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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Noch rollt nur der Geisterzug

Von DIRK SKRZYPCZAK 23.11.2010, 18:21

ZÖRBIG/ZSCHORNEWITZ/MZ. - Die Suche nach dem Sitz der Zörbiger Eisenbahn GmbH (ZEG) führt zu einem normalen Doppelhaus in der Stadt im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Doch außer dem Namen Herbsleb, die Familie zieht bei der ZEG die Fäden, finden sich keine Hinweisschilder auf das Bahnunternehmen. Auch im Internet wird man nicht fündig. Die Homepage der Gesellschaft ist abgeschaltet, telefonisch meldet sich niemand. Die Zörbiger Eisenbahn ist offenbar auf einer ungewissen Route unterwegs. Dabei galt sie als Retterin für das Teilstück der südlichen Grubenbahn zwischen Burgkemnitz und Möhlau, wollte dort Güterzüge über die lange verwaisten Gleise schicken.

Vertrag nicht rechtskräftig

Harald Wetzel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung und Tourismus Anhalt GmbH, hat den Prozess begleitet. Er saß mit dem Eigentümer der Strecke, der Anhaltischen Bahngesellschaft, und der Zörbiger Eisenbahn an einem Tisch. Die ZEG wollte den Abschnitt von Burgkemnitz bis Möhlau kaufen. 15 000 Euro waren im Gespräch. "Es gab einen Notartermin, doch der Vertrag kam nicht zustande", sagt Wetzel. Seitdem wird viel über die Situation bei der Zörbiger Eisenbahn spekuliert. So ist von einer fehlenden Legitimation die Rede, die die Vertragsunterzeichnung seinerzeit verhinderte. Und es mehren sich die Stimmen, die akute Finanzprobleme bei der ZEG vermuten. Wolfgang Last, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Anhaltischen Bahn, die vor der Insolvenz steht (die MZ berichtete), bestätigt unterdessen, dass es bislang nicht zu dem Geschäft gekommen ist. "Wir haben noch kein Geld von der ZEG gesehen", erklärt er.

Antwort bleibt aus

Von den Herbslebs eine Stellungnahme zu erhalten, ist schwierig. Gegenüber der MZ wollten sich die Unternehmer immerhin schriftlich äußern. "Wir möchten Sie bitten, uns ihre Fragen per Mail zu übersenden", heißt es, und die Nachricht ist mit "Mitteldeutsche Eisenbahnverkehrsgesellschaft mbH" (MEVG) unterzeichnet, die der Adresse nach von Burgkemnitz aus operiert. Im Impressum wird Beate Herbsleb als Geschäftsführerin angegeben. Tritt nun die neue Gesellschaft MEVG an die Stelle der Zörbiger Eisenbahn? Doch diese Antwort bleiben sowohl die MEVG als auch die ZEG vorerst schuldig - übrigens nicht nur gegenüber der MZ. "Ich wollte Näheres zu ihrem Konzept wissen, habe aber keine Auskünfte erhalten", berichtet beispielsweise Wolfgang Vorpahl, Vorsitzender des Erlebnisbahnvereins FBE und Gesellschafter bei der Anhaltischen Bahn.

Hoffen in Zschornewitz

In Zschornewitz wird die Entwicklung mit Sorge verfolgt. Die Firma Treibacher Schleifmittel hat nach Aussagen ihres Geschäftsführers Gustav Arndt großes Interesse daran, die benötigten Rohstoffe über den Schienenstrang anliefern zu lassen. Etwa 40 000 Tonnen Tonerde pro Jahr benötigt der Produzent von geschmolzenem Aluminiumoxyd, auch Korund genannt. "Mit der Zörbiger Eisenbahn haben wir ein Jahr zusammengearbeitet. In dieser Zeit hat die ZEG für uns mit Güterzügen die Tonerde von Stade oder Rotterdam bis Landsberg gebracht. Dort wurde der Rohstoff auf Lkw umgeladen, weil die Grubenbahn von Burgkemnitz bis Zschornewitz erst noch saniert werden musste", sagt Arndt. Vor sieben Wochen musste die ZEG dann passen, seitdem bezieht die "Elektroschmelze" ihre Tonerde wieder ausschließlich über die Straße. An Mutmaßungen zur Zörbiger Eisenbahn will sich Arndt aber nicht beteiligen. "Ich hoffe nur, dass es jetzt keinen Rückschritt gibt."

Neuer Interessent?

Schließlich ist durch die beantragte Insolvenz für die Anhaltische Bahn und den gescheiterten Verkauf der südlichen Grubenbahn die Zukunft der Teilstrecke wieder völlig offen. "Die ZEG ist ein hohes Risiko eingegangen. Sie hat bereits in die Sanierung der Infrastruktur investiert, obwohl ihr der Abschnitt noch gar nicht gehörte", meint etwa Wirtschaftsförderer Harald Wetzel. So sei die Route durch die Arbeiten deutlich aufgewertet worden, nicht unerheblich in einem Insolvenzverfahren. Tatsächlich ist die Strecke fast vollständig ertüchtigt.

Im Landesverkehrsministerium weiß man indes von einem anderen Interessenten, sollte die Abmachung zwischen Anhaltischer Bahn und dem Verkehrsunternehmen aus Zörbig / Burgkemnitz endgültig scheitern. Wer dieser mögliche Partner ist, verrät Magdeburg nicht. Für Wolfgang Last kommt diese Botschaft offenbar überraschend. "Ich weiß nicht, wen das Ministerium da in der Hinterhand hat." Die Spekulationen haben jedenfalls neue Nahrung erhalten.