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Salzlandkreis Salzlandkreis: Die Geschichte eines Ortes zwischen dicken Pappdeckeln

Von SUSANNE WEIHMANN 20.02.2011, 18:56

BEBITZ/MZ. - Jürgen Valdeig blättert behutsam in dem alten Buch. Die Seiten sind schon vergilbt, die Schrift zum Teil kaum noch zu lesen. Wenn man denn überhaupt in der Lage ist, die altdeutsche Schrift zu entziffern. Jürgen Valdeig kann es, zumindest, wenn er sich eine Weile "hineingelesen" hat. "Das kann man nicht mehr jedem in die Hand geben", sagt Valdeig, seines Zeichens Ortschronist in Bebitz. Er hält einen Band einer Ortschronik in der Hand, die mehr als 120 Jahre alt ist. Gern hätte der Hobby-Historiker auch den zweiten Band, aber den gebe seine Schwägerin nicht heraus, bedauert Valdeig.

Aber auch ohne den zweiten Teil der Bebitzer "Ur-Chronik", die im 19. Jahrhundert Lehrer Hermann Emil Julius Erfurth begonnen hatte, hat er zahlreiche Fakten und Daten zur Bebitzer Dorfgeschichte zusammen getragen. Zunächst habe er nur sporadisch Ereignisse im Ort aufgeschrieben. "Dann habe ich mir aber gedacht: Du machst das nur so oberflächlich. Besser ist es doch, es intensiver zu machen", erzählt Valdeig. Seit rund zehn Jahren widmet sich der 68-Jährige nun intensiv diesem Hobby. "Langweilig ist mir seit meinen Rentner-Dasein also noch nie geworden", erzählt der gelernte Dreher mit einem Schmunzeln. Übernommen hat er seine Chronisten-Leidenschaft von seinem Schwiegervater Karl Gorgas. Sein Schwiegervater habe das Wissen für die Nachwelt bewahren wollen, erzählt Valdeig. Genau das sei auch seine Motivation. Vorgänger von seinem Schwiegervater gab es viele, meist waren es Lehrer. Nach Lehrer Erfurth haben vier weitere Lehrer die Chronik fortgesetzt bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg in die Hände von Bäckermeister Paul Dunkel gelangte.

Inzwischen besitzt Valdeig selbst vier Bände der Ortschronik, hinzu kommen Ordner mit alten schwarz-weiß Aufnahmen, die die Dorfgeschichte dokumentieren, mit Material zur Kirchengeschichte, zur Geschichte der Jugendfeuerwehr und zur Schule. Valdeig besitzt alte Klassen- und Strafbücher, in denen die Namen derjenigen Schüler vermerkt sind, die sich etwas zuschulden kommen lassen haben und die dazugehörigen Strafen, wie Stockhiebe auf Rücken oder Gesäß. Einen eigenen Raum hat er für die Fakten-Sammlung in seinem Haus eingerichtet. Dort sitzt er auch meist an seinem Laptop und fügt den bisherigen Daten weitere hinzu. Seit 2006 schreibt er am Computer - als Chronist weiß er natürlich auch das ganz genau.

Es ist ein Leichtes für ihn herauszufinden, dass Bebitz erstmals 936 erstmals urkundlich erwähnt wurde als "Bobcz", "Bobicz" oder "Bowitz". Er entnimmt seinen Unterlagen, dass sich die Straßennamen schon einige Male geändert haben. Zuletzt 2009. Seither wohnt Valdeig in der Sorge. Die Straße hieß aber auch schon einmal "Zickengasse" oder schlicht "Dorfstraße". Weiterhin erfährt man darin, dass eine Kirche wenigstens seit dem frühen 13. Jahrhundert im Ort existiert, vermutlich aber noch eher.

Wie aus Valdeigs Aufzeichnungen auch zu ersehen ist, wurde die Kirche während des 30-jährigen Krieges 1644 verwüstet und 1693 wieder aufgebaut. Und im Jahr 1719 sei mit dem Wiederaufbau des Kirchturms begonnen worden und die charakteristische "Welsche Haube" bekommen haben. Eine neue Kirche sei schließlich 1862 eingeweiht worden. Und vor acht Jahren sei schließlich der Kirchturm zuletzt saniert worden, berichtet Valdeig von einem Ereignis der jüngeren Kirchengeschichte. Man erfährt in seinen Unterlagen aber auch, dass eine erste Schule 1665 erwähnt und 1818 eine neue gebaut wurde. Auch alle Lehrer sind aufgelistet, die seit 1722 in Bebitz gelehrt haben ehe die Schule 1973 für immer geschlossen wurde. Heute ist eines der früheren Schulgebäude das Dorfgemeinschaftshaus. Man erfährt, dass es in Bebitz einst eine Berufsschule gab und bereits seit 1920 soll es sogar schon einen Kindergarten im Ort gegeben haben. Im Jahre 1881 wurde eine Posthilfstelle eingerichtet und drei Jahre später eine telefonische Verbindung nach Könnern. 1911 wurde Bebitz ans Lichtnetz angeschlossen und 80 Jahre später bekamen die Häuser Wasseranschlüsse. 1931 ist ein Kirchenkinderchor gegründet worden und 1975 die noch heute bestehende Blaskapelle. In den Jahren 1966 und 1967 haben die Feuerwehrleute in Eigeninitiative ihr Gerätehaus gebaut und von 1970 bis 1990 habe es eine ganz aktive Arbeitsgemeinschaft "Junge Brandschutzhelfer" gegeben, weiß Jürgen Valdeig aus eigenem Erleben, denn er selbst war 39 Jahre in der Feuerwehr. 1990 haben die Bebitzer auch ein vorletztes Mal ihr Räuberfest gefeiert, zwei Jahre später dann nach Aussagen von Valdeig das letzte. Aus den noch viel älteren Aufzeichnungen geht hervor, dass in den Jahren 1566 / 67 die Pest im Ort wütete, dass es in den Jahren 1682 und 1710 große Feuerschäden gegeben hat und auch von mehreren Hochwassern wird berichtet: So beispielsweise in den Jahren 1613, 1751, 1771 und 1799.

Bei all den Fakten stellt sich die Frage, was es sich noch lohnt zu erforschen? "Ich will auf jeden Fall noch alle Bürgermeister herausfinden", sagt Valdeig.