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Salzlandkreis Salzlandkreis: Mehr als nur Frauenpolitik

Von SUSANNE WEIHMANN 07.09.2010, 16:43

BERNBURG/MZ. - "Die Menschheit ist männlich, und der Mann definiert die Frau nicht an sich, sondern in Beziehung auf sich; sie wird nicht als autonomes Wesen angesehen", schrieb eine der berühmtesten Feministinnen Simone de Beauvoir Ende der 1940er Jahre in ihrem Buch "Das andere Geschlecht". Mehr als sechs Jahrzehnte später kann man beziehungsweise vor allem frau mit einer gewissen Erleichterung konstatieren, dass sich dies inzwischen erheblich geändert hat. Dennoch sind Männer und Frauen noch nicht überall gleich gestellt. Daher meint Astrid Müller, die Gleichstellungsbeauftragte des Salzlandkreises, ist eine solche Position wie die ihre noch heute notwendig. "Aber ich muss heute nicht mehr so feministisch sein, wie meine Vorgängerinnen."

Die Gesellschaft sei im Wandel und Gleichstellungspolitik bedeute heute Frauen- und Männerpolitik, sagt Müller. "So bedarf es heute einer Gleichstellungs- und damit Geschlechterpolitik, die auf beiden Seiten von gegenseitigem Respekt und auch Dialogbereitschaft geprägt ist."

Daher haben sich auch die Aufgaben einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten verändert. Noch Anfang der 90er Jahre standen Frauen und Mädchen im Fokus ihrer Arbeit. Gegenwärtig richte sich ihr Blick auf die Entwicklung und Entfaltung der Lebensplanung von Frauen, Männern und Kindern, also der Familie, "um einen familien- und kinderfreundlichen Salzlandkreis mitzugestalten", beschreibt Astrid Müller ihre Tätigkeit und nennt als Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So würden im Salzlandkreis 80 Prozent der berufstätigen Mütter nach der Geburt eines Kindes cirka ein Jahr aus dem Beruf aussteigen und danach wieder größtenteils in Vollzeit arbeiten. Das sei aber auch auf das gut ausgebaute Netz von Kinderbetreuungseinrichtungen in der Stadt und in den ländlichen Gegenden zurückzuführen, sagt Müller.

Die restlichen 20 Prozent der Mütter würden erst nach mehreren Jahren in den Beruf zurückkehren. "Letztendlich benötigen Frauen nach der Berufsrückkehr die Unterstützung der ganzen Familie und vor allem die Unterstützung des Partners", betont die Gleichstellungsbeauftragte. Sie ist sich aber sicher, dass Frauen in den kommenden Jahren zunehmend auf die Unterstützung des Partners und auch auf die der Arbeitgeber setzen können. Denn auch unter den Frauen gebe es Fachkräfte, auf die ein Arbeitgeber in Zukunft nicht verzichten kann, ist Müller überzeugt, die vor ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte im Haupt- und Ordnungsamt arbeitete und die sich vor sieben Jahren nach langer Überlegung entschieden hatte, die Stelle anzutreten. Letztlich habe sie die Aussicht gereizt, "sozial und gesellschaftlich tätig zu sein", erklärt Müller.

Und auch wenn die 43-jährige gebürtige Nienburgerin zugleich Ansprechpartnerin für Männer und Frauen ist, so sind es dennoch nach wie vor hauptsächlich Frauen, die sich an sie wenden. Sicher auch ein Zeichen dafür, dass eben in einigen Bereichen doch noch Nachholbedarf besteht. Das belegen auch Zahlen aus den vergangenen Jahren: So waren es 2008 zwei Männer und 16 Frauen, die um ein Beratungsgespräch gebeten haben. Im vergangenen Jahr suchten drei Männer und 35 Frauen das Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten. In diesem Jahr haben sich bisher 23 Frauen und ein Mann an sie gewendet.

Frauen suchen unter anderem Rat, wenn sie Opfer von häuslicher Gewalt sind. Dabei finden die Treffen häufig auch außerhalb der Verwaltung statt, weil es doch eine gewissen Hemmschwelle gebe, sagt Müller. Es gehe in den Gesprächen aber auch um Unterhalts- und Sorgerechtsfragen nach einer Scheidung, um Mobbing und auch um finanzielle Probleme. Das sei in den vergangenen Jahren "schlimmer geworden", resümiert Müller. Vor allem bei älteren Menschen, bei denen die Rente nicht ausreicht, oder bei jungen Müttern. Durch die finanzielle Unsicherheit würden auch viele Familien auseinander brechen, hat die Gleichstellungsbeauftragte beobachtet. "Früher hatten wir in diesem Bereich nicht so viele Beratungsgespräche wie heute." Oft gebe sie dann nur einen Anstoß, an wen sich die Ratsuchenden wenden können oder vermittelt sie weiter an die zuständigen Fachämter, erzählt Astrid Müller. Oder an Selbsthilfegruppen.

Dabei sei die "Netzwerkarbeit" ein wichtiger Punkt ihrer Arbeit, erzählt Müller. Neben dem ständigen Informationsaustausch mit den Fachämtern stehe sie regelmäßig in Kontakt mit sozialen Einrichtungen, Beratungsgruppen und verschiedenen Arbeitsgruppen. So arbeitet die Gleichstellungsbeauftragte unter anderem mit den Arbeitskreisen "Häusliche Gewalt" und "Interkulturelle Arbeit" sowie mit dem Freundeskreis Diakoniewerk Frauen- und Kinderschutzhaus in Bernburg zusammen.

Sie organisiert - oft mit ihren städtischen Kollegen - Lesungen, in diesem Jahr etwa mit Martina Rellin im Metropol oder mit Désirée Nick 2008 in Aschersleben, und Ausstellungen sowie den jährlichen Mädchenzukunftstag "Girl's Day", an dem inzwischen aber auch Jungen in frauentypische Berufe schnuppern können, und geht in Selbsthilfegruppen, wo sie frauenspezifische Vorträge hält. Demnächst geplant ist unter anderem die Teilnahme am Interkulturellen Fest auf dem Bernburger Karlsplatz am 21. September im Rahmen der bundesweiten "Woche der ausländischen Mitbewohner", ein "Aktionstag für Frauen" am 18. November in Aschersleben zusammen mit der Arbeitsagentur und der städtischen Gleichstellungsbeauftragten für arbeitslose und (oder) allein erziehende Mütter sowie am 24. November der Frauenhaustag in Bernburg zusammen mit dem Bernburger Frauenfreundeskreis. Zudem seien anlässlich der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit in Aschersleben, Schönebeck und Bernburg musikalisch-literarische Lesungen geplant, bei denen Frauen verschiedener sozialer Schichten und Altersgruppen vorgestellt werden, die in einem Mitte der 90er Jahre durchgeführten Interviewprojekt über ihr Leben vor und nach der Wende berichteten, kündigt Astrid Müller an.

Neben diesen umfangreichen externen Aufgaben ist Müller aber auch innerhalb der Landkreisverwaltung Ansprechpartner für die Mitarbeiter, "um Benachteiligungen innerhalb der Landkreisverwaltung entgegenzuwirken", erklärt die 43-Jährige. Das indes mache nur einen geringen Teil ihrer Arbeit aus, betont sie. So hätten sich beispielsweise schon Mitarbeiter wegen Mobbings an sie gewendet.

"Erst wenn Männer und Frauen Geschlechter gerecht an den Verhältnissen in unserer Gesellschaft arbeiten, dann wird meine Tätigkeit nicht mehr notwendig sein", ist Astrid Müller überzeugt.