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Gerichtsverhandlung nach Jagdunfall Gerichtsverhandlung nach Jagdunfall: Ganz kleine Spielräume

Von Petra Korn und Detlef Valtink 02.12.2019, 09:27
Absperrband und Schild signalisieren: In diesem Wald findet eine Jagd statt. Solch eine Kennzeichnung gehört zu den Sicherheitsvorschriften.
Absperrband und Schild signalisieren: In diesem Wald findet eine Jagd statt. Solch eine Kennzeichnung gehört zu den Sicherheitsvorschriften. DPA

Bernburg - „Er war ein netter, lebenslustiger Kerl.“ Auf der Fahrt in den Wald bei Ballenstedt habe er in Erinnerungen geschwelgt. Das haben Zeugen über den 81-Jährigen berichtet, der nach dem Ende einer Jagd in einem Privatwald im Oktober 2017 zunächst vermisst und dann tot an dem ihm zugewiesenen Hochsitz gefunden wurde.

Ein Schuss hatte den 81-jährigen Niedersachsen in den Kopf getroffen und tödlich verletzt. „Wir reden auf jeden Fall von einem tragischen Unfall“, betonte Theo Buß, Jugendrichter beim Amtsgericht Quedlinburg, das sich derzeit mit dem Todesfall befasst.

Seit Ende Oktober muss sich hier eine 22-jährige Jägerin verantworten.  Die Staatsanwaltschaft wirft ihr fahrlässige Tötung vor. Die zur Tatzeit 20-Jährige soll auf einen Hirsch gezielt und geschossen, das Tier aber nicht getroffen haben. Das abgefeuerte Projektil soll den 200 Meter entfernt befindlichen 81-Jährigen tödlich verletzt haben. Die 22-Jährige habe bei ihrem Schuss außer Acht gelassen, dass kein ausreichender Kugelfang - also Erdreich eines Hanges - vorhanden gewesen sei, so die Staatsanwaltschaft.

Direkte Verbindung zwischen beiden Ansitzen ergab eine Schussbahn

Zum Prozessauftakt hatte die 22-Jährige erklärt, dreimal mit ihrem Gewehr mit Zielfernrohr geschossen zu haben: auf einen Frischling und einen jungen Keiler, die sie auch getroffen habe, sowie den Hirsch - „alle mit sicherem Kugelfang“. Dass der tödliche Schuss aus Richtung des Hochsitzes kam, auf dem sich die 22-Jährige befand, ergaben die Ermittlungen der Polizei.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass es zwischen ihrem und dem Ansitz des 81-Jährigen eine direkte Verbindung gibt, eine Schussbahn, die ein Projektil hätte nehmen können.

Die mehr als 60 Jäger, die damals an der Jagd teilnahmen, waren aber nicht die einzigen mit Waffen im Wald: Auch einige Hundeführer in den Treibergruppen hatten solche, bestätigte der Leiter der Jagd. Teils würden die Hundeführer auch verlangen, eine Waffe zu tragen, um sich vor angeschossenem Schwarzwild schützen zu können. Und nur zum eigenen Schutz bzw. um angeschossene Tiere zu erlegen, dürften die Treiber diese auch benutzen. Auf anderes Wild dürfe nicht geschossen werden. „Das ist nicht üblich“, so der Jagdleiter vor Gericht.

Dort ist von der Angeklagten aber auch ausgesagt worden, dass ihr Ansteller - Jäger, die die Schützen zu ihren Ansitzen bringen und diese dort einweisen - sie nicht bis zum Ansitz gebracht, sondern nur per Fingerzeig die Richtung vorgegeben habe. Noch ist die Verhandlung nicht abgeschlossen, aber deren Verlauf sorgt in den Reihen der Jäger im Landkreis für Diskussionen.

Spannweite der Sicherheitsvorschriften ist sehr groß

„Das ist ein sehr trauriger und bedauerlicher Vorfall und den Hinterbliebenen gilt unser Beileid“, erklärt Kreisjägermeister Jens Hennicke. Jetzt gelte erst einmal die Unschuldsvermutung, trotzdem stimmen solche Vorfälle sehr nachdenklich. „Ich bin bei vielen Gesellschaftsjagden dabei und weiß, dass auf die Sicherheitsbestimmungen sehr viel Wert gelegt wird und gelegt werden muss. Natürlich kann ich nicht für jeden Einzelnen die Hand ins Feuer legen, aber jeder kann sich gut vorbereiten, um solche tragische Ereignisse zu vermeiden“, ist der Kreisjägermeister überzeugt.

Die Spannweite der Sicherheitsvorschriften sei groß und ein unbedingtes Muss. Was, wenn doch nicht alles nach Plan läuft und Missstände erkannt werden?

Jens Hennicke: „Leben ist wichtiger als jeder Jagderfolg“

Für den Kreisjägermeister gibt es da nur ganz kleine Spielräume. „Der Jagdleiter muss darüber informiert werden und jeder für sich entscheiden, wie es weitergeht. Dazu gehört bei aller Jagdpassion auch der Mut, nach Hause zu fahren und anschließend die Untere Jagdbehörde über die Missstände zu informieren. Das Leben ist wichtiger als jeder Jagderfolg“, steht für Jens Hennicke fest.

Das sieht der Vorsitzende der Bernburger Jägerschaft, Michael Warthemann, ähnlich: „Jeder ist für sich selbst verantwortlich, muss die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Unfälle dieser Art sind niemals schön.“

Wenn man sich an die Sicherheitsvorschriften halte, dürften solche Unfälle eine ganz große Ausnahme sein. Er selbst sei seitdem Unglück auch noch ein Stück aufmerksamer und vorsichtiger geworden. Und sehe lieber zweimal nach dem Rechten.

Mit der Anhörung weiterer Zeugen wird die Verhandlung in den nächsten Tagen fortgesetzt. „Wir sind gespannt auf das Urteil und die Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben“, so Jens Hennicke und Michael Warthemann. (mz)