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Helmut Göldner Helmut Göldner aus Sieglitz: Das ist Sachsen-Anhalts ältester Filmvorführer

Von Torsten Adam 03.03.2016, 17:29
Helmut Göldner ist seit mittlerweile 56 Jahren Filmvorführer. Der 71-jährige Sieglitzer ist jetzt für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden.
Helmut Göldner ist seit mittlerweile 56 Jahren Filmvorführer. Der 71-jährige Sieglitzer ist jetzt für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. Lutz Sebastian

Sieglitz - Die Überraschung ist mehr als filmreif: Unter dem Vorwand, eine Dokumentation über seine Arbeit zu drehen und nach Berlin zu einem Filmverleiher zu fahren, wird Helmut Göldner daheim in Sieglitz abgeholt. Als der Wagen vor einem Kaufhaus der Bundeshauptstadt hält und ihm plötzlich sein Lieblingsschauspieler Gojko Mitic gegenübersteht, ist der 71-Jährige sprachlos.

Aber es kommt noch besser - der Leinwand-Indianer entführt ihn später auf den roten Teppich der 66. Berlinale im Theater am Potsdamer Platz. Der Besuch bei Deutschlands bekanntesten Filmfestspielen ist ein Dankeschön an Sachsen-Anhalts ältesten Filmvorführer. Das Kreditkarten-Unternehmen MasterCard ehrt ihn mit dem erstmals vergebenen „Award for Culture & Art“ (zu deutsch: „Preis für Kultur und Kunst“) für sein Lebenswerk.

Begrüßt wie ein Schauspieler

„Ich war ganz verdattert, als Gojko Mitic die Autotür öffnete und mich mit Vornamen ansprach“, erinnert sich Helmut Göldner an jenen 12. Februar zurück, der ihm unvergessen bleiben wird. Der Sieglitzer wird danach im Kaufhaus neu eingekleidet,  draußen wartet eine schicke Limousine auf den Mann im schwarzen Smoking, der eine rote Fliege über dem weißen Hemd trägt. Wohin die Reise geht, ahnt der 71-Jährige da noch immer nicht. Zunächst zeigt ihm der „Winnetou des Ostens“, wie Gojko Mitic als Held zahlreicher DEFA-Indianerfilme oft genannt wird, sein Haus. „Ich war überrascht, wie bodenständig er ist“, sagt Helmut Göldner. Anschließend fährt die Limousine auf dem roten Teppich der Berlinale vor. Deren Chef Dieter Kosslick „begrüßte mich wie einen echten Schauspieler. Wenn man vom Dorfe kommt, ist das schon eine andere Welt“, erzählt er.
Aber irgendwie ist es auch seine Welt - das Kino, der Film.

Kino auf vier Rädern

Von Kindesbeinen an ist Helmut Göldner davon fasziniert.  Als Schüler  hilft er den Fachleuten bei Filmvorführungen auf den umliegenden Dörfern,  als 15-Jähriger hat er bereits den Filmvorführschein in der Tasche, holt sich das erforderliche Rüstzeug im damaligen Bernburger Kino „Lili“.  Eine amüsante Begebenheit mit der Staatsmacht ist ihm in besonderer Erinnerung geblieben: „Ich zeigte in Gerlebogk einen Film, als der ABV hereinkam und alle Jugendlichen, die noch nicht volljährig waren, herausschickte. Als der Polizist weg war, musste ich alle wieder reinlassen, weil sie mich sonst verpfiffen hätten. Ich war ja selbst noch keine 18.“ Nach der Schlosser-Lehre im Flanschenwerk steht für ihn schnell fest, dass der Film seine Berufung ist - bis heute.

Im Osten Deutschlands ist Helmut Göldner inzwischen eine echte Institution: Seit über 50 Jahren tourt der Mann aus dem Könneraner Ortsteil übers Land, spielt auf Freilichtbühnen, in Kirchen,  Kindergärten,  Pflegeheimen. „Er leistet damit einen wertvollen Beitrag zur deutschen Kinokultur. Der Kino-Mann, wie er liebevoll von seinen kleinen und großen Fans genannt wird, bringt Filme per Kleinbus und Projektor in Städte und Gemeinden, die sich kein eigenes Kino leisten können“, heißt es in der Laudatio für den 71-Jährigen.

„Mit dem neu ins Leben gerufenen ,MasterCard Award for Culture and Art’ ehren wir Menschen, die sich mit Leidenschaft für kulturelle Zwecke engagieren und so zu unbezahlbaren Helden des Alltags werden. Ich freue mich, dass mit Helmut Göldner ein verdienter Gewinner für unsere erste Auszeichnung gefunden wurde“, sagt Dagmar Nedbal, Marketingchefin bei MasterCard.

Goldene Jahre nach der Wende

Als nach der deutschen Wiedervereinigung für die Bezirksfilmdirektion und mit ihr für das Projekt „Landfilm“ das Aus kommen, macht Helmut Göldner einfach weiter - nun als selbstständiger Cineast. Die teilweise fast neuen Filmrollen, darunter so beliebte Trickfilme wie „Der Maulwurf“ oder „Hase und Wolf“, schmeißt er nicht wie beauftragt auf den Müll - er zeigt sie einfach weiter, mit großem Erfolg. Rückblickend schwärmt der Sieglitzer von den „goldenen 90ern“, als die Menschen allerorts danach lechzten, die neuesten Hollywood-Streifen anzuschauen. „Wahnsinn, was nach der Wende los war“, sagt er. „Titanic“ etwa zeigt Helmut Göldner drei Monate lang - jeden Tag. Die Nische, die viele sterbende Kinos in Kleinstädten hinterlassen, nutzt der Filmfan.

Doch mit der Einführung der DVD schwindet auch das Interesse am Kino. Helmut Göldner lässt sich davon nicht beirren. Im Winterhalbjahr besucht er heutzutage auf Bestellung Schulen, Kitas oder Seniorenheime, im Sommer macht er Open-Air-Kino - mit seiner treuen „Ernemann“-Filmmaschine aus dem Jahre 1938. Die aktuellen Streifen bezieht er von kleinen Verleihern, im Digital-Zeitalter aber nicht mehr in Form einer Filmrolle, sondern über einen Server als Computerdatei. Ans Aufhören denkt er nicht. Ganz im Gegenteil: Nächstes Jahr will sich Helmut Göldner sogar einen neuen Projektor kaufen. Auch wenn  Ehefrau Rita ihn lieber öfter bei sich zu Hause hätte, zieht es den 71-Jährigen weiterhin in die Ferne. „Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Ich mache weiter, mindestens bis ich 80 bin!“ (mz)