerze: das Symbol für das wichtigste Fest der Christenheit. Die Kerze versinnbildlicht die menschliche, ihre Flamme die göttliche Natur Christi. In der Osternacht wird die am Osterfeuer entzündete Kerze feierlich in die dunkle Kirche getragen. Ihre Flamme steht für das Licht, das Jesus durch seine Auferstehung in die Welt bringt. Die Osterkerze begleitet die Gemeinde durch das Jahr.

Arbeiten bis in die Nacht

Neun Kerzen haben Birgit Eckert aus Schlaitz, Sonja Teutschbein aus Rösa, Anja Kaiser aus Schwemsal sowie Pfarrer Albrecht Henning mit Fantasie und ruhiger Hand gestaltet. Drei 70 Zentimeter hohe Kerzen für Rösa, Krina und Schwemsal sowie sechs kleinere für die anderen Gemeinden. Einziger Kompromiss: Die elfenbeinfarbenen Kerzenkörper mit zehn Prozent Bienenwachs wurden bei der Kerzenfabrik G. & W. Jaspers in Nordrhein-Westfalen bestellt.

Viele Abend- und Nachtstunden haben die Kerzengestalter damit zugebracht, Motive zu kreieren und Schritt für Schritt umzusetzen. Doch wieso tun sie das? „Ich bastele gern und bin kreativ“, sagt Eckert. Osterkerzen gestalte sie seit vielen Jahren. So, wie auch Teutschbein, die das lange mit der inzwischen verstorbenen Renate Eckardt tat. „Es macht einfach Freude“, sagt sie.

Drei feste Elemente finden sich auf fast jeder Osterkerze: das Kreuz, die Buchstaben Alpha und Omega und die Jahreszahl. Für das Motiv aber braucht man Ideen. „Man denkt sich ja was dabei“, sagt Teutschbein. Eckert meint, es brauche einen geistigen Moment. „Ich kann mich nicht hinsetzen und sagen: Heute mache ich eine Kerze.“ Die Ideen sammeln sich mit der Zeit an; bei Besuchen in anderen Kirchen wie letzten Sommer in der Partnergemeinde im Westerwald, bei Ausflügen oder durch Kerzen, die man mal gesehen hat. „Wichtig ist der Blick auf das Kreuz, das durch die Auferstehung überwunden wird“, so Eckert. Oft werde der Entwurf skizziert. Gerade für die großen Kerzen fertige man auch Schablonen an, um zu schauen, ob die Größenverhältnisse stimmen, so Teutschbein.

Danach werden die einzelnen Teile des Motivs aus dünnen, farbigen Wachsplatten geschnitten. Dazu braucht man kleine, scharfe Messer. Diese Elemente werden mit den Händen erwärmt und Stück für Stück auf die Kerze gedrückt. „Durch Wärme wird das Wachs geschmeidig und verbindet sich“, so Teutschbein. Dafür ist Feingefühl nötig, so Pfarrer Henning. Die ganzen Kleinigkeiten wie Strahlen, Ähren, Blättchen oder Umrandungen kosten Zeit.

Eile ist kontraproduktiv

Mehrere Abende brauche man für eine Kerze. Eckert hat ein Bastelzimmer, Teutschbein okkupiert dafür den Esszimmer-Tisch. „Eile bringt nichts“, sagt Eckert. Die Arbeit an den Osterkerzen sei für sie Meditation. Dabei gehe ihr die Passionsgeschichte durch den Kopf. „Ostern hat viel mit uns zu tun. Es bringt Hoffnung und zeigt, dass unser Leben nicht mit dem Tod endet.“ Auch Teutschbein sagt, man sei mit den Gedanken richtig dabei. Henning spricht von „eher durchfühlen als durchdenken“. Gestalte er eine Sonne auf der Kerze, dann fühle er die Hoffnung.

Davon sprechen auch die verschiedenen Motive: Teutschbein spaltet mit einer sich emporwindenden Pflanze mit frischem Grün das Kreuz vor der Sonne. Bei Eckerts Kerzen entdeckt man Schiffe, die die christliche Gemeinschaft symbolisieren, Regenbögen, die die Nähe Gottes zeigen, emporsprießende Pflanzen oder Weizenähren für das „Brot des Lebens“. Und Henning setzt auf den Kontrast von Schwarz und Gold, was eine zusätzliche Herausforderung ist. „Damit das Gold nicht den Glanz verliert, muss man Wachspapier benutzen.“ Für den Pfarrer erdet der Glaube, der durch die Ostergeschehnisse neue Stärkung erhält. Das sei sehr aktuell. „Wir nehmen ja wahr, wie eine Gesellschaft, die keine Erdung mehr hat, nach Sinn und Erfüllung sucht.“

Aus Wachstafeln werden die Ornamente herausgeschnitten.
Aus Wachstafeln werden die Ornamente herausgeschnitten.
(Foto: Frank Czerwonn)
Sonja Teutschbein bringt die Verzierungen an.
Sonja Teutschbein bringt die Verzierungen an.
(Foto: Frank Czerwonn)
Birgit Eckert schneidet ein Schmuckelement aus einer Wachstafel.
Birgit Eckert schneidet ein Schmuckelement aus einer Wachstafel.
(Foto: Frank Czerwonn)

Wenn in der Osternacht, die um 22.30 Uhr beginnt, die Osterkerze den langen Weg durch die dunkle Rösaer Kirche getragen wird, ist ihr Licht das Symbol für die neu erweckte Hoffnung, für Dankbarkeit, Demut, Barmherzigkeit und Güte. Darüber wird im Gesang „Exsultet“, dem Osterlob, gesungen. Die Glocken werden gegen 23.30 Uhr läuten. Und mit dem fast tausendjährigen „Christ ist erstanden“, dem ältesten erhaltenen liturgischen Gesang in Deutsch, erklingt nicht nur zum ersten Mal die Orgel, sondern werden auch Brücken durch die Zeit geschlagen. Halleluja.