Strafanzeige gegen die Stadt Bernburg Strafanzeige gegen die Stadt Bernburg: Verdacht der Untreue bei Garagen-Deal

Bernburg - Die Bernburger Verwaltungsspitze hat gegenüber der MZ den fragwürdigen Verkauf des Garagenkomplexes Stauffenbergstraße für einen offenbar zu niedrigen Preis als marktüblich verteidigt.
Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) sagte: „Eine öffentliche Ausschreibung wäre möglich gewesen, ist aber nicht nötig. Die Garagen wurden nicht unter Wert verkauft.“ Gegen diese These sprechen aber gängige Methoden zur Verkehrswertermittlung.
Strafanzeige gegen die Stadt Bernburg: Verdacht der Untreue
Bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg ist derweil inzwischen ein anonymes Schreiben eingegangen, in dem der Absender die Behörde auffordert, aufgrund der bisherigen MZ-Berichterstattung Ermittlungen „gegen die Stadt Bernburg bzw. die dort handelnden Mitarbeiter“ wegen des Verdachts der Untreue aufzunehmen.
Frank Baumgarten, Sprecher der Staatsanwaltschaft, sagte dazu: „Jede Strafanzeige wird dahingehend geprüft, ob sich aus dem Inhalt zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten herleiten lassen. Soweit die Prüfung einen Anfangsverdacht ergibt, werden Ermittlungen eingeleitet.“ Ob dies geschehe, darüber sei noch keine Entscheidung gefallen.
Strafanzeige gegen die Stadt Bernburg: Verkehrswert ist Mindestpreis
Laut Kommunalverfassungsgesetz sind alle Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt verpflichtet, Grundstücke mindestens zum Verkehrswert zu veräußern, außer es gibt triftige Gründe dagegen wie zum Beispiel städtebauliche Aspekte. Wie hoch er für das 2.155 Quadratmeter große Grundstück an der Stauffenbergstraße mit seinen 64 Garagen ist, ist bislang unklar.
Auf ein entsprechendes Wertermittlungsgutachten hatte die Verwaltung „aus Kostengründen“, wie OB Schütze sagt, verzichtet. Stattdessen empfahl sie dem Hauptausschuss des Stadtrates im Dezember 2018, das Grundstück zum Bodenrichtwert von 30 Euro je Quadratmeter zu veräußern.
„Die darauf stehenden Garagen aus DDR-Zeiten sind abgeschrieben“, sagt OB Henry Schütze
Dieser Preis ist nach Auffassung der Verwaltungsspitze höher als der anzunehmende Verkehrswert. Ihr Argument: Da der Bodenrichtwert den durchschnittlichen Wert des unbebauten Bodens der gesamten Region am südlichen Stadtrand angibt, liege der tatsächliche Bodenwert des Garagengrundstücks niedriger als jener in der benachbarten Plattenbausiedlung. „Die darauf stehenden Garagen aus DDR-Zeiten sind abgeschrieben“, sagt OB Schütze.
Sind sie deshalb also nichts mehr wert? Mitnichten! Nach Angaben des bundesweit operierenden Immobilienbewerters Hausgold lässt sich der tatsächliche Wert von Garagen durch die sogenannte Ertragswertmethode ermitteln. Faustformel sei das Sieben- bis Zehnfache der Jahresmiete.
Verkauf für einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes?
An der Stauffenbergstraße verlangt der neue Eigentümer ab 1. Januar 2020 von den durch den Deal enteigneten Nutzern eine Monatsmiete von 40 Euro. Dies macht bei 64 Garagen einen maximalen Jahreserlös von 30.720 Euro. Damit beläuft sich allein der Wert des Garagenkomplexes ohne Grundstück auf 215.040 bis 307.200 Euro. Verkauft hat die Stadt Garagen und Boden zusammen für einen Bruchteil: 64.650 Euro.
Auch das Bundesbauministerium empfiehlt in einer Richtlinie aus dem Jahr 2015 die Anwendung des Ertragswertverfahrens, um von Grundstücken mit Mietimmobilien den Verkehrswert zu bestimmen.
Während die Stadtverwaltung einerseits auf diese Methodik zur Bestimmung eines reellen Kaufpreises verzichtete, beruft sie sich andererseits auf Verkehrswertgutachten in benachbarten Städten für vergleichbare Grundstücke, die deutlich unter dem Bodenrichtwert liegen würden und für die auch nach Ausschreibungen kein Kaufpreis oberhalb des Bodenrichtwerts erzielt worden sei.
Strafanzeige gegen die Stadt Bernburg: Kein Angebot an die Nutzer abgegeben
Offen ist, ob ein Angebot an die Garagennutzer einen höheren Erlös in die Stadtkasse gespült hätte. „Es ist fraglich, ob wir alle Nutzer unter einen Hut bekommen hätten. Der eine will kaufen, der andere nicht“, sagt OB Schütze. Die Verwaltung habe da kein Licht am Ende des Tunnels gesehen und die Betroffenen deshalb nicht informiert.
Eine Garagennutzerin sagte der MZ: „Ich hätte gern gekauft und hatte dies im Juni auch in der Stadtverwaltung angezeigt.“ Bei ihrem damaligen Besuch im Rathaus sei sie aber darüber im Unklaren gelassen worden, dass der Deal bereits in trockenen Tüchern ist.
Die Garagennutzer erfuhren erst Ende August von der Stadtverwaltung, dass das Grundstück zum 1. September an neue Besitzer übergeht. Wenige Tage später erhielten sie von jenen die Kündigung ihrer Pachtverträge, die sie bislang 100 Euro im Jahr kosteten. Ab Januar sollen sie 480 Euro zahlen.
Drei Optionen für die Betroffenen
Den Betroffenen bleiben nun drei Optionen: den teureren Mietvertrag abschließen, die Garage auf eigene Kosten abreißen oder die Garage abgeben und beim Eigentümer die ihnen für eine anschließende Fremdvermietung zustehende Entschädigung einfordern.
Andreas Stollberg, der die ganzen Vorgänge öffentlich gemacht hatte, bleibt eine Alternative weniger. Er erhielt von den neuen Besitzern nach eigenen Angaben erst gar kein Mietangebot. Für ihn steht fest: „Ich werde meine Garage abreißen und weiß, dass andere das auch tun wollen.“ (mz)