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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Herrensitz in Muldenstein ist idyllisch gelegen

Von MATTHIAS PRASSE 23.08.2010, 17:07

MULDENSTEIN/MZ. - Ein wenig suchen muss man schon, um das traditionsreiche Herrenhaus in Muldenstein zu finden. Unweit des Radwegs an der Mulde liegt die geschichtsträchtige Stätte, die durchaus von touristischem Interesse sein könnte, wenn, ja, wenn man in Muldenstein die Anlage in eine solche Richtung nutzen wollte.

Doch bis dahin müssen ahnungslose und ortsunkundige Besucher noch etwas suchen, denn an eine zielführende Wegweisung ist momentan nicht in Sicht. Regional einzigartig ist die Historie, die Muldenstein aufweist und das ehemalige Rittergut eng mit der mitteldeutschen Reformationsgeschichte verbindet.

Am Ort, der ursprünglich Stein-Lausigk genannt wurde, stiftete ein Adliger namens Kurt von Ammendorf im Jahre 1473 ein Franziskaner-Kloster, das drei Jahre darauf auch von Papst Sixtus IV. offiziell bestätigt wurde.

Eine mitunter angenommene Burg der Herren von Ammendorf hat es aber an dieser Stelle wohl nie gegeben. Bereits kurz nach der Stiftung erhielt der vorhandene Kirchenbau eine Erweiterung nach Osten, die nun Platz für die Mönche bot. Und noch heute lassen Ruhe und Stille im kleinen Kirchenraum etwas spüren vom alten Geist gläubigen Denken und Lebens jener längst vergangenen Zeit.

Das ursprüngliche Kirchenschiff wurde wohl schon zu Klosterzeiten als Vorratsraum genutzt. Die von Ammendorfs (die Familie war vor allem im Saalkreis begütert) besaßen das Patronat über das Kloster bis zu ihrem Aussterben um 1541, das Kloster diente bis dahin dem Geschlecht als Familiengrablege.

Im Zuge der Reformation verließen die Mönche 1545 die geistliche Stätte und wendeten sich nach Halle. Nun wurde das Franziskanerkloster aufgehoben, in seinen Mauern entstand ein Rittergut, das nacheinander in den Besitz verschiedener Adelsfamilien kam. Die Entwicklung vom Kloster zum Rittergut erklärt auch die heute noch vorhandene bauliche Verbindung von Herrenhaus und Kirche. Unter den adligen Besitzern waren wohl die von Bora die bekannteste Familie, weshalb die Legende entstand, Luthers Eheweib Katharina von Bora sei in Muldenstein geboren.

Den neuen Namen Muldenstein, Mildenstein, hatten Rittergut und Ort in der Zeit des tatkräftigen Heinrich von Gleißenthal erhalten. Der Amtshauptmann und Besitzer des Schlosses Gräfenhainichen hatte nach 1555 die wohlklingende Umbenennung beschlossen und damit einen fortwährenden Hinweis auf die idyllische Lage des Herrensitzes hinterlassen. Sichtbare Spuren finden sich auch von denen von Pfuel (heutige Schreibweise), die Muldenstein vom Ende des 17. Jahrhunderts bis 1810 besaßen. Der schöne Altar und die hölzerne Kanzel in der Kirche sind Stiftungen derer von Pfuel. Vielleicht stehen sie in Zusammenhang mit dem zeitnahen Tod des Erbsohns Adam Friedrich, der als kurfürstlich-sächsischer Leutnant seinen Tod vor der ungarischen Grenzfestung Ofen fand.

Die "Kaffee-Gräfin" Stephanie von Pfuel, bekannt aus einem Werbespot für eine große Kaffee-Marke, gehört ebenfalls (durch Heirat) dem alten Geschlecht an. Was man heute sieht, ist aber größtenteils Ende des 19. Jahrhunderts unter dem bürgerlichen Besitzer Adolph Meisel entstanden. Doch möglich, dass sich unter neuerem Putz wesentlich ältere Fragmente verbergen.

