1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bernburg
  6. >
  7. Tag der Deutschen Einheit in Bernburg: Tag der Deutschen Einheit in Bernburg: Das "Einheitsbaby" wird 25

Tag der Deutschen Einheit in Bernburg Tag der Deutschen Einheit in Bernburg: Das "Einheitsbaby" wird 25

Von susanne schlaikier 04.10.2015, 17:56
Vor genau 25 Jahren wurde sie schon einmal für die Zeitung fotografiert: Damals als Baby in den Armen ihrer Mutter Katrin Silex.
Vor genau 25 Jahren wurde sie schon einmal für die Zeitung fotografiert: Damals als Baby in den Armen ihrer Mutter Katrin Silex. engelbert pülicher Lizenz

bernburg - Die Nachricht ihres Cousins auf Facebook hält Lisa Radecke zuerst für einen Scherz. Die MZ würde gern ein Interview mit ihr machen, hatte er angekündigt. Ausgerechnet mit ihr? Ja, denn Lisa Radecke ist etwas Besonderes: Sie ist Bernburgs „Einheitsbaby“. Lisa Radecke kam zwar nicht am 3. Oktober 1990 - dem Tag der deutschen Einheit-, dafür aber zwei Tage später im Kreiskrankenhaus Bernburg zur Welt. Sie ist das erste Neugeborene nach der Wiedervereinigung im Landkreis Bernburg.

Mutter blieb gelassen

Um 0.52 Uhr erblickte Lisa Radecke (damals noch Silex) mit 50 Zentimetern Länge und einem Gewicht von 3620 Gramm das Licht der Welt. Schon damals war das öffentliche Interesse an ihr groß. Doch wie man auf dem Zeitungsfoto sieht, hat sie die Aufregung um sie herum gar nicht wahrgenommen - sondern schlummert friedlich in den Armen ihrer Mama Katrin Silex. „Es hat wohl noch mehr Mütter gegeben, die gehofft haben, ihr Baby würde das erste sein“, weiß Lisa Radecke aus den Erzählungen ihrer Mutter. Doch sie machte das „Rennen“. „Vermutlich auch, weil sich meine Mutter darum gar nicht so viele Gedanken gemacht hat.“ Dabei sah es zunächst sogar danach aus, dass Lisa am Tag der Deutschen Einheit zur Welt kommen würde, denn ihre Mutter war am 3. Oktober mit Wehen ins Krankenhaus gekommen. Doch das Töchterchen ließ sich eben noch zwei Tage Zeit.

Arbeit mit Menschen

So wie der Weg zur Deutschen Einheit nicht geradlinig verlief, so war auch das Leben von Lisa Radecke nicht immer ohne Umwege: Sie hat einiges ausprobiert, unter anderem hat sie früher mal in der Discothek „Bernabeum“ gearbeitet oder als Aushilfe in einer Parfümerie, bis sie zu ihrem heutigen Beruf als Sozialpädagogin gekommen ist. Doch dass sie mit Menschen arbeiten will, das hat die junge Frau, die seit zweieinhalb Jahren mit ihrem Freund Sascha Helmert zusammen ist, schnell gemerkt.

Harte, intensive Jahre

Aber der Reihe nach: Als Einzelkind ist Lisa Radecke behütet in der Moldenhauer Straße aufgewachsen. Sie sei ein kleiner Wildfang gewesen, immer auf Achse. „Ich bin rumgeräubert wie ein kleiner Junge“, erzählt die junge Frau, die vor drei Monaten selbst Mutter eines Sohnes geworden ist. Sie habe damals immer draußen gespielt, bis es dunkel wurde, erinnert sich die 25-Jährige mit einem Schmunzeln. Sie ist in die Paldamus-Schule gegangen, später aufs Gymnasium, das sie aber vorzeitig verließ. Ihren Abschluss hat sie dann aber doch noch an der Fachoberschule für Gestaltung in Köthen gemacht. Und nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr beim Verein Kids hat sie 2012 ein duales Studium in Potsdam begonnen, das sie kürzlich mit dem Bachelor abgeschlossen hat. Jede Woche ist sie zwischen der brandenburgischen Landeshauptstadt und Wiendorf - wo sie beim Verein Kids in der Heimerziehung tätig war - gependelt. Das seien drei harte, intensive Jahre gewesen, sagt Radecke. „Aber ich bin froh, dass ich das durchgezogen habe.“

Die DDR, die kennt das „Einheitsbaby“ nur aus den Erzählungen ihrer Mutter und Großmutter. Sie kennt natürlich die Geschichten vom Anstehen für Bananen, von den beschränkten Reisemöglichkeiten und von den Westpaketen, die es meist nur zu Weihnachten gab. „Aus heutiger Sicht ist das kaum vorstellbar“, sagt sie und ist froh, dass sie diese Zeit nicht erleben musste.

Was genau ist ein "Ossi"?

Lisa Radecke fühlt sich auch nicht als Ostdeutsche, sondern einfach als „Deutsche“. Wobei, während ihres Studiums in Potsdam, habe sie doch die ein oder andere Spitze zu hören bekommen. Doch was genau ein „Ossi“ sein soll, das kann sie gar nicht sagen.

Wie schon Lisa Radecke selbst so wird auch ihr Sohn Emil Manfred, der auf den Tag genau drei Monate alt ist, in Demokratie und Freiheit aufwachsen. Auch bei ihr hatten die Wehen zwei Tage früher eingesetzt ehe Emil am 5. Juli das Licht der Welt erblickte. Seither bestimmt er den Tagesablauf der jungen Familie, die in einer schick eingerichteten Wohnung nahe der Saale lebt. Überall hängen Fotos von Emil und seinen stolzen Eltern. Und obwohl Lisa beruflich schon viel mit Kindern zu tun hatte, so hat sie schnell festgestellt, dass das Leben mit einem eigenen Kind, vor allem wenn es so klein ist, noch einmal ganz anders ist. Zu ihrem 25. Geburtstag heute will die kleine Familie einen Ausflug in den Harz machen. „Es ist schließlich mein erster Geburtstag als Mama und da wollten wir etwas Besonderes machen.“

Lisa Radecke hält ihren drei Monaten alten Sohn Emil Manfred stolz im Arm.
Lisa Radecke hält ihren drei Monaten alten Sohn Emil Manfred stolz im Arm.
engelbert pülicher Lizenz