Bernburg Tiergarten Bernburg: Tiere-Zählen für den Artenschutz

Bernburg - Der Jahreswechsel ist nicht nur für viele Unternehmen die Zeit der Inventur - auch im Tiergarten Bernburg wird eine Bestandsaufnahme aller hier lebenden Geschöpfe vorgenommen. „Die Zählung aller Tiere dauert in der Regel mehrere Tage“, erklärt Tiergarten-Leiter Andreas Filz.
Das Ergebnis werde dann mit den täglichen Berichten der Tierpfleger verglichen. „Da gibt’s wenig Überraschungen“, sagt er zu der eher unspektakulären Arbeit, die dennoch erledigt werden muss, meist nebenbei oder auch mal nach Feierabend. Andreas Filz setzt sich dann an seinen Schreibtisch und überträgt die erfassten Daten in Tabellen in seinem Computer. Wann welche Tiere geboren oder gestorben sind, ob sie abgegeben oder aus anderen Zoos aufgenommen wurden, welche Krankheiten sie hatten und wo genau sie bisher im Tiergarten untergebracht waren - alles muss dokumentiert werden.
Hilfe bei der Tierdaten-Verwaltung gibt eine internetgestützte Datenbank, die eine weltweite Vernetzung von Zootierdaten ohne Verzögerung ermöglicht. Das ist auch notwendig, denn schließlich beteiligt sich der Bernburger Tiergarten an mehreren europäischen Erhaltungszuchtprogrammen.
Mehr als 20 Jungfische
Die Freizeiteinrichtung ist nicht nur dafür da, um große und kleine Besucher zu erfreuen, sondern auch Helfer des Artenschutzes. Etliche bedrohte Tierarten haben hier ihr Zuhause. Wie der Madagaskar-Buntbarsch. „Uns ist es im vergangenen Jahr erstmals gelungen, ihn im Gesellschaftsbecken nachzuzüchten“, erklärt Andreas Filz.
Die mehr als 20 Jungfische sind inzwischen an den Zoo im tschechischen Pilsen abgegeben worden, haben die Bernburger doch mit sechs erwachsenen Buntbarschen im Afrikahaus-Aquarium selbst ausreichend Exemplare dieser seltenen Süßwasserfischart, die in freier Natur nur in Flüssen und Seen Madagaskars vorkommt. Und auch deshalb bedroht ist, weil sie wegen ihres eher unscheinbaren Aussehens nicht von vielen Privatzüchtern gehalten wird.
Vogelfutter als Brautgeschenk
Ebenfalls eine Premiere ist der Nachwuchs bei den Rotschnabeltokos gewesen. Vier Junge hat es bei den in Afrika beheimateten Vögeln gegeben. Das Brut-Prozedere ist durchaus ungewöhnlich. „Nach der Balz bringt der Vater als Brautgeschenk Futter, dann mauern die Partner gemeinsam den Nistkasten zu, in dem das Weibchen sitzt und wo nur ein kleiner Spalt offen bleibt“, beschreibt Filz. Nach dem Schlüpfen bleiben die Jungvögel relativ lange im Nest, anfangs noch mit der Mutter. Der Vater sorgt derweil die ganze Zeit für die Verpflegung der Familie.
Ein Junges ist mittlerweile an den Zoo im schweizerischen Basel abgegeben worden, ein weiteres an einen Privatzüchter. „Von solchen Kooperationen profitieren wir, denn wir kriegen auch mal ein Tier zurück“, erklärt der Tiergarten-Leiter die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit privaten Haltern, die keine Einbahnstraße sei. Auch die Reiseziele für die beiden derzeit noch in Bernburg verbliebenen Rotschnabeltoko-Kinder stehen fest: Eines soll nach Spanien, ein anderes zusammen mit einem Altvogel ins hessische Herborn.
1071 Tiere leben im Tiergarten
Die jüngste Inventur hat ergeben, dass in der achteinhalb Hektar umfassenden Anlage im Krumbholz 1071 Tiere in 127 Wildtierarten und Haustierrassen leben - immerhin 48 mehr als vor Jahresfrist. Die größte Gruppe stellen die Fische mit 350 Exemplaren, gefolgt von 271 Vögeln und 199 Säugetieren. Die 26 Reptilien und 10 Amphibien nehmen sich dagegen in ihrer Vielfalt deutlich bescheidener aus.
„Hinzu kommen noch ein paar Wirbellose, hauptsächlich Kongo-Rosenkäfer und Achat-Schnecken“, erläutert Andreas Filz die Statistik. Die Bestandsaufnahme hat auch ergeben, dass eine Tierart fehlt. Es ist die in Zoos selten zu sehende Kupferspiegelente. Der Tiergarten hat sein letztes Exemplar an einen Züchter ausgeliehen - in der Hoffnung, durch eine erfolgreiche Paarung Nachwuchs der in Patagonien heimischen Entenart zurückzuerhalten.
Züchten auf Bestellung funktioniert jedoch nicht, betont der Tiergarten-Leiter und adaptiert dafür eine Erkenntnis der Geschichte ins Tierreich: „Planwirtschaft führt in den Abgrund.“ Ein Beispiel: Weil es zeitweise in den Zoos zu viele Braunbären gab, sei deren Fortpflanzung allgemein eingeschränkt worden. Mit Folgen. Heutzutage sei es schwieriger geworden, einen Braunbären zu bekommen.
Ein Bär ist kein Fußball-Profi
Aber genau vor dieser Herausforderung steht der Tiergarten mittelfristig. Denn drei der vier Vertreter des anhaltischen Wappentieres sind schon in betagterem Alter. 30 bis 40 Jahre beträgt ihre Lebenserwartung. Die am Schlossberg untergebrachten Wurfgeschwister Bonny und Benji haben 27 Jahre davon hinter sich. Und auch Olinka, die mit ihrem 14-jährigen Sohn Scholle auf der Anlage im Tiergarten lebt, ist mit 21 nicht mehr die Jüngste.
Sollte einer der Bären sterben, müsste sicher frisches Blut besorgt werden. Filz ist überzeugt davon, dass die meisten Bernburger auf ihre Bären nicht verzichten wollen. Derzeit beschäftigt er sich aber nicht mit diesem Thema. Schon allein deswegen nicht, weil Meister Petz anders als ein Fußball-Profi nicht so lange irgendwo zwischengeparkt werden kann, bis er benötigt wird. „Ich fürchte, dazu fehlen uns die Millionen“, sagt Filz schmunzelnd. (mz)