Zwischen Realität und Wahnsinn Theaterstück Bretter die die Welt bedeuten feiert Samstag Premiere in Bernburg: Vorerst letzte Aufführung wegen Corona

Bernburg - „Theater, Theater... das ist wie ein Rausch, und nur der Augenblick zählt“, heißt es in einem berühmten Schlager von Katja Ebstein. Auf jenen Augenblick sollten sich die Zuschauer am Samstagabend einlassen, wenn die Theatergruppe Mona Lisa mit Jena-Paul Alègres „Bretter, die die Welt bedeuten“ im Bernburger Carl-Maria-von-Weber-Theater auf die Bühne und hinter die Kulissen entführt.
Es bleibt wohl wegen der jüngst beschlossenen Corona-Einschränkungen, von denen auch die Theater betroffen sind, die vorerst einzige Gelegenheit.
Dafür dürfte es aber eine sehr vergnügliche Zeit werden, denn die Zuschauer bekommen einen seltenen Einblick in die Theaterwelt, die nicht immer so glanzvoll ist, wie sie scheint. Wobei sich hier Realität und Wahnsinn immer wieder vermischen.
Da fliegen schon mal die Fetzen. Da geht es um Neid und Missgunst zwischen den Protagonisten, um die Vermischung von Bühnen- und Privatleben, aber auch um die Diskrepanz zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Idealen der Schauspieler.
Dies alles aber immer überspitzt, skurril und mit einer gehörigen Portion Humor. Wenn zum Beispiel zwei Schauspieler Opfer (Ricarda Hellmann) und Einbrecher (Stefan Förster) mimen und die Dialoge gar nicht zur Szene passen:
Mit einem Messer bewaffnet fragt das Opfer: „Wer ist der Verräter?“ Und der als Zorro verkleidete Einbrecher mit Pistole in der Hand antwortet: „Woher soll ich das wissen?“ Und dann kommt auch noch ein kapriziöser Regisseur (Thomas Sturm) ins Spiel, der verlangt, die Dialoge müssten kürzer gehalten werden.
Auch eine Make-up-Tube, ein Kostüm und ein Vorhang spielen mit
In den insgesamt 14 Szenen kommen aber auch eine Make-up-Tube (Marie-Maxence Guyenot), ein Kostüm (Sabrina Hoffmann) und ein alter Vorhang (Ricarda Hellmann) zu Wort. Den meisten dürfte bis dahin nicht bewusst gewesen sein, wie sich diese Accessoires, denen sonst in einem Theaterstück wenig Beachtung geschenkt wird, fühlen.
Für den tumben Schauspiel-Novizen (Christian Müller-Neitzel), der den erfahrenen Kollegen (Mathias Hübener) zur Verzweiflung treibt, jedenfalls ist dies alles zu viel: „Wenn es im Theater immer so zugeht, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Leute zu Hause lieber Netflix schauen.“
Am Ende untersuchen drei Forscher aus der Zukunft die merkwürdige Spezies der traditionellen Theaterbesucher, die am 31. Oktober 2020 versteinert wurden. Dies aber bleibt hoffentlich eine Fantasie und wird keine Realität - trotz Corona.
Mitglieder von „Mona Lisa“ sind mit Leidenschaft und Spielfreude dabei
Die Mitglieder von „Mona Lisa“ spielen so, als gäbe es keinen zweiten Lockdown. Voller Spielfreude. Voller Leidenschaft. Voller Emphase. Dabei schlüpfen fast alle Akteure gleich in mehrere Rollen und es wäre nicht gerechtfertigt, einzelne herauszugreifen.
Allen Beteiligten - dazu gehören Kostüm, Maske, Bühnenbild und Technik-, gebührt ein großes Kompliment, dass sie auch in dieser Situation den Kopf nicht hängen lassen, sondern weiterhin mit vollem Engagement dabei sind, auch wenn es in ihnen anders aussieht:
„Natürlich freuen wir uns auf Samstag, auch wenn im Moment bei mir persönlich die Traurigkeit überwiegt“, sagt etwa Christiane Eckert. „Wir möchten den Gästen natürlich einen schönen Abend bereiten und gemeinsam unserer Leidenschaft nachgehen. Allerdings ’überschatten’ die neuen Regelungen nicht nur unsere kommenden Aufführungen, sondern eben alle kulturellen Veranstaltungen.“
Angst, dass viele Kultureinrichtungen die Zeit nicht überstehen
Sie habe nie daran gedacht, „dass wir das in dieser Form noch einmal erleben und habe nun große Angst, dass viele kulturelle Einrichtungen diese Zeit nicht überstehen“.
Auch Regisseurin Ines Fischer kann ihre Gefühlslage kaum in Worte fassen. Es sei eine merkwürdige Stimmung. Auch sie freut sich auf die Premiere, ist aber zugleich traurig wegen der erneuten Zwangspause. Und dennoch sind sie und das gesamte Ensemble in dieser Situation sehr professionell und lassen die bevorstehenden Einschränkungen - wenigstens für rund zwei Stunden - vergessen. (mz)
