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Winterdienst Esco-Salzwerk Bernburg: Wie aus Steinsalzbrocken in 600 Meter Tiefe Tausalz für Straßen wird

Von Dörthe Hein 03.02.2019, 09:56
Ein Radlader hebt in einem Silo der „European Salt Company” (Esco) in Benrburg Salz auf ein Förderband.
Ein Radlader hebt in einem Silo der „European Salt Company” (Esco) in Benrburg Salz auf ein Förderband. dpa-Zentralbild

Bernburg - Wenn Heino Strauß bei frostigen Temperaturen morgens ab drei Uhr unterwegs ist, ist das Salz eines seiner wichtigsten Begleiter. Etwa vier Tonnen hat er in seinem orangefarbenen Fahrzeug. Mit Knöpfen und einem Joystick kann Strauß dosieren, wie viel Material auf die Straße fällt.

Der 46-Jährige arbeitet für den Magdeburger Winterdienst und hält die Straßen der Landeshauptstadt eis- und schneefrei. Per Videokamera beobachtet er vom Steuer aus den Drehteller am Heck seines Winterdienstfahrzeugs. Salz wirbelt auf die Straße.

Viele Winterdienste verwenden Streusalz von Esco aus Bernburg

Eine Autostunde entfernt lagern riesige Mengen des rund 250 Millionen Jahre alten Salzes tief unter der Erde. 80 Meter ragt der Förderturm mit dem Schriftzug „Bernburger Salz“ in den Himmel. Das Gebäude ist menschenleer. Ganz oben unter dem Dach steht die Fördermaschine.

An je vier Stahlseilen befestigt, befördern zwei riesige Stahlgefäße mit einer Geschwindigkeit von 12 Metern in der Sekunde das Salz aus 600 Metern Tiefe. Bewacht von einem Kameraauge, kippen sie automatisch abwechselnd alle zwei Minuten rund 20 Tonnen Salz aus. Ein Surren wird lauter bis zum Geräusch des herauskippenden Salzes.

In Bernburg befand sich das erste und einzige Salzwerk der DDR

Bernburg war das erste und einzige Salzwerk der DDR. Nach der Wende wurde es von der K+S-Gruppe übernommen, dem nach eigenen Angaben weltweit größten Anbieter von Salzprodukten. Das Werk gehört zum K+S-Auftausalz-Unternehmen Esco, der European Salt Company.

Die hat drei deutsche Standorte: neben Bernburg noch in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. „Das Salz in Bernburg hat eine außergewöhnlich hohe Reinheit“, sagt Ulrich Göbel, Unternehmenssprecher von K+S. Es sei so rein, dass es als Lebensmittelsalz verwendet werden könne. Die Produktionskapazität liege bei drei Millionen Tonnen, bis zu zwei Drittel sind Auftausalz.

Salzbrocken werden auf Förderbändern zur Salzmühle transportiert

Über lange Förderbänder wird das Gemisch aus größeren Brocken und feinen Körnchen in die Salzmühle transportiert. Dort ist der Lärm ohrenbetäubend - Menschen arbeiten auch hier nicht, alles läuft automatisch. Über mehrere Etagen wird das weiße Gold durch vibrierende Siebe gerüttelt. Salzgeschmack liegt in der Luft. Der Boden, Treppen, Steuerknöpfe sind überzogen vom feinen Weiß, das auch als Eis durchgehen könnte.

Es entstehen Salzkörner in unterschiedlichen Größen von grob bis fein. Die besonders kleinen Körner wirken - wenn sie Arbeiter wie Heino Strauß auf die Straßen bringen - sofort. Die groben entfalten ihre Wirkung später. Der länger andauernde Auftaueffekt sorgt dafür, dass Heino Strauß letztlich mehr Strecke schafft und - je nach Wetterlage - erst später nachstreuen muss.

Auftausalz wird eine Substanz zugesetzt, damit es nicht klumpt

„Auftausalz ist kein triviales Produkt“, betont Unternehmenssprecher Göbel. Dem Auftausalz werden Antibackmittel zugesetzt, damit es nicht klumpt. Schließlich soll die sensible Technik der Streuteller an den Fahrzeugen der Straßenmeistereien präzise damit arbeiten können.

Während Heino Strauß den Rest des Jahres die Magdeburger Straßen sauber hält und mit Kehrmaschine und Besen unterwegs ist, spielt im Salzwerk in Bernburg das Streusalz das ganze Jahr über eine Rolle. „Wenn der letzte Schnee getaut ist, bestellen die ersten Straßenbetriebe schon nach“, berichtet Ulrich Göbel.

