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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Drahtseilakt in über 30 Metern Höhe

Von DETMAR OPPENKOWSKI 17.11.2010, 17:13

BITTERFELD/GREPPIN/MZ. - Heiko Jähn und seine Männer müssen in ihrem Job vor allem eins sein - schwindelfrei. Derzeit ziehen die zehn Mitarbeiter der "GA Hochspannung Leitungsbau" zwischen Bitterfeld und Greppin Hochspannungsleitungen. Um Alt gegen Neu auszutauschen, müssen sie mindestens 30 Meter in die Höhe. "Das Hantieren auf den Masten ist anspruchsvoll", so Obermonteur Jähn, der über Funk die Arbeiten zwischen dem Masten in Greppin und dem in Bitterfeld koordiniert. Besondere Herausforderung: Zwischen den 233 zu überbrückenden Metern verläuft die Eisenbahntrasse. Zwölf Leitungen gilt es in Summe auf diesem Teilstück über den "elektrisierten Eisenbahnleitungen" zu erneuern. Dafür müssen auf beiden Seiten jeweils zwei "Steiger" den Mast erklimmen, zwei Mann bilden zusätzlich in jedem Team das "Bodenpersonal". "Sicherheit hat hier oberste Priorität, sprich: Die Arbeiter sind in dieser Höhe mehrfach gesichert." 7.30 Uhr ist Arbeitsbeginn. Bis die Dunkelheit einsetzt, bleibt nun Zeit, die Isolatoren abzumontieren, die alten Leitungen zu lösen und die neuen über die Strecke zu ziehen. Wegen der besonderen Situation werden sie nicht im Bündel - also jeweils zwei Leitungen - erneuert, sondern nur einzeln. Dafür wird zuerst ein Transportkorb nach oben gezogen, in dem sich einer der "Steiger" setzt. Mit ihm entfernt er die Abstandshalter, die je zwei Stromleitungen auf Distanz zueinander halten. Dann wird er mit einem Seil wieder zum Masten gezogen.

Jetzt kann die alte Hochspannungsleitung gelöst werden. Zwischen ihr und der neuen Leitung wird ein "Ziehstumpf" befestigt, so kann beim Herunterziehen der alten gleich die neue Leitung nachgezogen werden. Dabei wird zusätzlich ein Sicherungsseil eingesetzt. Über riesige Winden werden die neuen Hochspannungsleitungen abgerollt und Meter für Meter zwischen den beiden Masten gespannt.

Das alles erfolgt schnell und lautlos. Nur einige kurze Funkkommandos erklingen zwischendurch. "Für diese Arbeit ist es wichtig, dass das Team eingespielt ist und sich jeder auf jeden verlassen kann", sagt Jähn mit einem zufriedenen Blick nach oben. Seit Juni sind die Hochleitungsmonteure aus Korbußen in Thüringen schon in der Region.

Mit dem Mast 5 in Zschornewitz haben sie begonnen. Bis Dezember wollen sie Mast 40 in Bitterfeld erreicht haben. Diese Maßnahme ist von der "Envia Netz" in Auftrag gegeben worden, die im Bauabschnitt I die Hochspannungsleitungen von Zschornewitz bis Bitterfeld erneuert. "Hauptgründe sind alters- und witterungsbedingte Verschleißerscheinungen sowie die erhöhte Stromeinspeisung aus Windkraft-, Photovoltaik- und Biomasse-Anlagen", sagt Envia-Pressesprecher, Stefan Buscher. Vorgesehen sei eine komplette Sanierung der Hochspannungsleitung von Marke über Bitterfeld nach Piesteritz, ein Wechsel der Leiterseile und eine Gewährleistung der möglichen Betriebstemperatur der Leiterseile von 60 und abschnittsweise auch 80 Grad Celsius. Mit der Maßnahme werde die Qualität der Stromversorgung in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg nachhaltig erhöht.

Die zu erneuernde Hochspannungsleitung habe insgesamt eine Länge von 70 Kilometern, so Buscher weiter, dabei erstrecke sich deren Modernisierung über sechs Bauabschnitte und werde sich voraussichtlich bis 2015 hinziehen. Die im ersten Bauabschnitt zwischen Zschornewitz und Bitterfeld erneuerten Leitungen haben eine Länge von 11,5 Kilometer. Die Kosten hierfür belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro.

Eine anspruchsvolle Aufgabe also, wie Obermonteur Heiko Jähn eingangs sagte. Doch wie gefährlich ist die Arbeit in 30 Metern Höhe? "Die Leitungen sind natürlich tot", sagt Jähn, "der Strom wird während des gesamten Zeitraums durch ein Kabel überbrückt. Unsere tagtäglichen Herausforderungen sind also eher der Wind und das Wetter."

Doch sein Team arbeite nun bereits über viele Jahre zusammen und bringe sowohl die notwendigen Erfahrungen also auch die erforderliche Vorsicht für diese Arbeit mit. "Jeder von uns ist entsprechend geschult und wird alle zwei Jahre medizinisch durchgecheckt." Zwar habe man hier oben verständlicherweise keinen festen Boden unter den Füßen, aber "das ist für uns mittlerweile so normal wie die Luft zum Atmen."