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Von Lords in Strumpfhosen verzückt

12.02.2006, 18:56

Nienburg/MZ/sw. - Mit gerötetem Gesicht kehrt sie zum Tresen zurück. Ein Radler, Glas Sekt, Whiskey-Cola. Weiter geht's. Die Leute im Saal bekommen davon wenig mit, verfolgen nur das Programm auf der Bühne: "Es ist ja ganz schön, wenn ihr uns aufmerksam zuhört. Aber heute dürft ihr ruhig etwas aus euch rausgehen", ist es Hagen Nimmig eindeutig noch zu leise. Der zweite Vorsitzende des hiesigen Carnevalsclubs (NCC) versucht es mit "Die Hände zum Himmel".

Hinter der Bühne steigt die Aufregung bei der Frauengruppe. Gleich sind sie dran. "Jemand musst mich noch festtackern!", ruft die Frau während sie sich die Stoiber-Maske überstülpt. Anett Schöne zieht sich noch einmal den Lippenstift nach. Sybille Friese, alias Gerhard Schröder, hilft dabei. Ein gieriger Zug an der Zigarette, ein letzter Schluck Mut, dann geht es auf die Bühne. Die Frauen stehen bei der Politikershow ihren Mann und nehmen das Publikum mit zum "Highway to hell". Von Aufregung ist bei den Männern, von denen vier seit 20 Jahren im Männerballett mittanzen, nichts spüren. Eine Stunde vor ihrem Auftritt machen sie noch keine Anstalten sich umzuziehen.

"Die schaukeln sich nachher schon gegenseitig hoch", verrät Trainerin Ines Gerlach. Seit fünf Jahren hören die zehn Männer auf ihr Kommando. Noch genießen sie die schöne Aussicht aus ihrer Umkleidekabine, in der sich zu DDR-Zeiten die Technik befand. Durch eine kleine Luke verfolgen sie das Programm. Unten geht gerade wieder ein "Die Hände zum Himmel" durch den Saal. Plötzlich haben es die Männer doch eilig, versuchen sich in die Strumpfhosen zu zwängen: "Wo ist denn hier vorn?", fragt Frank Gerlach während er das Stück Stoff dreht und wendet. Aber auch dafür ist seine Frau da. Sagt den Männern, wo sie hinein zu schlüpfen haben. Ein Kollege hat ein anderes Problem: Eine Laufmasche. "Na, zum Glück haben wir noch eine da", beruhigt Frau Gerlach.

Im Nu haben sich dann doch zehn erwachsene Männer in Frauen verwandelt: Ganz Frau müssen gleich zwei, drei Männer auf einmal auf die Toilette... Aber ganz so weib(ch)lich wollen sie sich dann doch nicht geben: Egal, wie kalt es draußen ist - sie gehen um das Klubhaus, damit sie die Leute im Saal (noch) nicht in dieser Aufmachung sehen. Die letzte Anweisung kommt von der Trainerin: "Ihr sollt euch auf euch konzentrieren und nicht auf den Nachbarn!" Jetzt kann sie nichts mehr ausrichten, zittert nur noch an der Bühne mit "ihren" Männern mit.

Und schon erklingen die zarten irischen Flötentöne und die mehr oder weniger zarten Männerbeine schweben im Takt der Musik als "Lords of the Dance" über die Bühne. Dafür haben sie seit April, immer Sonntagvormittag, geprobt. Die Menge tobt. Den Männern rinnt der Schweiß übers Gesicht. Geschafft. Oder doch nicht? Die Leute hält es schon längst nicht mehr auf den Sitzen. "Zugabe!" brüllen sie.

Noch einmal heizen die Männer im Steppschritt über die Bühne. Jetzt strecken die Leute die Hände freiwillig zum Himmel - außer, sie halten gerade ein Helles in der Hand.