Cranachhaus am Markt Cranachhaus am Markt: Hässliches Entlein wird zum Schwan
Wittenberg/MZ. - Der Anruf erreicht sie justament an dem Ort, der in den kommenden Jahren wieder auf Vordermann gebracht werden soll: im Cranachhaus am Markt 4. Dessen Vorderseite erstrahlt zwar bereits seit 1998 wieder in neuem Glanz. Doch will man nun einen der größten Schandflecke der Lutherstadt, die zur Wallstraße liegenden Gebäudeteile des Denkmals sanieren. 3,3 Millionen Euro wurden für diesen Bauabschnitt veranschlagt. Eine Summe, die den Rechenkünstlern bei der Oberfinanzdirektion in Magdeburg allem Anschein nach schwer im Magen lag. Es habe Monate gedauert, so Steiner, bis die sich zu einer fachlichen Stellungnahme durchringen konnten. Doch nun liegt sie vor - und sie ist positiv.
Derweil fällt auch dem Laien beim Rundgang auf, dass es allerhöchste Zeit ist, mit der Sanierung des Cranachhauses am Markt fortzufahren. Süd- und Ostflügel des Bauwerks befinden sich in katastrophalem Zustand. Und es scheint, als kommen immer noch neue Schäden dazu. Bereits im Hof wandert Silvia Steiners Blick an der Hauswand, die gleichzeitig die Grenze zum Nachbargrundstück bildet, hinauf. Hoch droben beulen sich an einer Stelle im Fachwerk beängstigend die Ziegel aus. Obwohl dieses Stück Mauer nicht zur Cranach-Stiftung gehört, wird Frau Steiner eine Schadensmeldung beim Bauordnungsamt machen, damit die Stelle gesichert wird.
Seit Jahren gesichert sind die hofseitigen Gebäude des Cranachhauses. Mit aufwendigen Notkonstruktionen innen und außen sollte der weitere Verfall aufgehalten werden. Dies sei durchaus gelungen, wie Mara Pinardi betont. Die Architektin hat bereits die Sanierung des Vorderhauses mit verantwortet. Nun klettert sie mit schlafwandlerischer Sicherheit durch die alte, neue Baustelle. Renaissance-Architektur, vermischt mit Einflüssen des Barock, gilt es in Zukunft zu restaurieren. Säulen, die einst die Statik der Räume gewährleisteten, sollen wieder aufgebaut werden. Eine Treppe zwischen dem dritten und vierten Haus ist geplant. In einer Abseite hat der Restaurator kürzlich eine Putzstelle gefunden, die aus der Renaissance stammen könnte. "Wenn das so ist, wird sie konserviert", sagt die Architektin, die im Übrigen plant, die Decke zum Dachboden zu entfernen und einen Umlauf zu schaffen. Von diesem Dachboden wird angenommen, dass Cranach dort die Kräuter für seine Apotheke getrocknet hat.
Wenn dereinst die Restaurierung abgeschlossen ist, soll neben diversen Vereinen, die gegenwärtig noch in der Schlossstraße 1 sitzen, auch die Kulturakademie der Cranach-Stiftung am Markt 4 einziehen. Ein Institut, das noch in diesem Jahr in der Malschule seine Arbeit aufnehmen wird (die MZ berichtete) und Bestandteil des künftigen Nutzungskonzeptes ist. "Ohne diese Konzeption", so Steiner, "hätten wir die Baumaßnahme kaum durchführen können."
Als nächstes werden die Rohbau- und Zimmererarbeiten ausgeschrieben. Mit Baubeginn ist im Mai zu rechnen. Es geht also voran, freut sich Silvia Steiner, die die Ruine schon mal liebevoll "hässliches Entlein" nennt. Und das hat sich ja, zumindest im Märchen, in einen schönen Schwan verwandelt.