Auf Afghanistan folgte Bitterfeld Auf Afghanistan folgte Bitterfeld: Andreas Ginzel ist katholischer Pfarrer in der Stadt

Bitterfeld - Manchmal wundert er sich wohl selber: Sein halbes Leben lang ist Andreas Ginzel nun katholischer Pfarrer. Genau heute vor 25 Jahren erhielt der inzwischen 50-Jährige in der Magdeburger Kathedrale St. Sebastian die Priester-Weihe. Absehbar war das in seiner Kindheit nicht, „obwohl ich die ersten Schritte im Glauben mit der Muttermilch eingesogen habe“.
Seine Eltern sind katholisch, man geht sonntags in die Kirche, er wird Ministrant, mischt mit Gitarre die Jugendstunden des Pfarrers auf. Die Großmutter und deren Schwester wohnen mit in der elterlichen Wohnung in Wolmirstedt. „Die haben fleißig vor sich hingebetet - das machte neugierig“, erinnert er sich.
Den entscheidenden Schubs bekommt er ausgerechnet in der Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“, die er mehrere Wochen besucht. „Dort spürte ich plötzlich meine Sehnsucht nach Gott.“ Der Sonntagsgottesdienst fehlte ihm. „Da habe ich vielleicht das erste Mal richtig gebetet.“
Durch den Theologiestudienplatz in Erfurt kommt Ginzel sogar um den Einsatz als Bausoldat herum
Offiziell aber will er Klinikphysiker werden, landet in der Mathe-Physik-Spezialklasse in Magdeburg. Und merkt schnell: Das ist nicht das Richtige. Als Ginzel im Abiturjahr zu Weihnachten den Eltern offenbart, er wolle Theologie studieren, sagen die: „Das musste ja so kommen“. Den Physikstudienplatz gibt er nach dem Abi zurück, durch den Theologiestudienplatz in Erfurt kommt Ginzel sogar um den Einsatz als Bausoldat herum.
Doch gab es im Studium nie Zweifel, ob das seine Bestimmung ist? „Natürlich gab es die.“ Zum Beispiel als Kinderbetreuer in den Semesterferien in Zinnowitz mit Kindergärtnerinnen. „Da fragt man sich schon mal: Ist das dein Weg mit Zölibat und ohne eigene Familie?“. Doch er sei sich schnell wieder ziemlich sicher gewesen.
An den Tag der Priesterweihe 1993 erinnert er sich wie heute: „Ich war wahnsinnig aufgeregt - zumal ich der einzige war, der geweiht wurde.“ Im weißen Gewand, nur mit der Diakon-Stola darüber, liegt er ausgestreckt auf dem Boden von St. Sebastian. „Ich habe wenig um mich herum wahrgenommen, der vorangehende Gottesdienst ist vorbeigerauscht.“ Erst als er sich hinkniet und der Bischof die Hand auflegt, nimmt der 25-Jährige Einzelheiten wahr.
Vier Mal war Andreas Ginzel je vier Monate in Afghanistan
„Die Weihe war sehr aufregend und hat mich stark berührt.“ So wie auch der nächste Tag, als er in Wolmirstedt die erste eigene Messe feiert und ihm die Gemeinde ein Messgewand schenkt. Das hat er noch, trug es Sonntag in Bitterfeld, als er sein Jubiläum mit der Gemeinde beging.
In Ginzels Verständnis verspricht man bei der Weihe dem Bischof, und damit Gott, Gehorsam. „Ich möchte verfügbar sein für das, wofür ich gebraucht werde.“ Das Zölibat sei Beweis der Bereitschaft zu dieser Verfügbarkeit. Die lässt ihn nach den Vikar-Stationen Torgau, Magdeburg und Halle einen ungewöhnlichen Weg einschlagen.
Als der heutige Bischof Gerhard Feige ihn bittet, als Militärseelsorger zu arbeiten, sagt er nach kurzer Bedenkzeit zu. Vier Mal ist er in diesen sechs Jahren je vier Monate in Afghanistan. „Dort war immer klar: Das hier ist ernst. Es kommt auf das an, was wir jetzt machen.“ Was bleibt davon an Erkenntnissen? „Dass Soldaten Menschen wie du und ich sind. Das hat mir die Scheu vor dem Fremden genommen.“
„Inzwischen denke ich nicht im Traum daran, hier wieder weg zu wollen“
Als er 2012 die seit längerem vakante Stelle in Bitterfeld übernehmen soll, ist er zunächst wenig begeistert. Doch ein erster Besuch der Stadt überrascht ihn. Ginzel wirft den geplanten Pilgermarsch auf dem Jakobsweg über den Haufen, um die Gemeinde nicht noch länger ohne Hirten zu lassen. „Inzwischen denke ich nicht im Traum daran, hier wieder weg zu wollen.“ Er sei eh kein Typ, der Veränderung von sich aus sucht.
Wie schon als Jugendlicher singt er gern und greift zur Gitarre, liebt Wandern und Radfahren. Und setzt auf die Gemeinde: „Ich mache mir Sorgen, dass die Mitglieder immer älter werden, bin aber erstaunt, wie sie sich einbringen.“ Ein Pfarrer könne Impulse geben. „Doch du bist nichts ohne die Gemeinde.“ Deshalb hat er einen Wunsch für die nächsten 25 Jahre: „Wieder mehr Hochzeiten und danach Taufen.“ (mz)