1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Bitterfeld: Bitterfeld: Anwohner in Kraftwerkssiedlung kritisieren Abriss

Bitterfeld Bitterfeld: Anwohner in Kraftwerkssiedlung kritisieren Abriss

Von Lisa Garn 26.08.2013, 11:54
In der Ertelstraße wird gebaut - Häuser werden rundum saniert, teilweise wurden Anbauten abgerissen.
In der Ertelstraße wird gebaut - Häuser werden rundum saniert, teilweise wurden Anbauten abgerissen. André Kehrer Lizenz

bitterfeld/MZ - Fast 40 Wohnungen saniert derzeit die Firma „WS Wohnen und Service“ aus Halle in der denkmalgeschützten Kraftwerksiedlung. Doch in der Ertelstraße hat sie Anbauten ohne Genehmigung abgerissen. Und das bringt Anwohner auf die Barrikaden. „Der Denkmalschutz wird überhaupt nicht ernst genommen“, sagt Jürgen Brinsa. „Ich durfte nicht einmal einen Windfang anbringen, andere Hauseigentümer mussten Strafe zahlen, weil der Zaun nicht regelkonform war. Auch eine Dämmung wurde verboten.“

Und nun würden unwiderruflich Gebäudeteile abgerissen und beispielsweise Fenster nicht denkmalgerecht eingebaut. „Gilt für Gebäudesanierer ein anderer Maßstab als für private Hausbesitzer? Man fühlt sich übers Ohr gehauen“, sagt Brinsa. Auch andere Anwohner seien sauer. „Die Denkmalschutzbehörde soll mal erklären, warum damals die Auflagen so hoch waren.“

Ein Antrag für die Sanierung von zehn Häusern in der Ertelstraße und am Otto-Hahn-Platz sei im Juni gestellt worden, erklärt die Landkreisverwaltung. Dabein waren auch Teilabrisse für vier Nebengebäude vorgesehen - in ihnen waren einst unter anderem Waschräume untergebracht. Die Genehmigung hatte der Bauherr aber nicht abgewartet, wie der Landkreis vor Ort feststellen musste.

Für das gesamte Projekt wurde zwar Mitte Juli grünes Licht gegeben - allerdings verfügte die Behörden eine Auflage und ein ordnungsrechtliches Verfahren. „Zwei Anbauten in der Ertelstraße müssen wieder aufgebaut werden“, erklärt Landkreissprecher Udo Pawelczyk. Man betont jedoch: Der Abriss sei sogar nötig gewesen, weil nach der Flut und Grundwasserproblemen Schäden an den Haupthäusern drohten. Die hätten in kürzester Zeit rundum gesichert und trockengelegt werden müssen.

Illegal bleibt allerdings, dass zwei weitere Gebäude in der selben Straße abgerissen wurden. „Es wäre zwar genehmigungsfähig gewesen. Eine rückwirkende Genehmigung lässt aber das Gesetz formal nicht zu“, erklärt Pawelczyk. Einen Wiederaufbau könne man nicht fordern, da die beiden Gebäude in äußerst marodem Zustand gewesen seien. Da sie aber vor der Genehmigung abgerissen wurden, droht nun ein Ordnungsgeld.

In der Landkreisverwaltung könne man „das Unverständnis von Anwohnern über Arbeiten ohne denkmalrechtliche Genehmigung nachvollziehen“. Dass Hauseigentümer und Sanierer unterschiedlich behandelt würden, weist Pawelczyk aber zurück. „Die Bestimmungen gelten für alle.“

Reinhard Köppe, Geschäftsführer von Wohnen und Service, räumt den illegalen Abriss ein. Es sei aber an zwei Häusern durch Probleme mit dem Grundwasser höchste Eile geboten gewesen. „Dazu kam, dass die mit der Sanierung beauftragte Firma abgezogen wurde. Wir waren zu früh dran, wenig später wäre die Genehmigung gekommen.“ Er betont, sich an den Denkmalschutz zu halten und die Behörde bereits vor einem Jahr einbezogen zu haben. Das Straßenbild bleibe weitestgehend erhalten. „Und im Grunde ist es doch so: Wenn wir nicht sanieren, verfallen die Gebäude. Für die Siedlung lagen schon Abrisspläne auf dem Tisch.“

Köppe zeigt aber Verständnis für die verärgerten Anwohner: „So etwas wie Vollwärmeschutz war vor Jahren noch nicht möglich. Ohne den bekommt man heute allerdings keine Wohnung vermietet. Mit ihren Einwänden hätten die Anwohner aber auf uns zugehen können.“

Seit 2008 saniert das Unternehmen Häuser in der Kraftwerkssiedlung. 327 Wohnungen wurden von der Wohnstättengenossenschaft (WSG) gekauft. Zwölf Millionen Euro flossen bisher in vier Bauabschnitte. Der fünfte und letzte betrifft nun die zehn Häuser. Die Gebäude bekommen unter anderem eine Wärmedämmung, neue sanitäre Anlagen, Heizung, Elektrik, Fenster und Türen. Zwei Millionen Euro werden investiert. Im Mai 2014 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein und 37 sanierte Wohnungen zur Verfügung stehen. Köppe schwebt ein generationsübergreifendes Modell vor. „Es gibt größere Wohnungen für Familien, aber auch welche mit altengerechten Zugängen und Bädern.“ Ende 2013 wolle man zudem für eine Million Euro Häuser am Otto-Hahn-Platz kaufen und sanieren. Interessenten für das Areal gebe es genug, so Köppe. „Es ist ein beliebtes Wohngebiet, weil die Infrastruktur passt.“