Eine bauarchäologische Untersuchung steht noch aus und könnte spannende und überraschende Ergebnisse liefern. Nach dem Erlöschen des Muldensteiner Zweigs derer von Pfuel waren es bürgerliche Besitzer und Fabrikanten wie eben jener Meisel, welche die historische Stätte als Wohn- und Arbeitssitz nutzten. Wer heute das Innere des Herrenhauses betritt, ist hin- und hergerissen.

Zum einen haben sich wesentliche Teile der Ausstattung erhalten, so Stukkaturen der 1920er Jahre, Parkettböden und ein prächtiges barockisierendes Treppenhaus. Zum anderen fehlt (noch?) eben jene Ausstattung, die das Innere mit dem repräsentativen schlossartigen Äußeren in Einklang bringt. Vergebens sucht das wache Auge Spuren und Hinweise auf die reiche Geschichte, nüchtern, ja ein wenig kahl wirken die Innenwände.

Muldenstein ist hier kein Einzelfall, dies sei zur Verteidigung vorgebracht. Unsere Burgen, Schlösser und Herrenhäuser waren bis 1945 reich angefüllte Kunstkammern, der furchtbare Krieg mit all seinen Folgen hinterließ leere und vor allem leblose Hüllen. Was marodierende Soldaten und Plünderungen überstand, eignete sich der Staat in seiner "Schlossbergungsaktion" an.

Im Zuge der Bodenreform enteignete Besitzer von Schlössern, Burgen und Herrenhäusern mussten diese nämlich verlassen, ohne das Inventar mitnehmen zu dürfen. Da rechtlich unklar war, wie die Eigentumsverhältnisse an den Kunstgütern, Mobiliar, aber auch an Bibliotheken und Archiven zu handhaben sind, wurde für die sowjetische Besatzungszone eine "Anordnung über die Sicherstellung und Verwertung des nichtlandwirtschaftlichen Inventars der durch die Bodenreform enteigneten Gutshäuser" verabschiedet. Nun wurden von 1946 bis 1949 die ehemaligen Herrensitze wie Muldenstein systematisch aufgesucht und deren Inventar, soweit zu diesem Zeitpunkt noch nicht zerstört oder geplündert, herausgeholt und in Museen, Archiven und Bibliotheken untergebracht. Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte bildete es - aus dem historischen Zusammenhang gerissen - den Grundstock vieler Museen in der DDR, Kulissenmaterial für Theaterproduktionen bis dahin gehend, dass es zu bewussten Zerstörungen aufgrund von Platzmangel kam.

Andere Kunstschätze aus den ostdeutschen Schlössern und Herrenhäusern wurden zur Beschaffung von Devisen auf westlichen Kunstmärkten veräußert. Nach heute geltendem Recht steht den ehemaligen Eigentümern und ihren Erben das Inventar der Herrensitze zu. Voraussetzung ist, dass sie ihr Eigentum finden und nachweisen können, dass es sich 1945 in ihrem Besitz befunden hat. Eine zweifellos schwierige Aufgabe. Eine schwierige Aufgabe könnte auch in wenigen Jahren auf den Ortschafts- und Gemeinderat von Muldenstein / Muldestausee zukommen. Wird es sich die Kommune weiter leisten können und wollen, das historische Objekt zu bewirtschaften und finanziell zu tragen?

Als "Soziokulturelles Zentrum" dient das Herrenhaus heute und bietet einer Vielzahl von Vereinen ein Dach über dem Kopf. Daneben kann man hier große und kleine Feiern ausrichten, eigentlich eine insgesamt gute Nutzung. Doch muss allen klar sein, dass dies auf Dauer wohl ein Zuschussgeschäft für die Kommune bleibt. Dies ist nicht unnormal und wenn es vom Bürgerwillen getragen wird, auch legitim. Aber es muss klar sein: Zum Null-Tarif ist der Luxus eines kommunalen Herrensitzes nicht zu haben.