Baustelle A9 wieder frei Baustelle A9 wieder frei: Polizei und Unternehmen können aufatmen

Dessau - Das erste Facebook-Foto zeigte drei Spuren, einen blauen Himmel - und sonst nichts. Kein Auto. Kein Lkw. Ein Traum für Autofahrer. Enrico Berbig erlebte den kurz nach dem Montagmittag auf der A9 in Richtung Berlin.
Acht Monate mussten Autofahrer und Lkw-Fahrer Geduld beweisen: 14 Kilometer lang war die Baustelle zwischen den Anschlussstellen Bitterfeld-Wolfen und Dessau-Süd.
Für 18 Millionen Euro wurde dort die vom Betonkrebs zerfressene Fahrbahn komplett erneuert. Das Aufatmen war am Montag links und rechts der A9 spürbar.
Autobahnpolizei analysiert Unfallursachen
Dreimal tief durchgeatmet haben kurz vor Mittag die Beamten im Revier der Autobahnpolizei in Dessau-Ost. „Jetzt sind wir doch froh und teilen diese Freude mit allen Autofahrern, die diese Baustelle über lange Zeit stark belastet hat“, sagt Lucas Weise, Sprecher der Autobahnpolizei in Dessau.
Die Beamten vor Ort werden nun das Unfallgeschehen an der Baustelle detailliert zusammentragen - und analysieren. Aber eines hat Weise bereits registriert: „Die Zahl der Unfälle in Fahrtrichtung München lag deutlich höher als in Richtung Berlin.“
Bei der Ursachenforschung spielen möglicherweise die Stoppschilder an den Auffahrten eine Rolle. In Frage komme vielleicht auch der lange Sonnenstand aus süd-westlicher Richtung. „Aber das sind unbelegte Vermutungen“, so Lucas Weise.
Autohof Thalheim will wieder durchstarten
Auch Henry Eichler ist erleichtert. Der Geschäftsführer des Thalheimer Autohofes hatte jenen Tag herbeigesehnt, an dem „seine“ Autobahnabfahrt für den Verkehr geöffnet wird. Die Durststrecke dauerte von Mai bis Anfang Dezember. Das wünscht Eichler nicht mal dem ärgsten Kontrahenten. 35 Prozent Umsatzverlust, Kurzarbeit. Jetzt will er durchstarten.
Seine 20 Mitarbeiter sind wieder voll in Lohn und Brot. Wenn es gut läuft, plant Eichler weitere Arbeitsplätze zu schaffen. „Schau’n wir mal.“ Was sich Autohof-Chef zum Fest wünscht: dass bundesweit nie ein Verkehrsknotenpunkt wie eben auf der A9 über Monate geschlossen wird. Das tue keinem gut - vor allem nicht der betroffenen Region.
Tankstelle Köckern atmet auf
An der Autobahntankstelle Köckern freut sich auch das Betreiberehepaar Forstner über die wieder frei gegebene A 9. Was Adelheid Forstner in Erinnerung bleiben wird, sind die vielen Unfälle, die passiert sind, sagt sie. Deren Folge: kilometerlange Staus, die hoffentlich nun ein Ende finden.
Das sagt Hanwha Q-Cells
„Natürlich waren die längeren Anfahrtszeiten aufgrund der Baumaßnahme für Mitarbeiter und Zulieferer nicht angenehm, aber wir haben uns darauf eingestellt“, beschreibt Jochen Endle, Pressesprecher der Hanwha Q-Cells GmbH in Thalheim, die Situation im Solar Valley.
Das Unternehmen hatte rechtzeitig vor Beginn alle Partner über die Sperrung sowie Ausweichrouten informiert. „Daher hatten wir keine Auswirkungen auf unseren Geschäftsbetrieb. Jetzt sind wir aber froh, dass die Bauarbeiten vorzeitig abgeschlossen werden konnten und wünschen uns auch für die Maßnahme auf der Gegenfahrbahn eine zügige Fertigstellung.“
Dort geht es Ende Mai 2017 weiter. Die Ausfahrt Bitterfeld-Wolfen soll dieses Mal aber nur zwei Monate voll gesperrt werden.
Feuerwehr Sandersdorf kritisiert blockierte Rettungsgassen
Für die Freiwilligen Feuerwehren aus der Umgebung der A 9 war die Sperrung mit viel Arbeit verbunden, dennoch hätten alle Einsätze zur Zufriedenheit aller Beteiligten erledigt werden können, blickte Sandersdorfs Ortswehrleiter Roland Richter auf die Sperrzeit zurück.
„Das größte Problem war die Rettungsgasse, die von vielen Lkw- und auch Pkw-Fahrern nicht eingehalten wird.“ Manche seien sogar sehr aggressiv aufgetreten, als sie auf diese Gasse hingewiesen wurden, sagt Richter.
„Gut geregelt wurde im Laufe der Bauzeit auf der A9, dass die baulichen Möglichkeiten für Feuerwehr und Rettungsdienste geschaffen wurden, um auf der gesperrte Bautrasse bis an den jeweiligen Einsatzort heran zu kommen.
Auch sei die Feuerwehr bei jedem schwereren Unfall mit alarmiert worden, um verletzte Personen über die Leitplanken zu transportieren und somit den Rettungsdienst zu unterstützen“, ergänzt Sandersdorf-Brehnas Stadtwehrleiter Sven Winterling.
Abschleppdienst-Fahrer von Autofahrern angepflaumt
Entspannung nicht unbedingt gewollter Natur hat jetzt wieder der Abschleppdienst ABH Schmidt. „Durchschnittlich einmal in der Woche haben wir ein liegengebliebenes oder verunfalltes Fahrzeug im Baustellenbereich geborgen“, sagt Junior-Chef Ingo Schmidt vom Abschlepp-, Berge- und Hilfsdienst (ABH), der Fuhrpark und Werkstatt im Dessora-Park bei Oranienbaum betreibt.
Ohne Baustelle könnte das weniger werden. Als größter Einsatz ist die Bergung des mit Stahlschrott beladenen 40-Tonnen-Lasters in Erinnerung, der am 27. Oktober nahe der Abfahrt Zörbig in die Leitplanke gekracht war. Die Nerven der Autofahrer lagen blank. „Und das haben auch wir heftig zu spüren bekommen“, sagt Schmidt.
Er weiß, wie schwer es ist, an die Unfallstelle vorzurücken. „Da sind nicht nur die Rettungsgassen versperrt. Da werden unsere Fahrer auch vollgepflaumt: ’Ihr habt ja nicht mal Blaulicht! Stellt euch hinten an!’“, schüttelt Schmidt den Kopf. „Dass der, der ein Bergungsfahrzeug nicht durchlässt, umso länger im Stau steht, kapieren manche nicht.“ (mz/red)
