Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Das schönste Schloss im Umkreis
BURGKEMNITZ/MZ. - "Gott gebe Gnade, Friede und Recht, dass es bleibe bei diesem Geschlecht" - ein frommer Wunsch war es, den Hans Heinrich v. Bodenhausen 1696 über das Portal des Herrenhauses setzen ließ. Im Wesentlichen ging er für 250 Jahre in Erfüllung.
Die Ursprünge des Burgkemnitzer Adelssitzes verlieren sich im Dunkeln der Geschichte. Eine noch aus slawischer Zeit stammende Burg wird als Ursprung des Rittergutes angesehen. Ihre Stelle verorten die einen im sumpfigen Gebietnördlich des Ortes, die anderen auf dem Platz der heutigen Schlossanlage. Möglicherweise haben ja beide Parteien recht, denn die Veränderung eines Burgplatzes kam bis zum späten Mittelalter häufiger vor, als man denkt. Slawischen Ursprungs waren auch die ersten bekannten Besitzer des Adelssitzes. Zunächst gehörte Burgkemnitz den Rabiel, die auf Pouch saßen und auch das nahe Schköna innehatten. Simon Rabiel schließlich veräußerte 1549 den Ort an Jacob v. Koseritz, Rat des gewesenen Kurfürsten Johann Friedrich der Großmütige. Auch die folgenden Generationen der Koseritz bekleideten Stellungen bei Hofe. Herausragender Vertreter war der Enkel Daniel.
Dieser besuchte ab 1584 zunächst die Wittenberger Universität, nach dem Tode des Vaters das Gymnasium illustre im anhaltischen Zerbst. Hauptsächlich waren es juristische Kenntnisse, die er als Student erwarb. Burgkemnitz wurde in dieser Zeit schlecht verwaltet und befand sich schließlich in derart desolatem Zustand, dass der Konkurs des Gutes anstand. Deshalb übernahm Daniel selbst mit seinen Brüdern die Bewirtschaftung des Gutes, und zwar solchergestalt, dass sich einer um das Vieh, einer um den Ackerbau und Daniel sich um den Wald kümmerte. In dieser Zeit waren sie wie viele Landadelige wohl eher Bauern als stolze Krieger. 1604 teilten die Brüder das Erbe, wodurch für kurze Zeit die Güter Neu-Kemnitz im unteren Teil des Ortes und Burg-Kemnitz mit dem alten Adelssitz entstanden.
Nun war es Zeit, in den Ehestand zu treten und Daniel vermählte sich 1607 mit Martha v. Köler, deren Familie in Priorau und Muldenstein saß. 1617 wurde der väterliche Besitz wieder vereint. Daniel gelang es nicht nur, die Schulden abzubauen, sondern auch den Besitz ansehnlich zu vermehren. Daneben erwarb er sich einen guten Ruf bei der Lösung juristischer Konflikte, so dass man ihm schon 1614 zugleich die Positionen eines kurfürstlichen Rates, Hofrichters und Hauptmann dreier Ämter angetragen hatte.
In den nächsten Jahrzehnten gab es kaum ein juristisches Feld, das man nicht vom Burgkemnitzer beackern ließ: Steuersachen, Grenzstreitigkeiten, Beziehungen zum Reich und zu anderen Fürstenhäusern. Keine Frage - Daniel v. Koseritz war des Kurfürsten Mann im Wittenberger Raum. Ein "trewer Patriot des Landes" nannte man ihn. Nach dem frühen Tod seines Sohnes Hans Jacob fiel Burgkemnitz an den Enkel Hans Heinrich.
Der dreijährige Knabe wurde mit den Söhnen der Familie v. Bodenhausen in Radis erzogen. Als Halbwüchsigen ließ man ihn in Göttingen, Gießen und Wittenberg studieren. Nun ist Hans Jacob fast bereit für die Übernahme des väterlichen Erbes, nur ein wenig über den Tellerrand soll er noch schauen. Er geht auf Kavalierstour, begleitet durch einen Fähnrich, der ein Auge auf den Erben haben soll. Manchmal setzt man Dinge genau dadurch in Bewegung, dass man sie vermeiden will. Der Fähnrich ist es, der Hans Jacob am 31. Mai 1669 ermordet und ausraubt. Zwar richtet man ihn noch im gleichen Jahr, doch das macht den Mord nicht ungeschehen. Für die Familie v. Koseritz bricht daraufhin die Burgkemnitzer Welt zusammen, Zahlungen können nicht geleistet werden. Man verpfändet den Besitz auf Jahre an Bodo "den Hübschen" v. Bodenhausen aus Görzig, der eine Schwester des Mordopfers geheiratet hatte.
