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24. September 1983 24. September 1983: Schmieden für den Frieden

Von Irina Steinmann 23.09.2003, 15:44

Wittenberg/MZ. - Am Dienstag, das war der 24. September 1983, ein Schwert, umgeschmiedet zur Pflugschar vor den Augen von vielleicht 2 000 auf dem Wittenberger Lutherhof. Gegen Pershing zwo und SS 20, die kalte Logik des Rüstungswettlaufs. Heute - gibt es nur noch eine Supermacht, aber die Welt ist deshalb nicht friedlich geworden. Krieg ist selbstverständlicher und Terrorismus bedrohlicher als vor Jahren. "Wie kommen wir da wieder raus?" Schorlemmers Antwort heißt Uno. "Wir können die Welt nur mit der Stärkung des internationalen Rechts sichern." Deshalb werden sie in Wittenberg jetzt wieder schmieden für den Frieden, und deshalb soll "Spieße zu Winzermessern" auch mehr sein als eine Weißt-du-noch-Veranstaltung. "Eine fröhlich-ernste Angelegenheit" verspricht sich Schorlemmer (siehe "Drei Tage . . .").

Aber Gedenken macht natürlich auch Freude. Schorlemmer wickelt die Pflugschar aus dem leise raschelnden Seidenpapier. Nach einem Ausflug ins Museum befindet sie sich wieder in seiner Obhut. "Weizsäcker war der geheime Schirmherr der Schmiedeaktion", erklärt sich der Bürgerrechtler, damals Dozent am Predigerseminar, das Nicht-Eingreifen der Staatsmacht. Richard von Weizsäcker, Regierender Bürgermeister West-Berlins, Abgesandter der Evangelischen Kirche Deutschlands auf dem regionalen Kirchentag und designierter Bundespräsident, besuchte an jenem Samstagabend einen Empfang im benachbarten Predigerseminar, und auch die West-Presse war gut vertreten. Medien-Öffentlichkeit als Schutzschild in einem Land, das keine kannte.

Nur ein paar Andeutungen des Pfarrers Schorlemmer im Gottesdienst hatten die, die es hören wollten, auf die Spur gebracht, dass sich Spannendes tun werde auf dem Luther-Hof. Der Rest war Mundpropaganda. Ob er Angst hatte? "Nee", sagt Schorlemmer, "da war nur Glück." Von Glück reden auch andere, die damals dabei waren und nicht unbedingt zum engen protestantischen Zirkel gehörten. "Ich fühlte mich verstanden und zugehörig, ein emotionales Erlebnis", erinnert sich Stadtrat Reinhard Lausch, der Knatsch mit seiner Chefin im Kulturhaus riskiert hatte. "Dieser Kirchentag", sagt der damals in der Chemie tätige und "katholisch erzogene" Hans-Peter Bergmann, Haustechniker der Evangelischen Akademie, "war befreiend. Man hatte wieder Mut" in einer Zeit, in der man sich ständig fragte: "Reist man aus, setzt man ein Kind in die Welt?" Später trug das Westfernsehen die Wittenberger Friedensbotschaft in alle Welt. Es war, gewollt oder nicht, der Anfang vom Ende der DDR.

Vor einigen Tagen hat Friedrich Schorlemmer mit "seinem" Stasi-Major gesprochen. "Wir haben es doch gewusst", habe der Mann behauptet. Ob das stimmt? Schorlemmer zuckt die Schultern. Feinde von gestern. "Ich möchte den Menschen erlauben, sich zu wandeln."