Meisterpflicht verschärft Meisterpflicht für zwölf Gewerke wiedereingeführt: Das sagen Handwerker und Gewerkschaft im Salzlandkreis

Bernburg - Seit diesem Jahr gilt für zwölf Handwerksberufe wieder eine Meisterpflicht. Nachdem im Jahr 2004 im Zuge der „Agenda 2010“ die Zahl der meisterpflichtigen Handwerksberufe von 94 auf 41 reduziert wurde, hat die jetzige Bundesregierung ihr im Koalitionsvertrag formuliertes Ziel umgesetzt, den „Meisterbrief zu erhalten und zu verteidigen“. Unter anderem Fliesenleger, die sich jetzt selbstständig machen wollen, brauchen wieder einen Meistertitel.
418 von 647 Handwerksbetriebe im Altkreis Bernburg benötigen einen Meisterbrief für Zulassung
Von den 647 bei der Handwerkskammer eingetragenen Betrieben im Altkreis Bernburg (Stand: 2018) sind 418 zulassungspflichtig - setzen also beim leitenden Handwerker einen Meisterbrief voraus. Die restlichen zulassungsfreien oder handwerksähnlichen Gewerke, wie beispielsweise Uhr- oder Schuhmacher, benötigen diesen Titel nicht.
Zur zweiten Kategorie zählten bis zum Jahreswechsel unter anderem auch Fliesen- und Parkettleger, Drechsler, Orgelbauer, Schilderhersteller oder Raumausstatter. Wer sich mit einem dieser Berufe selbstständig machen will, muss jetzt wieder einen Meistertitel nachweisen.
Doch es gibt Ausnahmen: Betriebe, die zwischen 2004 und 2019 in einem zulassungsfreien Handwerk gegründet wurden und keinen Meisterbrief besitzen, müssen keine nachträgliche Prüfung ablegen. Sie genießen Bestandsschutz, dürfen also weiter betrieben werden. Seit 2004 existiert außerdem die „Altgesellenregelung“, nach welcher sich ein Geselle in einem zulassungspflichtigen Handwerk selbstständig machen kann, wenn eine Tätigkeit von mindestens sechs Jahren, davon vier in leitender Stellung, nachgewiesen wird.
Kann ein Geselle mindestens vier Jahre in leitender Stellung nachweisen, darf er sich selbstständig machen
Einer, der seinen Fliesenlegerbetrieb heute nicht mehr so einfach eröffnen dürfte, ist Heiner Georgie. Der 53-jährige Bernburger arbeitet seit 37 Jahren als Fliesenleger. Seit 2011 hat er seine eigene Firma - ohne Meistertitel. Das neue Gesetz begrüßt er dennoch. „Ich finde die Meisterpflicht nicht schlecht. Es gibt viel Schund auf dem Markt“, sagt er.
Er selbst habe damals keine Zeit gehabt, einen Meistertitel zu erwerben. Heute sei er dafür zu alt. „Wenn ich jünger wäre, würde ich ihn aber auf jeden Fall machen“, ergänzt der Fliesenleger.
Positiv sieht die Gesetzesänderung auch Kreishandwerksmeister Fred Reimer. Für ihn ist der Meistertitel eine Form der Qualitätssicherung. „Wenn ich privat ein paar Plätzchen, einen Kuchen oder ein Brot gebacken habe, käme ich noch lange nicht auf den Gedanken, eine Bäckerei zu eröffnen“, sagt er.
Für Kreishandwerksmeister Fred Reimer ist der Meistertitel eine Form der Qualitätssicherung
Zwar sei es heute möglich, sich über das Internet Fachwissen oder auch Fähigkeiten anzueignen, er sehe hier aber die Gefahr der Selbstüberschätzung. Denn auch über das fachliche hinaus gebe es weitere Aufgaben und Verpflichtungen für einen selbstständigen Handwerker.
Die gelte es zu überprüfen. „Da die Berufsbilder sich heutzutage sehr umfangreich darstellen, finde ich es richtig, über eine Meisterprüfung den Wissensstand und die Fertigkeiten abzufragen“, so der Kreishandwerksmeister.
Im Jahr 2004 versprach sich die Bundesregierung mehr Wetttbewerb
Abgeschafft wurde die Meisterpflicht 2004 in einem Klima bundesweit hoher Arbeitslosigkeit. Von der Reform der Handwerksordnung versprach sich die damalige Bundesregierung mehr Wettbewerb und Unternehmensgründungen.
„Das ist nachweislich schiefgegangen“, sagt Jens Schumann, Pressesprecher der Handwerkskammer in Halle. Zwar habe sich die Zahl der Betriebe in einigen dieser Handwerke massiv ausgeweitet, diese Firmen seien aber zumeist sehr klein und dadurch wenig leistungsfähig.
„Sie beschäftigen nur selten Mitarbeiter und bilden kaum aus“, ergänzt Schumann. Das treffe insbesondere auf die Fliesen-, Platten- und Mosaikleger zu.
Noch einen Schritt weiter geht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Der Dachverband, der unter anderem IG Metall und Ver.di vertritt, wünscht sich sogar eine weiterreichende Ausweitung der Meisterpflicht.
Sprecher des DGB nennt weitere Gewerke, für die die Meisterpflicht wieder eingeführt werden sollte
„Aus unserer Sicht gibt es weitaus mehr Gewerke, die wieder unter die Meisterpflicht fallen sollten, weil die Arbeit unter bestimmten Gefährdungen verrichtet wird“, sagt Martin Mandel, Sprecher des DGB in Sachsen-Anhalt. Ein Beispiel seien hier die Gebäudereiniger, die auf Gerüste oder in Krankenhäusern mit Chemikalien arbeiten. Hier sei mangelnde Fachkenntnis mitunter gefährlich.
Auch in anderer Hinsicht habe die Abkehr von der Meisterpflicht ihr Ziel verfehlt. So habe sich zwar der Wunsch der Bundesregierung erfüllt, dass sich ohne Meisterpflicht mehr Menschen selbstständig machen. Häufig seien aber Kleinstunternehmen gegründet worden, in denen „Solo-Selbstständige ohne die erforderlichen Qualifikationen zu prekären Bedingungen arbeiten“, so der DGB-Sprecher.
Wer Fachkräfte gewinnen und die Qualität im Handwerk stärken wolle, brauche stattdessen gute Bedingungen. „Dazu gehört die Meisterpflicht genauso wie der Abschluss von Tarifverträgen.“ (mz)