„Frühbezugsgeschäft“ lautet sein Terminus dafür - je früher die Kunden bestellen, umso besser die Konditionen. Für das Unternehmen ist es eine Strategie gegen das Stoßgeschäft und für mehr Kontinuität. Ab August werden die Lager gefüllt.

Stadt Magdeburg kauft immer im Sommer Salz aus Bernburg

Die Stadt Magdeburg ordert nach eigenen Angaben grundsätzlich im Sommer. Andreas Stegemann, Chef von Stadtreinigung und Winterdienst, sagt: „2300 Tonnen Salz haben wir vor der Wintersaison im Vorrat.“

Im vergangenen Winter seien 1.100 Tonnen benötigt worden, im Extrem-Winter 2010 mehr als 5000 Tonnen. Laut dem Verkehrsministerium haben die Autobahn- und Straßenmeistereien in Sachsen-Anhalt rund 28.000 Tonnen Streusalz und knapp 1.800 Tonnen Sole gelagert.

Das Salzunternehmen Esco beliefert im Inland vor allem nördlich des Mains und im Ausland angrenzende Nachbarländer sowie Skandinavien und das Baltikum. Rund die Hälfte des Auftausalzes geht an Landesbetriebe, rund 30 Prozent an Städte, Gemeinden und Landkreise.

Private Winterdienste sowie der Groß- und Einzelhandel machten je zehn Prozent aus. Der jährliche Absatz schwankt - je nach Witterung - seit 2012 zwischen 1,5 und 4 Millionen Tonnen. Besonders viel Salz wird verbraucht, wenn die Temperaturen nachts unter null Grad sinken und tagsüber darüber liegen.

Unternehmenssprecher Göbel berichtet von einem Trend hin zu stetig geringeren Lagerkapazitäten bei den Kunden. Man spare Platz und damit Kosten. Im Gegenzug habe Esco seine Lagermöglichkeiten in den vergangenen fünf Jahren auf rund eine Million Tonnen verdreifacht, wie Göbel sagt.

Nach dem langen Winter 2009/2010 wurden regionale Salzlager gebaut

Nach dem langen und knackigen Winter 2009/10 seien flächendeckend regionale Lager aufgebaut worden, um bei Bedarf mit kurzen Wegen Auftausalz liefern zu können. Damals sei das Salz teils knapp geworden, weil die Vorräte der Kunden nicht reichte. Lastwagen und Züge wurden knapp.

Drei riesige Speicher, über 100 Meter lang und 31 Meter breit, stehen auf dem Gelände des Salzwerks in Bernburg. 25.000 Tonnen Lagerkapazität hat jede von ihnen, sagt Göbel. In einer staubt es so sehr, dass man die Hand vor Augen kaum sieht. In einer anderen fährt ein einziges Fahrzeug auf seiner Schaufel Salz auf ein Förderband für die Weiterverarbeitung.

Ein riesiger Berg ist abzuarbeiten. In einer weiteren Halle sitzt ein Arbeiter fast unsichtbar in einer Steuerkanzel eines „Kratzer“ genannten Kettenfahrzeugs, das ebenfalls Salz aus dem Speicher befördert. Über Tage ahnt man kaum, dass in diesem Salzwerk rund 500 Menschen arbeiten.

Nur wenige Meter entfernt rollen fast im Minutentakt Lastwagen heran, parken, werden beladen und bringen das Salz zu den Kunden. An manchen Tagen bilden sich lange Warteschlangen. Auf Gleisen warten Güterzüge auf die Beladung.

Etwa 12.000 Tonnen am Tag kommen laut Göbel aus dem Schacht - 8 bis 10 Güterzügen entspreche das. In Bernburg reicht das erschlossene Salzvorkommen mit hoher Qualität laut Göbel noch für zirka 40 Jahre.

Unterdessen wartet der Magdeburger Winterdienstler Heino Strauß noch auf die ganz großen Wintereinsätze mit viel Schnee oder starker Eisglätte. Bislang war er nur an wenigen Tagen im Einsatz. „Normalerweise beginnt das Geschäft schon im Dezember“, sagt Strauß. In diesem Winter sei es bislang aber vor allem bei Kontrollfahrten geblieben. Bereit hält er sich auf jeden Fall. (dpa)