Bitterfeld Bitterfeld: Lockere Verse aus dem Dichterviertel
bitterfeld/MZ. - Einen Gedanken in einen funkelnden Spruch zu verwandeln, den Rhythmus für ein Gedicht zu finden, diese Freude hat Harald Kriegler irgendwann in den 70er Jahren für sich entdeckt - und seitdem nicht mehr losgelassen. Und so könnte es für ihn und seine Frau keine bessere Adresse als die im Bitterfelder Dichterviertel geben, auch wenn er nicht wegen seines Hobbys in diesem Stadtteil wohnt.
Wie viele Aphorismen, Schüttelreime, Verse und Gedichte er dort verfasst hat, weiß der gelernte Schriftsetzer nicht. Doch er erinnert sich genau an seine ersten dichterischen Versuche, für die sich auch andere interessiert haben: Aphorismen, die in den siebziger Jahren in der Satirezeitschrift "Eulenspiegel" in der Rubrik "Übrigens" erschienen sind, und Gedichte, die in der "Poetensprechstunde der "Jungen Welt" zu lesen waren. "Dilettantisch" nennt der 66-Jährige diese Versuche. Doch mit der Zeit und unverdrossener Übung hatte er trotz der ständigen Papier-Not in der DDR die Aussicht, das erste eigene Buch aus dem Eulenspiegel-Verlag in den Händen halten zu können. "Doch dann kam die Wende und die West-Welle", sagt er. Die Verlage wollten Texte zur Ost-West-Konfrontation, seine waren zu zeitlos.
So hat er andere Möglichkeiten gefunden, Texte zu veröffentlichen: Anthologien und das Internet. Ab und zu druckt die "Hannoversche Allgemeine" Aphorismen, manchmal bringt Harald Kriegler etwas im Schweizer Satiremagazin "Nebelspalter" ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte unter. Oft gibt er etwas im Selbstverlag heraus, druckt und bindet seine Werke selbst. "Weniger zum Verkauf, das meiste verschenke ich", sagt er.
Gelernt ist gelernt, das sieht man den Büchlein und Faltblättern an. Kriegler hat in der Bitterfelder Volksdruckerei gelernt. Dort sei auf Sorgfalt und Genauigkeit viel Wert gelegt worden. An einen Kollegen erinnert er sich besonders gut: "Der Korrektor, ein ehemaliger Deutschlehrer, war ein großer Pedant." Nach der Armeezeit ist Kriegler Arbeitsvorbereiter in der Hausdruckerei des Chemiekombinates Bitterfeld gewesen. Inzwischen gehört er zu den Rentnern, die immer viel vor haben. Harald Kriegler schreibt nicht nur, er liest auch viel, gern Erich Kästner und Robert Gernhardt, schaut sich auf der Buchmesse um, fährt Rad und spielt Fußball, nutzt kulturelle Angebote wie die Voraufführung des Films "Die Kriegerin" in Wolfen. In der Obermühle in Bad Düben setzt er zu besonderen Anlässen eine Buchdruckmaschine in Gang, die schon zur Verschrottung vorgesehen war. "Die Leute sind interessiert an alter Technik", hat er dabei erfahren.
Zum Jahresbeginn war er gemeinsam mit Marion Lange zu einer Lesung in Mühlbeck eingeladen. An seinem "Kurschattenspiel in sieben Akten" hatten die Gäste im Café "Kaffeesatz" ihre Freude. Obwohl er, wie er meint, kein besonders guter Leser ist. Er bewundere jeden, der seine Texte auswendig vortragen kann.