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Christiane Kuhnert Christiane Kuhnert: In den Straßen des Subkontinents

Von Corinna Nitz 20.06.2003, 11:31

Rackith/MZ. - "Namaste", so verrät ein Online-Lexikon, ist der häufigste Gruß in Indien. Dabei legt man die Handflächen so aneinander, dass die Fingerspitzen unter dem Kinn nach oben zeigen.

Mit der Körpersprache der Inder hat sich Christiane Kuhnert aus Rackith vermutlich noch nicht befasst. Ein Hindi-Wörterbuch trägt sie aber schon lange mit sich herum; dessen abgenutzte Ecken an den Seiten zeugen von häufiger Benutzung. Grundkenntnisse in Hindi, nach Englisch die zweite Landessprache in Indien, dürften auch nicht schaden, wenn die 18-Jährige in einem Monat ihre Reise auf den Subkontinent antritt.

Ein Kurztrip wird es nicht - und auf dem Programm steht statt Sightseeing zu den Tempelanlagen der Maharadschas Knochenarbeit in den Slums der Millionenstadt Nagpur. Die liegt mitten in Indien. "Mitten ins Herz", erzählt Christiane mit reichlich Pathos der MZ, habe sie auch die Website der Missions-Dominikanerinnen getroffen, zufällig entdeckt beim Stöbern im weltweiten Netz. Während sich diese Schwestern im ausgehenden 19. Jahrhundert noch der Christianisierung des schwarzen Kontinents verpflichtet fühlten, versuchen sich ihre Nachfolgerinnen nun in der Entwicklungshilfe.

Ein neues Projekt, in dessen Mittelpunkt die Arbeit mit Straßenkindern von Nagpur steht, hat auch Christiane angesprochen. Nur ganz kurz hatte die zierliche junge Frau mit der Zahnspange nach dem Abitur darüber nachgedacht, vielleicht als Au-pair ins westliche Ausland zu gehen. Dabei sei ihr immer klar gewesen, "dass diese häufig reichen Leute mich wahrscheinlich gar nicht brauchen".

Wichtiger, als der Wunsch danach, gebraucht zu werden, scheinen bei ihrer Entscheidung für ein freiwilliges soziales Jahr in Indien noch ganz andere Überlegungen zu sein. Die kreisen um Hunger und Elend. Zustände, die Christiane Kuhnert in der Geborgenheit einer Großfamilie im ländlichen Idyll bei Wittenberg nie kennen gelernt hat. "Aber", sagt sie, "dazu habe ich ja nichts beigetragen, das war einfach so." Nun fühlt sie sich verpflichtet, den Menschen zu helfen, die weniger Glück hatten. "Ich will nicht länger nur vom Leid auf dieser Welt hören und es bedauern, sondern konkret etwas tun."

Prima hört sich das an, obschon man geneigt ist, hinter solchem Idealismus auch die naive Träumerei eines Teenagers zu sehen. Christiane mag das ahnen, sagt darum: "Mir ist schon klar, dass ich die Zustände nicht ändern kann." Den Straßenkindern von Nagpur jedoch könne sie zeigen, "dass da jemand ist, der sie lieb hat und von weit her zu ihnen kommt".

Es gehe darum "ein winziges Licht in der Dunkelheit der globalen Probleme anzuzünden". Das sei besser, "als bloß über die Dunkelheit schimpfen". - Woher sie ihre Zuversicht bezieht, lässt sich im Gespräch nur unzulänglich ergründen. Vielleicht ist es ihr christlicher Glaube. Vielleicht sind es die Seminare, die sie inzwischen bei den Missions-Dominikanerinnen besucht hat.

Dass es ihr ernst ist, haben jedenfalls auch ihre Eltern erkannt. Und die hätten nichts dagegen, dass die Tochter nach Indien geht. "Nahiin" - das ist Hindi und heißt "nein" - haben sie wohl nicht gesagt.