Druckanstieg führt zu Bruch des Deiches
Bernburg/MZ. - Das Unglück nahm ganz langsam seinen Lauf. Irgendwo in dem Damm am Kalkteich Nummer 19 bei Latdorf (Kreis Bernburg), in dem der Kalkschlamm aus der Soda-Produktion des nahe gelegenen Solvay-Werkes entwässert wird, muss das Drainagesystem verstopft gewesen sein. Das Wasser konnte nicht mehr richtig abfließen. Unaufhörlich stieg der Druck innerhalb der Böschung. Gegen 22.25 Uhr am Sonnabend, dem 3. Februar, hielt der Damm dem nicht mehr stand: 250 000 Tonnen Kalkschlamm und Geröll überfluteten die Straße zwischen Kleinpaschleben (Kreis Köthen) und Nienburg (Kreis Bernburg) auf etwa 650 Meter.
Dass der Druckanstieg zum Abrutschen der Kalkteich-Böschung führte, steht in einem vorläufigen Gutachten, das von Solvay in Auftrag gegeben wurde und derzeit beim Landesverwaltungsamt in Halle von Experten geprüft wird. Laut Gerhard Eder, Solvay-Werkleiter in Bernburg, gehen die Gutachter davon aus, dass entweder die Kristallisation gelösten Salzes oder Fremdpartikel das Drainage-System verstopft haben. Allerdings laufen noch weitere Untersuchungen, um "die ersten Erkenntnisse" zu bestätigen, so Eder weiter. Auf jeden Fall soll der Druckanstieg "nicht vorhersehbar" gewesen und der Unfall durch das "Zusammentreffen ungünstiger Umstände" zustande gekommen sein.
Indes wird bereits seit langer Zeit Kalkteich 15 B durch ein System überprüft, mit dessen Hilfe der Druck innerhalb des Dammes gemessen werden kann. Mit solch einem System, so Eder, hätte das Unglück an Kalkteich 19 "vermutlich" vermieden werden können. Man sei bisher stets davon ausgegangen, dass "alle Kalkteiche gleich sind". Doch das sei offenbar falsch. "Es gibt Dinge, die von diesem Modell abweichen. Wir haben dazugelernt", sagt Eder. Deshalb werden nun in alle genutzten Kalkteiche solche Kontrollanlagen eingebaut.
Warum das bislang nicht vorgeschrieben war, ist unklar. Das Landesverwaltungsamt in Halle gab dazu keine Stellungnahme ab. Unterdessen laufen die Vorbereitungen zur Nutzung von Kalkteich 18 auf Hochtouren. Er soll am 10. März in Betrieb gehen. Ohne die Nutzung des Kalkteiches würde Solvay seine Produktion nicht aufrechterhalten können.