1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bernburg
  6. >
  7. Großschlachthof in Bernburg: Großschlachthof in Bernburg: 1438 Stimmen fehlen beim Bürgerentscheid

Großschlachthof in Bernburg Großschlachthof in Bernburg: 1438 Stimmen fehlen beim Bürgerentscheid

Von Torsten Adam 06.07.2014, 17:08
Die Mitglieder der Bürgerinitiative „Keine Schweinerei“, Hannelore Nickel (von links), Ilse Reichmann und Angelika Böhlk, warben am Samstag auf dem Bernburger Karlsplatz noch einmal für ihre Ziele und legten Emily Schütze einen Schweinchen-Luftballon in den Kinderwagen.
Die Mitglieder der Bürgerinitiative „Keine Schweinerei“, Hannelore Nickel (von links), Ilse Reichmann und Angelika Böhlk, warben am Samstag auf dem Bernburger Karlsplatz noch einmal für ihre Ziele und legten Emily Schütze einen Schweinchen-Luftballon in den Kinderwagen. conny schreiber Lizenz

Bernburg/MZ. - Die Bürgerinitiative „Keine Schweinerei“ hat in den vergangenen Tagen noch einmal alle Kräfte mobilisiert, um die Einwohner von Bernburg für den Bürgerentscheid am Sonntag zu gewinnen. Die Aktivisten verteilten 15 000 Handzettel in den Haushalten, druckten 2000 ausführlichere Informationsblätter und warben am Samstag auf dem Karlsplatz für ihre Ziele. Das von ihr initiierte Bürgerbegehren gegen einen Großschlachthof in Bernburg ist dennoch formal gescheitert.

#related

Zwar stimmte eine deutliche Mehrheit der 7125 Wähler (83,6 Prozent) gegen ein solches Ansiedlungsvorhaben, doch die Wahlbeteiligung war mit 24,1 Prozent zu gering. Mindestens 25 Prozent Zustimmung von allen 29 587 Wahlberechtigten hätte die BI laut Gemeindeordnung benötigt, kam aber nur auf 20,1 Prozent. Absolut fehlten ihr 1438 Stimmen.

Bürgerinitiative jubelt trotzdem

Enttäuschung bei der BI? Keine Spur! BI-Sprecher Holger Böttger stieß Sonntagabend mit Mitstreitern in seinem Naturkostladen auf „das unter diesen Umständen tolle Ergebnis und die hohe Wahlbeteiligung“ an. „Der Stadtrat und der Oberbürgermeister wollten ein deutliches Zeichen und haben es bekommen. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt einen Schlachthof ab“, fühlte Böttger die BI als moralischen Sieger.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hatten die Abstimmung eigentlich verhindern wollen, weil sie nach dem Rückzug des Investors, des italienischen Fleischkonzerns Bresaole Pini, negative Einflüsse auf die Wahlbeteiligung fürchtete. Der Stadtrat sprach sich allerdings mit Zwei-Drittel-Mehrheit für die Durchführung der Bürgerbefragung durch, um sich ein generelles Meinungsbild in der Bevölkerung zu solch einem Vorhaben machen zu können.

Lesen Sie auf Seite 2, wie es nun weiter geht.

Alternativstandort sagt ab

Wie geht es nun weiter? Der Ball liegt wieder beim Stadtrat. Er allein könnte entscheiden, ob in Bernburg ein Schlachthof errichtet wird oder nicht. Vorausgesetzt, es gäbe einen Investor. Per E-Mail und Telefon war Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) am 10. Juni von Pini über die Absage der geplanten 55-Millionen-Euro-Investition informiert worden, mit der rund 2200 neue Arbeitsplätze entstehen sollten. Täglich sollten in dem Werk bis zu 26 000 Schweine geschlachtet werden. Firmenchef Piero Pini hatte seine Entscheidung mit der fehlenden Akzeptanz seines Projektes in der Bevölkerung begründet.

In Bernburgs Stadtgeschichte hat es vor dem gestrigen Urnengang bereits zwei Bürgerentscheide gegeben. Beide damaligen Bürgerbegehren scheiterten auch an der niedrigen Wahlbeteiligung.

Im Januar 1997 stimmte zwar die Mehrheit der zur Wahl gegangenen Bürger (60,7 Prozent) gegen den Bau einer Tiefgarage unter dem Karlsplatz, allerdings wurde mit 18,2 Prozent Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten die damals noch gültige 30-Prozent-Hürde deutlich verfehlt.

Im Mai 2003 machten Bürger gegen die Schließung der Grundschule Waldau mobil. 83,6 Prozent der Wahlgänger sprachen sich zwar für den Erhalt der Bildungseinrichtung aus, allerdings machten diese Ja-Stimmen nur 10,2 Prozent aller Wahlberechtigten aus, womit die seitdem zu erreichende 25-Prozent-Marke ebenfalls unterschritten wurde.

Offen ist, ob der Italiener nun einen Rücktritt vom Rücktritt macht. Zwischenzeitlich war ihm nämlich auch am ausgewählten Alternativstandort in Nordthüringen die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Sollte Pini einen zweiten Anlauf in Bernburg unternehmen, stünden die Verhandlungen wieder ganz am Anfang. Denn wie Grünen-Stadträtin Hanni Musche während der Sonderstadtratssitzung in der Vorwoche mitteilte, hatte das Landesverwaltungsamt den Ratsbeschluss vom 12. Dezember 2013, mit dem der Pini Deutschland GmbH eine zehn Hektar große Fläche im Industriegebiet West verkauft wurde, für rechtswidrig erklärt. Denn allgemeine Beratungen und Beschlüsse über den Verkauf eines kommunalen Grundstücks haben öffentlich - und nicht wie geschehen - in interner Runde stattzufinden.

Schütze hakt Schlachthof ab

An Pinis Rückkehr glaubt der Oberbürgermeister indes nicht. Schütze zeigte sich überrascht, dass immerhin jeder fünfte Wahlberechtigte gegen den Schlachthof stimmte. Auch wenn das Ziel des Bürgerbegehrens damit formal verfehlt wurde, halte er das Ergebnis für ein deutliches Signal an die Kommunalpolitik. „Für mich ist das Thema Schlachthof damit erledigt. Ich werde Pini auch nicht anrufen“, sagte er der MZ. Er werde nur erneute Verhandlungen aufnehmen, wenn ihn der neue Stadtrat damit beauftragen würde.

Christopher Günter und Evelyn Harske gaben am Vormittag im Campus Technicus an der Tolstoiallee ihre Stimme ab.
Christopher Günter und Evelyn Harske gaben am Vormittag im Campus Technicus an der Tolstoiallee ihre Stimme ab.
engelbert pülicher Lizenz