Schließlich, als sich die Finanzsituation der Koseritz nicht bessert, wird Burgkemnitz an Bodo v. Bodenhausen endgültig verkauft. Nun, als vollwertige Eigentümer, beginnen die Bodenhausen 1696 mit einem Neubau des Herrenhauses. Eine barocke Dreiflügelanlage entsteht. Inwieweit mittelalterliche Baureste einbezogen wurden, müsste noch erforscht werden. 1709 ist der Neubau weitestgehend abgeschlossen.
Das heutige Erscheinungsbild wurde aber ganz wesentlich im 19. Jahrhundert geprägt. Der spätere Landrat von Bitterfeld, Hans Bodo v. Bodenhausen, ließ das Haus seiner Ahnen um 1870 großzügig umbauen. Prägte vorher ein hohes Walmdach das Aussehen, erhielt vor allem die dem Park zugewandte Südseite ein lünettenbekrönten Mittelrisalit und markante Ecktürme, die stark an die Schlösserlandschaft an der Loire erinnern. Neben einer historisierenden Neugestaltung der Innenräume ging Hans Bodo auch den Park an. Dieser gehört zu den großen Anlagen des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Über 14 Hektar erstreckt sich seine von Seen durchzogene Fläche.
Das der Park stets älter wirkte, als er tatsächlich ist, ist einem Kunstgriff zu verdanken: Bei seiner Anlage wurde Wert darauf gelegt, den alten, von Natur aus vorhandenen Baumbestand, zu integrieren. Bäume nahmen auch bei der Bewirtschaftung des Burgkemnitzer Gutes einen überragenden Stellenwert ein. Denn die Forstwirtschaft war das wichtigste Standbein. Von den insgesamt respektablen 2 080 Hektar Grundbesitz waren ganze 1 477 Hektar Waldfläche. 1945 wurden Rittergut und Schloss im Zuge der Bodenreform enteignet. Die Familie v. Bodenhausen kam bei ihrem Förster unter, wurde dann aber aus Burgkemnitz ausgewiesen.
Das Schloss diente zunächst als Erholungsheim der Farbenfabrik Wolfen. Bald aber fand die SED, die alles beherrschende Partei im Arbeiter- und Bauernstaat, selbst Gefallen am feudalen Ambiente. Das Schloss wurde zur SED-Parteischule. Zaun, Stacheldraht und bewaffnetes Wachpersonal schirmten in Burgkemnitz die SED vom real existierenden Sozialismus ab. Mit der Wende übernahm der Landkreis das Objekt für 1 DM, um es umgehend der Caritas für 99 Jahre zu verpachten. Die nutzte es bis 2002 als Wohn- und Pflegeheim für geistig Behinderte.
Im Moment erscheint es aber fraglich, ob beide Seiten ihre vertragsgemäßen Pflichten erfüllen. Denn seit der Errichtung eines Neubaus unmittelbar neben dem Schloss steht dieses leer. Und verfällt vor den Augen aller Beteiligten. Das einstige Schmuckstück hat nicht nur deutlich bessere Zeiten gesehen. Wer einmal um das Schloss herumgeht, mag sich gerade um den Erhalt des Nordflügels seine Gedanken machen. Die Möglichkeit, für eine Schlossnutzung und -sanierung einen Fremdinvestor nach Burgkemnitz zu holen, hat man aber wahrscheinlich mit dem Neubau vergeben. Es bleibt also am Eigentümer, dem Landkreis, und am Pächter, der Caritas, eine Lösung zu finden. Das vor Jahren diskutierte Ferienhotel, das auf die Bedürfnisse Behinderter zugeschnitten ist, dürfte nicht die schlechteste Variante sein.