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Das Dorf, der Hanf, die Gesetze

Von Corinna Nitz 21.02.2005, 16:05

Rötzsch/MZ. - In der vergangenen Woche, erzählt Sieg der Mitteldeutschen Zeitung, traute man in Rötzsch seinen Augen kaum. Da nämlich fuhren Fahrzeuge der Landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaft Dabrun durchs Dorf. Nahe der stillgelegten Hanfverarbeitungs-Fabrik sollen sie wieder Hanfballen abgekippt haben. Grob geschätzt, sagt Sieg, "sind es vielleicht 500 Ballen, einige davon verfault". Die Fabrik hat bereits vor Jahr und Tag ihren Betrieb eingestellt (die MZ berichtete mehrfach), weswegen man in Rötzsch nun besonders irritiert auf die jüngste Bescherung reagiert.

Noch immer, heißt es, lagern aus früheren Zeiten ungenutzte Hanf-Vorräte am Ortsrand. Die Angst vor Ungeziefer sei groß. Sieg spricht von Füchsen, die sich zumindest zu früheren Zeiten häuslich eingerichtet hätten und mitunter auch durchs Dorf gelaufen sind. Vor allem ärgert ihn aber, dass zu dem bereits vorhandenen Hanf nun weiterer dazugepackt wurde. "Das ist hier ein Wohngebiet, und die Leute wollen es schön haben", bekräftigt er seine Auffassung.

In Dabrun mag man die Aufregung nicht recht verstehen. Wie Roland Rosenau, stellvertretender Vorsitzender der Produktivgenossenschaft, betont, wurde tatsächlich Hanf nach Rötzsch transportiert. Die Rede ist von 15 bis 20 Tonnen. Diese lägen etwa 300 Meter von den Wohnhäusern entfernt an einem Ackerrand. Rosenau erklärt weiter, dass die Ballen umgehend verbrannt werden sollten. "Das war mit dem Ordnungsamt in Kemberg alles abgesprochen", sagt er. Doch sei, kaum dass man mit der Verbrennung begonnen hatte, "jemand" vom Umweltamt erschienen und hätte einen sofortigen Abbruch der Aktion veranlasst.

Jürgen Hartmann, Chef des Umweltamtes beim Landkreis Wittenberg, bestätigt dies gegenüber der MZ und erklärt: "Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, einfach diese Hanfballen zu verbrennen." Zudem bedürften "abweichende Entsorgungswege" ausdrücklich der behördlichen Genehmigung. "Das hätte das Ordnungsamt in Kemberg wissen müssen." Hartmann zufolge komme eine Verbrennung aus Gründen des Umweltschutzes ohnehin nicht in Betracht. Auf die Frage, wie dann mit den Hanfballen zu verfahren sei, nennt er als eine mögliche Alternative die Kompostierung und verweist auf entsprechende Anlagen im Landkreis. Dabei anfallende Kosten, so Hartmann, müssten vermutlich die Eigentümer der Grundstücke tragen, auf denen das Material gelagert wird. Und weil das so ist, befürchtet nun Jochen Sieg, "dass wir hier in Rötzsch wohl noch jahrelang mit dem ganzen Müll leben müssen".