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Betagter Rechenkünstler Betagter Rechenkünstler: Registrierkasse von 1938 erzählt ein Stück Bobbauer Geschichte

Von Ulf Rostalsky 01.10.2020, 10:33
Dieter Ullmann und das Schwergewicht: Die Registrierkasse der Firma Merseburger stammt aus dem Jahr 1938.
Dieter Ullmann und das Schwergewicht: Die Registrierkasse der Firma Merseburger stammt aus dem Jahr 1938. André Kehrer

Bobbau - Rechnen kann durchaus eine schwere Sache sein. „Wir haben es versucht und sind gescheitert“, erzählt Dieter Ullmann vom Heimatverein Bobbau. Das Augenzwinkern vergisst er nicht. Denn ums Addieren sei es gar nicht gegangen. Ullmann und Co. wollten vielmehr einen betagten Rechenkünstler auf die Ausstellungsfläche des Bobbauer Wasserturms transportieren. Dutzende Treppenstufen sind bis dahin zu erklimmen. Und der Rechenkünstler wiegt schwer.

Wieviele Kilogramm genau, weiß Heimatfreund Ullmann nicht. „Am Ende haben die Kameraden der Feuerwehr den Transport übernommen, geschwitzt und nach Luft geschnappt.“ 18 Jahre ist das her. Seitdem steht die Registrierkasse der Firma Anker hoch oben auf dem Wasserturm. Dort fügt sie sich ein in ein buntes Sammelsurium von Gegenständen, die Bobbauer Geschichte in Erinnerung rufen. Die Kasse hat aber auch eine eigene Historie.

Hergestellt wurde das Gerät in den Anker-Werken Bielefeld

Hergestellt wurde das Gerät in den Anker-Werken Bielefeld. Mechanikermeister Paul Merseburger kaufte die Kasse am 14. September 1938 und löhnte stolze 1.535 Reichsmark. Ein Vermögen, angesichts der Tatsache, dass kleine Siedlungshäuser damals für kaum mehr als 5.000 Mark zu haben waren.

„Aber Merseburger war immer auf der Höhe der Zeit. Er hatte nach unseren Recherchen sogar das erste Auto in Bobbau, einen Citroën.“ Vom Auto fehlt allerdings jede Spur. Und auch die Kasse wäre verschwunden, hätte sie Ullmann nicht bei einem Besuch im Merseburgschen Anwesen auf der Ladefläche eines Multicar ausfindig gemacht.

„Sie sollte weg. Das konnte ich nicht mit ansehen“, blickt der Heimatfreund zurück und ist selig. Die Geschäftskasse glänzt. Selbst zwei alte Papierrollen liegen zur Reserve bereit. Nur rechnen fällt schwer. Elektrik und Mechanik streiken, müssten auf Vordermann gebracht werden. Es sind Aufgaben, die vor 82 Jahren Cassen-Schulze aus der Rabestraße in Dessau übernommen hatte. So steht es jedenfalls auf einem Serviceaufkleber am Kassengehäuse.

Schon beim Tippen des Kassenbelegs wurde unterschieden nach Waren- und Leistungsgruppen

Trotz technischer Probleme wird die Kasse nicht stiefmütterlich behandelt. „Sie kann auf ihre Art erzählen“, meint Ullmann. Zum Beispiel darüber, dass Mechanik und Automobile über drei Generationen das Leben der Bobbauer Familie Merseburger geprägt haben. Farbige Tasten liefern den Beweis. Aral, Benzin, Gummi, Werkstatt: Schon beim Tippen des Kassenbelegs wurde unterschieden nach Waren- und Leistungsgruppen rund um das Automobil. „Das hat mit Sicherheit schon damals die spätere Buchung leichter gemacht“, ist Dieter Ullmann überzeugt.

Er ist stolz auf das schwergewichtige Stück Geschichte. Ein Zufallsfund war es. Und er ist nicht der einige. In Reichweite der Kasse liegen im Wasserturm Ziegelsteine mit dem eingebrannten Schriftzug Bobbau. Auch eine interessante Geschichte. Vielleicht für später. (mz)

Farbige Tasten helfen bei der Buchung.
Farbige Tasten helfen bei der Buchung.
André Kehrer