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Unterkunft für Flüchtlinge Unterkunft für Flüchtlinge in Bernburg: Bund der Steuerzahler nennt Handeln der Landesregierung "völlig konzeptionslos"

Von Torsten Adam 10.01.2019, 12:56
Während das leerstehende Parforcehaus in Bernburg den Steuerzahler dieses Jahr 890.000 Euro kostet, mietet das Land für 650.000 Euro eine weitere Immobilie in Bernburg als Flüchtlingsunterkunft an.
Während das leerstehende Parforcehaus in Bernburg den Steuerzahler dieses Jahr 890.000 Euro kostet, mietet das Land für 650.000 Euro eine weitere Immobilie in Bernburg als Flüchtlingsunterkunft an. Engelbert Pülicher

Bernburg - Die Kosten für die Anmietung des ehemaligen Bettenhauses auf dem Ameos-Klinikgelände sind höher als bisher bekannt. Für die Unterbringung von rund 150 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen ab März gibt Sachsen-Anhalt in diesem Jahr 650.000 Euro aus, wie Wolfgang Borchert, Sprecher des Finanzministeriums, auf MZ-Nachfrage mitteilte.

Eine Sprecherin des Innenministeriums hatte im November noch angegeben, dass die Miete nur halb so hoch sei wie im leerstehenden Parforcehaus, wo der Salzlandkreis bis zum Mietvertragsende am 30. November 2019 noch 850.000 Euro zahlen muss.

Land Sachsen-Anhalt gibt rund 920.000 Euro mehr aus

Nach MZ-Berechnungen würde das Land für die Jahre 2019/20 genau 920.000 Euro mehr ausgeben als bei einer Einmietung im Parforcehaus. Ralf Seibicke vom Bund der Steuerzahler bezeichnete das Vorgehen des Landes als „völlig konzeptionslos“.

Eine erneute Unterbringung von Zuwanderern im ehemaligen Hotel lehnt das Land mit der Begründung ab, dass dort angeblich erhebliche Mängel beim Brandschutz bestehen. „Beispielsweise müssten zur Herstellung des zweiten baulichen Rettungsweges zwei bis drei Treppentürme errichtet werden.

Außerdem müsste das innenliegende Treppenhaus ertüchtigt werden, indem es rauchdicht gegenüber den Geschossebenen abgeschlossen wird“, so Borchert.

Hotelier Lutz Eisfeld machte Land ein Angebot

Hotelier Lutz Eisfeld, ab Dezember 2019 Eigentümer der Immobilie, hatte nach dem Kauf im vergangenen Sommer indes betont, dass „insbesondere baulich und technisch alles in Schuss“ ist und keine größeren Umbauten für eine mögliche Wiederinbetriebnahme als Hotel nötig sind.

Eine Besichtigung des Hauses durch die MZ bestätigt diese Darstellung. „Ohne die Anbringung einer Außentreppe als Fluchtweg darf ich 87 der 101 Zimmer wieder für Hotelzwecke nutzen“, sagt er. Diese Auskunft habe er vom Bauordnungsamt des Salzlandkreises erhalten.

Eisfeld: Landes-Argument „an den Haaren herbeigezogen“

Die Begründung des Landes sei „an den Haaren herbeigezogen“. Tatsächlich habe ihn der Landesbetrieb Bau- und Liegenschaftsmanagement erst auf öffentlichen Druck hin eine Woche vor Weihnachten kontaktiert und um ein Angebot gebeten.

„Das habe ich eingereicht. Mein Mietzins liegt um mehr als die Hälfte niedriger als die Konditionen, die der Salzlandkreis jetzt zahlt“, so der Hotelier. Dennoch kam kein Vertrag zustande. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass die Herrschaften ernsthaft mit mir verhandeln wollen.“

Warum das Land lieber einen teureren Mietvertrag mit Ameos abschließen will, ist für Lutz Eisfeld nicht nachvollziehbar. Wie die meisten Bernburger empfinde er dies als sehr sonderbar.

Salzlandkreis hatte Parkhotel als Flüchtlingsheim gemietet

Um den Brandschutzauflagen Folge leisten zu können, hatte der Salzlandkreis, der das Parkhotel ab Dezember 2015 für vier Jahre als Flüchtlingsheim anmietete, statt der geplanten 400 nur maximal 200 Asylbewerber einquartiert.

Wieso soll das Haus nun für 150 Menschen nicht taugen? Neben Brandschutz-Mängeln verweist Ministeriumssprecher Borchert auf „erforderliche bauliche Veränderungen zur Unterbringung von Familien mit Kindern“.

Er sagt zwar, dass Ausnahmegenehmigungen zur Unterbringung von Asylbewerbern, welche aus der angespannten Lage in den Jahren 2015/16 resultierten, jetzt nicht mehr möglich seien. Gleichwohl verweist er darauf, dass die zuständige Genehmigungsbehörde der Salzlandkreis ist.

„Wiedernutzung ... wäre in jedem Fall ... zu genehmigen“

Nur sie könne „zu der angedachten Nutzung eine verbindliche Aussage erteilen“. Diese liegt seit Mittwoch der MZ vor: „Eine Wiedernutzung des Objektes, zu welchem Zweck auch immer, wäre in jedem Fall bauordnungsrechtlich ganz konkret zu betrachten und zu genehmigen“, teilte Kreissprecherin Marianne Bothe mit.

Im Klartext: Eine erneute Einquartierung von Flüchtlingen im Parforcehaus wäre - anders als vom Land behauptet - durch den Brandschutz nicht ausgeschlossen. Bei der Frage, ob die Unterbringung der Flüchtlinge auf dem Krankenhaus-Areal mit der besonderen Ruhebedürftigkeit der Patienten kollidieren könnte, verlässt sich das Land auf Angaben des Vermieters.

Laut Ameos sei der Betrieb hiervon nicht berührt gewesen, als dort an gleicher Stelle 2015/16 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge untergebracht waren. Die Menschen, die demnächst in Bernburg leben sollen, wohnten bis zum Juni 2018 in Klietz, wo sie durch das DRK von einem Arzt, einer Schwester und einer Notfallrettung medizinisch betreut wurden.

Seit der Kündigung der altmärkischen Unterkunft sind sie laut Borchert in Erstaufnahmeeinrichtungen in Halberstadt und Magdeburg, wo ihre „vollständige richtlinienkonforme Unterbringung“ nicht gewährleistet werden könne. Besonders prekäre Fälle seien deshalb vorzeitig auf Kommunen verteilt worden. (mz)